Auch andere Bundesländer prüfen Meldeportal gegen Steuerbetrug

Steuergewerkschaft weist Kritik an "Hinweisgeber-Portal" zurück

Nach Baden-Württemberg erwägen auch andere Bundesländer die Einführung eines digitalen Meldeportals für Hinweise auf Steuerbetrug, allen voran Schleswig-Holstein. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf eine eigene Umfrage unter den Finanzministerien der Länder. „Bei der Digitalisierung der Verwaltung sollten wir möglichst keinen Bereich ausnehmen. In diesem Sinne prüfen wir auch die Einrichtung eines entsprechenden Online-Portals“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin und Grünen-Politikerin Monika Heinhold der „Welt“.

Sie würde es dabei begrüßen, wenn die Länder bei einem solchen Portal gemeinsam vorgingen. In Thüringen kann man sich zwar keinen Alleingang wie in Baden-Württemberg, wohl aber eine bundesweit einheitliche Lösung aller Länder vorstellen. Ein Onlineangebot für anonyme Anzeigen könne aus „Akzeptanzgründen in der öffentlichen Wahrnehmung, wenn, dann besser im Länderverbund erreicht werden“, teilte das Finanzministerium in Erfurt der „Welt“ mit. Auch in Berlin zeigte man sich aufgeschlossen für einen gemeinsamen Weg aller Bundesländer. „Aus Sicht der Senatsfinanzverwaltung sollte zunächst die Akzeptanz des Onlineportals aus Baden-Württemberg bei den Bürgerinnen und Bürgern analysiert werden“, hieß es von dort. Die Anmeldung für das Projekt „Konsens“, in dessen Rahmen die Digitalisierung der Steuerverwaltung seit Jahren gemeinsam von Bund und Ländern betrieben wird, wäre dann „nach einer Evaluation vorzunehmen“, sagte die Senatsfinanzverwaltung der „Welt“. Die Hamburger Finanzbehörde teilte dem Blatt mit, dass „die in Baden-Württemberg gemachten Erfahrungen analysiert und in die Überlegungen zur Einführung eines gegebenenfalls im Rahmen der Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie neu zu schaffenden Meldekanals einbezogen“ werden. Die Richtlinie muss eigentlich bis zum 16. Dezember in nationales Recht umgesetzt sein.

Steuergewerkschaft weist Kritik an „Hinweisgeber-Portal“ zurück

Die Deutsche Steuergewerkschaft hat Kritik an der bundesweit ersten Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern in Baden-Württemberg zurückgewiesen. „Das ist zu einem großen Teil Wahlkampfgetöse“, sagte der Vorsitzende Thomas Eigenthaler dem „Handelsblatt“. Begriffe wie „Stasi-Methoden“ und „DDR-Mentalität“ seien für die Steuerverwaltung „ehrabschneidend“. Anonyme Anzeigen gebe es, seit es Finanzämter gibt, so Eigenthaler. Das Portal in Baden-Württemberg sei eher eine Verbesserung, denn die Steuerverwaltung könne durch gezielte Rückfragen den „Anzeigenschrott“ von „werthaltigen Hinweisen“ trennen. „Steuerbeamte sind keine Stümper“, so der Gewerkschafter. „Sie können schnell erkennen, ob nur denunziert werde oder ob man einer Steuerhinterziehung gezielt nachgehen muss.“ Man sei nicht an „kleinlichen Nachbarschaftskonflikten“ interessiert, sondern hoffe, mit dem Portal „dicke Fische“ zu fangen. Schwere Steuerhinterziehung werde  mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft, sagte Eigenthaler. Der Staat müsse diese Straftaten so gut wie möglich aufklären. Möglicherweise bekomme man über das Portal auch noch Hinweise auf andere Straftaten im Bereich organisierter Kriminalität wie zum Beispiel Geldwäsche, Urkundenfälschung oder Hehlerei. Alle anonymen Anzeigen würden auf Plausibilität geprüft, Unsinniges lande rasch „im Papierkorb“, so Eigenthaler. Von einem Meldeportal auf Bundesebene, wie dies Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vorgeschlagen hat, hält Eigenthaler wenig: „Das Portal fällt ganz klar in die Kompetenz jedes einzelnen Bundeslandes“, sagte er.

Ex-Präsident des Bundesfinanzhofs kritisiert „Hinweisgeber-Portal“

Das „Hinweisgeber-Portal“ zur Ermittlung von Steuerbetrügern in Baden-Württemberg stößt auf deutliche Kritik beim Ex-Präsidenten des Bundesfinanzhofs (BFH), Rudolf Mellinghoff. „Ich halte ein solches Meldeportal für Steuerbetrug für rechtsstaatlich bedenklich, sei es auf Länder- oder auf Bundesebene“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Natürlich muss der Staat aufpassen, dass er nicht über das Ohr gehauen wird.“ Es sei auch richtig, dass es den automatischen Informationsaustausch über Kapitalkonten gebe. „Es ist aber deutlich etwas anderes, wenn ein solches Portal dazu einlädt, zu denunzieren.“ Mit der Webseite werde „organisatorisch ausdrücklich dazu aufgefordert, Steuerbetrug anzuzeigen“. Dabei lägen in den Finanzämtern ja auch keine Flyer oder Formulare aus, die dafür werben, Steuerstraftäter zu melden, so der Ex-BFH-Präsident. Ein Portal sei zudem nicht einfach ein weiterer oder modernerer Weg für eine Anzeige. Jeder könne sich bereit  s per E-Mail an die Finanzverwaltung wenden, auch anonym. „Es werden auch Briefe an die Finanzämter geschrieben, häufig um jemandem explizit zu schaden“, sagte der Ex-Richter. Mellinghoff bezweifelt überdies den Nutzen eines Meldeportals. „Aus meiner Erfahrung haben anonyme Anzeigen selten die Qualität, dass dadurch große Steuerbetrugsfälle aufgedeckt werden.“ Die wirklich großen Steuerfälle seien über ein Portal auch kaum anzuzeigen, weil diese viel zu umfangreich wären. „Im Grunde würde es also doch auf Denunziantentum hinauslaufen“, sagte Mellinghoff. „Wir haben doch auch kein Internetportal eingerichtet, um Verkehrssünder anzuzeigen oder Umweltsünder anzuschwärzen.“ +++