Bildungspolitik – Die Balance muss stimmen

Berlin. Nie waren wir mehr Bildungsrepublik als heute, freuen sich Politiker der Großen Koalition. Doch schon stellt sich die bange Frage: Haben wir bald des Guten zu viel? Die Gefahr droht. Jahrelang haben Kritiker auf die unterdurchschnittlichen Quoten der Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland hingewiesen. Genauso lange haben deutsche Politiker dies mit dem berechtigten Hinweis verteidigt, dass Deutschland ein einmaliges duales Berufsausbildungssystem habe, um das uns die ganze Welt beneide.

Jetzt haben wir – international gesehen – aufgeholt. Über 50 Prozent eines Jahrgangs studieren – und als logische Folge gibt es weniger Anfänger in der dualen Ausbildung. Das ist ein hochgefährlicher Trend angesichts des kommenden Facharbeitermangels. Es gibt bereits Engpässe in industriellen Kernberufen, in Gesundheits- und Pflegeberufen. Ein ordentlicher Lehrberuf muss deshalb attraktiv bleiben. Dazu gehört Durchlässigkeit, der Wechsel vom Beruf an die Hochschule – und umgekehrt – muss erleichtert werden. Doch das alleine reicht nicht. Es geht auch um mehr gesellschaftliche Anerkennung derjenigen, die nicht studieren, sondern ein Handwerk ausüben.

Genauso wichtig ist es, die potenziellen Bildungsverlierer mitzunehmen. Das sind – das ist nicht neu – Kinder mit Migrationshintergrund. Immer noch haben junge Erwachsene mit Migrationshintergrund dreimal so häufig keinen beruflichen Bildungsabschluss wie Deutsche. Frühkindliche Sprachförderung ist einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg. Trotzdem besuchen unter Dreijährige mit Migrationshintergrund zu 18 Prozent weniger die Angebote der frühkindlichen Bildung. Und wenn, dann sind sie viel zu häufig in Kindertageseinrichtungen mit überwiegend Kindern, deren Muttersprache ebenfalls nicht Deutsch ist. Die Abgrenzung hat sich verschärft, statt besser zu werden. So positiv der Bildungsbericht auch sein mag: Es bleiben noch genügend lohnende Baustellen für Bildungspolitiker, so die Schwäbische Zeitung. +++ fuldainfo