Ausstellung „Aufarbeitung – Die DDR in der Erinnerungskultur“

Mählert: „Weiter am Thema innere Einheit arbeiten“

2024 ist im Hinblick auf die deutsch-deutsche Geschichte ein ganz besonderes, ein wichtiges Erinnerungsjahr. 75 Jahre liegen zurück, als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Kraft trat. Ebenfalls vor 75 Jahren, am 7. Oktober 1949, erfolgte die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Am 9. November 1989 gingen schließlich die DDR-Bürgerinnen und Bürger auf die Barrikaden. „Friedliche Revolution“ nennt die Geschichte jenen gewaltfreien Prozess, der am Beginn der deutschen Wiedervereinigung stand und die Utopie eines verbrecherischen Systems von einer mehr oder weniger gleichen Gesellschaft zu Fall brachte.

Mit der Ausstellung „Aufarbeitung – Die DDR in der Erinnerungskultur“, die noch bis zum 10. Mai montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr im Bonifatiushaus zu sehen ist, möchten die Katholische Akademie des Bistums Fulda und die Fuldaer Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) einen Beitrag zum Erinnerungsjahr 2024 leisten. Die 20 Tafeln umfassende Schau der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin) erzählt vom Umgang mit der Geschichte der SED-Diktatur beziehungsweise von der Zeit bis zum Ende der staatlichen Teilung 1990. Für „fuldainfo“ interviewte Michael Schwab Historiker Dr. Ulrich Mählert. Er ist gemeinsam mit dem Historiker und Publizisten Stefan Wolle, Wissenschaftlicher Direktor des DDR-Museums Berlin, Autor der Ausstellung. Ulrich Mählert arbeitet seit 1999 in der Bundesstiftung Aufarbeitung und ist dort seit 2020 für deren Jahresausstellungen sowie Angebote zur Kommunismus-Geschichte zuständig.

Was bewegt Sie persönlich als Historiker in diesem Jahr, als vor 75 Jahren die Bundesrepublik, aber auch die DDR gegründet wurden?

Dr. Mählert: Mich treibt die politische Lage um – mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus, zu dem sich der bereits vorhandene Linkspopulismus gesellt, die anstehenden Wahlen in den deutschen Bundesländern, aber auch die US-amerikanische Präsidentschaftswahl, die mich ein wenig schaudern lassen, wenn ich an die möglichen Ergebnisse denke. Ich hätte nicht gedacht, dass wir 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes uns Sorgen machen müssen, dass die Wesensmerkmale dieses Grundgesetzes irgendwann einmal angetastet werden könnten.

Ihre Bestandsaufnahme nach 35 Jahren „Friedlicher Revolution in der DDR“- wie hat sich das Verhältnis zwischen Deutschen in West und Ost in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten entwickelt?

Dr. Mählert: Eine solche Frage lässt sich nicht pauschal mit ein oder zwei Sätzen beantworten. Unterm Strich haben sich das Zusammenleben und das Verhältnis der Deutschen aus Ost und West meines Erachtens sehr gut entwickelt, vor allen Dingen, wenn Sie auf die jüngere Generation blicken. Mag sein, dass bei der älteren Generation dieses West-Ost-Denken noch stärker vorhanden ist, vielleicht inzwischen mehr im Osten als im Westen, wobei doch eigentlich die Ostdeutschen bis 1989 und noch einige Jahre darüber hinaus am „gesamtdeutschesten“ waren. Insofern müssen wir weiter am Thema innere Einheit arbeiten, wir dürfen aber auch nichts dramatisieren.

Der Leipziger Schriftsteller Matthias Jügler hat Sorge um die aus seiner Sicht zunehmende Verklärung der DDR, damit letztlich auch vor einer Verharmlosung des Regimes. Gibt es diesen Trend wirklich und wie kann man ihm entgegenwirken?

Dr. Mählert: Ich halte diese Sichtweise für übertrieben. Natürlich gibt es momentan wieder verstärkte Gegentendenzen, die man als Verharmlosung der DDR verstehen kann. Aber wir waren schon immer mit solchen Entwicklungen konfrontiert. Das ist ein ständiges Auf und Ab. Ich denke aber, dass insgesamt doch bei den meisten Klarheit herrscht, was die Unterschiede zwischen der kommunistischen Diktatur in der DDR und dem demokratischen Deutschland betrifft.

Wird die Gesellschaft zunehmend gespalten?

Dr. Mählert: Ja, ich glaube, es gibt eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Die verläuft aber nicht nach Ost und West, sondern zwischen Profiteuren der Globalisierung und den Menschen, denen die Globalisierung aus objektiven oder subjektiven Gründen Sorge bereitet. Und diese Menschen finden sie sowohl in West- als auch in Ostdeutschland.

Wie groß ist das Interesse der jungen Generation – insbesondere auch der Schulen – an der Thematik?

Dr. Mählert: Unser Eindruck ist, dass wir ein zunehmendes Interesse an diesem Thema registrieren, dass es immer selbstverständlicher wird, Gedenkstätten der SED-Diktatur zu besuchen bzw. dieses Thema auch im Unterricht zu behandeln. Unser Jugendwettbewerb bzw. das Programm „Jugend erinnert“ haben wesentliche Zuwächse bei den Antragstellern und den Einreichern. Das heißt, die jungen Menschen interessieren sich für Geschichte, sie haben Spaß an Geschichte und sie setzen sich mit Geschichte konstruktiv auseinander.

Stichworte: „Besserwessi“ und „Jammerossi“ – hat sich an diesen Vorurteilen etwas geändert?

Dr. Mählert: Das sind natürlich Klischees. Diese Klischees haben sich ein Stück weit verfestigt und natürlich trifft man auf dieses Phänomen des überheblichen Westdeutschen, so wie man auf Ostdeutsche trifft, denen es augenscheinlich eigentlich sehr gut geht und die trotzdem beständig klagen. Insofern, es gibt diese Vorurteile, es gibt auch Gründe für diese Vorurteile. Aber sie werden völlig zugespitzt formuliert. +++