Ausbildung – Kreishandwerkerschaft spricht von „Alarmstufe Rot“

Netzwerkpartner ziehen Bilanz des Ausbildungsjahres

Ausbildung

Osthessen gehen die zukünftigen Fachkräfte aus. So formulierten es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ausbildungsmarktkonferenz Fulda, die heute in der Agentur für Arbeit tagten. Die Kreishandwerkerschaft sprach von „Alarmstufe Rot“, die IHK verzeichnet zwar ein kleines Plus an Ausbildungsverträgen, sieht die Lage jedoch als „schwierig“ an. Die regionalen Netzwerkpartner (Industrie- und Handelskammer, Kreishandwerkerschaft, Staatliches Schulamt, Kreisjobcenter und Arbeitsagentur) treffen sich zweimal im Jahr, um aktuelle Entwicklungen zu analysieren und Strategien zur erörtern, wie mehr junge Menschen für eine Ausbildung motiviert und neue Zielgruppen erschlossen werden können. Fakt ist: Seit Oktober vergangenen Jahres haben sich 1.162 junge Menschen bei der Berufsberatung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet. Das waren zwar 99 mehr als im Jahr zuvor, die Zahl der Ausbildungsstellen ist jedoch im gleichen Zeitraum um 197 auf 2.301 gestiegen. Die Folge: Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage hat sich noch weiter geöffnet; 313 Stellen konnten nicht besetzt werden.

Unter anderem werden noch Auszubildende im Metall- sowie im Beton- und Stahlbau, im kaufmännischen Bereich (Büro und Einzelhandel) und in der Hotellerie und Gastronomie gesucht, ebenso Dual Studierende in unterschiedlichen Bereichen. Für den Ausbildungsbeginn in 2023 liegen der Arbeitsagentur heute schon mehr als 1.500 Ausbildungsstellen zur Besetzung vor. Der Markt birgt vergleichsweise großes Potenzial: Während in Hessen auf 100 Bewerber 102 Ausbildungsstellen kamen, waren es im Landkreis Fulda 198. Umgekehrt standen für 100 Ausbildungsstellen rechnerisch lediglich 50 Bewerber zur Verfügung. „Diese Entwicklung ist eine große Herausforderung für die Unternehmen und Betriebe, die angesichts ihres hohen Bedarfs an Fachkräften dringend auf den eigenen betrieblichen Nachwuchs angewiesen sind“, erklärte Waldemar Dombrowski, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur. Einigkeit der Netzwerkpartner bestand vor allem in einem Punkt: Für die Berufsorientierung der jungen Menschen und das Bewerber-Plus war die Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen sehr wichtig. Von kleinen Lehrstellenbörsen über Betriebspraktika bis zur großen Bildungsmesse im Esperanto. „Die jungen Menschen sind zwar viel im Internet unterwegs, aber um sich beruflich zu orientieren, suchen sie lieber das Gespräch mit Auszubildenden und Personalverantwortlichen oder probieren sich im Rahmen eines Betriebspraktikums mit Blick auf die Anforderungen gern selbst aus“, betonte Agenturchef Dombrowski.

Um das der nächsten Generation künftiger Schulabgängerinnen und -abgänger zu ermöglichen, soll im Oktober 2023 – abweichend vom bisherigen zweijährigen Rhythmus – wieder eine Bildungsmesse stattfinden. Doch nicht nur diese Zielgruppe soll im Fokus der Netzwerkpartner bleiben, sondern auch Erwachsene über 25 Jahre, die über keine abgeschlossene Ausbildung verfügen und durch eine Umschulung zur gesuchten Fachkraft werden können.

Stimmen der Netzwerkpartner

„Der Ausbildungsmarkt ist weiterhin von Ungleichgewichten gekennzeichnet und stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Jeder junge Mensch, der sich heute für eine Ausbildung entscheidet, ist ein Gewinn. Entsprechend engagiert und kreativ wird um Azubis geworben. Angesichts des Fachkräftemangels müssen wir aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung weiterdenken: Unser Ziel muss es sein, jedem jungen Menschen einen Ausbildungsabschluss zu ermöglichen, damit jeder nach Neigungen, Fähigkeiten und Talenten den Weg in den Beruf findet. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist letztlich der Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft“, so der Landrat des Kreises Fulda, Bernd Woide.

Michael Konow, Hauptgeschäftsführer IHK Fulda erläuterte: „Es ist noch zu früh, um von einer Trendwende zu sprechen. In Osthessen starten die Ausbildungsbetriebe in Industrie, Handel und Dienstleistung mit 5,7 Prozent mehr Ausbildungsverträgen als im Vorjahr. Die IHK Fulda konnte zum 31. Oktober 1065 neue Verträge registrieren. Diese Tendenz stimmt uns zuversichtlich. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass nicht alle Ausbildungsplätze in diesem Jahr besetzt werden konnten. Die Suche nach Azubis bleibt schwierig, weshalb unsere gemeinsamen Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Der Zuspruch, den wir aus der heimischen Wirtschaft zur Bildungsmesse erfahren haben, belegt, dass diese Plattform ein wichtiges Instrument ist, um das Ausbildungsangebot für die Schülerinnen und Schüler greifbar zu machen. Daher freue ich mich, dass wir heute mit unseren Partnern wieder den Startschuss für die nächste Bildungsmesse am 6. und 7. Oktober 2023 geben können. Den jungen Menschen möchte ich zurufen: „Osthessen ist für Euch eine Chancenregion und eine Ausbildung ist eine tolle Grundlage für den Start in das Erwerbsleben.“

„Die uns bisher vorliegenden Zahlen zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sind mehr als beunruhigend. Wir müssen von einem Rückgang von mindestens 15 Prozent ausgehen. Interessant ist dabei, dass die Entwicklung der Ausbildungszahlen in diesem Jahr völlig unterschiedlich verläuft. In manchen Ausbildungsberufen liegt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf Vorjahresniveau, bei einigen sogar leicht darüber. Dagegen sind beliebte Ausbildungsberufe, die bisher immer vergleichsweise stabile Zahlen hatten, in diesem Jahr regelrecht abgestürzt. Mit Blick auf den jetzt schon im Handwerk herrschenden Fachkräftemangel, haben wir jetzt die Alarmstufe „Rot“ erreicht. Wir dürfen also keine Zeit mehr verlieren. Es reicht nicht mehr aus, dass die Akteure auf dem Ausbildungsmarkt ihre gemeinsame Arbeit fortsetzen. Die aktuellen Ausbildungszahlen unterstreichen die Forderung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks nach einer Bildungswende, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis“, sagte Gabriele Leipold, Geschäftsführerin Kreishandwerkerschaft Fulda.

Harald Persch vom stattlichen Schulamt erklärte: „Die Schülerzahl in der dualen Ausbildung stabilisierte sich im aktuellen Schuljahr bei leichten Rückgängen in wenigen Ausbildungsberufen.
Nach wie vor bleibt es unser Ziel, die Differenz zwischen den angebotenen Ausbildungsplätzen und den zur Verfügung stehenden Bewerberinnen und Bewerbern durch Hinweise auf die hervorragendem Optionen, die eine Berufsausbildung im dualen System bietet, zu verringern. Zugewanderte junge Menschen versuchen wir durch angepasste Sprachfördermaßnahmen möglichst schnell fit für den Ausbildungsmarkt zu machen.“ +++

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