Asyl: SPD und FDP wollen mögliche Verfahren in Drittstaaten überdenken

Nach Ruanda-Urteil: Stamp hält an Drittstaaten-Plan fest

Nach dem Rechtsspruch gegen den „Ruanda-Plan“ der britischen Regierung wollen auch die deutschen Regierungsparteien die Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten überdenken. „Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in London zeigt, dass sich Verantwortung für Geflüchtete nicht einfach auslagern lässt“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Die Bedenken, die über Modelle wie in Ruanda bestehen, müssen wir ernst nehmen. Das ist kein Konzept, was sich von heute auf morgen umsetzen lässt.“ Der sogenannte „Ruanda-Plan“ der britischen Regierung sah vor, Flüchtlinge, die mit Booten über den Ärmelkanal in Großbritannien ankommen, nach Ruanda auszufliegen.

In dem ostafrikanischen Land sollten dann die Asylverfahren durchgeführt werden. Nun fällte das oberste Gericht ein Urteil gegen den Plan. Es bestehe die Gefahr, dass Asylsuchende in Ruanda kein faires Asylverfahren erhalten und dass sie nicht ausreichend vor Misshandlungen geschützt sind. Auch in Deutschland wird die Möglichkeit diskutiert, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sieht zwar eine Möglichkeit für die Umsetzung ausgelagerter Asylverfahren, jedoch müssten diese sich an hohen rechtsstaatlichen Maßstäben orientieren. „Das Urteil des britischen Obersten Gerichtshofes ist nicht direkt auf Deutschland übertragbar.“ Aber es zeige, dass an Asylverfahren in Drittstaaten sehr hohe rechtsstaatliche Maßstäbe angelegt werden müssten. „Daher müssen wir dieses Modell weiterverfolgen und prüfen, wie wir eine Umsetzung mit höchsten rechtsstaatlichen Standards erreichen können“, so Thomae. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke kritisiert die Modelle der ausgelagerten Asylverfahren. „Wer Asylverfahren auf diese Art und Weise auslagern möchte, leidet unter völkerrechtlichem Realitätsverlust“, so Pahlke. Die Debatte um Scheinlösungen helfe am Ende keiner Kommune weiter. „Was helfen würde, wäre die vollumfängliche Abschaffung von Arbeitsverboten und ernsthafte Bemühungen auch um eine faire europäische Verteilung“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Andrea Lindholz, sieht dagegen keinen Diskussionsbedarf für eventuelle deutsche Asylmodelle: „Das Urteil des Obersten Gerichts in Großbritannien betrifft ausschließlich die Lage in Ruanda. Das Gericht hat ausdrücklich nicht das Konzept zur Durchführung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten verworfen, sondern es in Zukunft sogar für Runda für möglich erachtet.“ Lindholz hält es deswegen für „richtig und wichtig, jetzt im EU-Recht die Möglichkeit zu schaffen, Asylverfahren uneingeschränkt in sicheren Drittstaaten durchzuführen“, sagte sie der Mediengruppe Bayern. „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, die Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem in diesem Sinne aktiv voranzutreiben.“

Nach Ruanda-Urteil: Stamp hält an Drittstaaten-Plan fest

Trotz des abschlägigen Urteils des höchsten britischen Gerichts zur Abschiebung von Flüchtlingen nach Ruanda hält der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), an einer Drittstaatenregelung für Deutschland fest. „Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass eine Drittstaatsregelung wünschenswert ist, es aber noch keinen geeigneten Staat gibt, der Willens und rechtsstaatlich dazu in der Lage ist“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch dem „Spiegel“. Das Urteil in Großbritannien negiere nicht die Möglichkeit von Drittstaatsverfahren, „sondern die derzeitige rechtliche Situation dafür in Ruanda“. Das Thema sollte daher „sachlich weiter erörtert werden“, so der Migrationsbeauftragte. „Klar ist aber auch, dass eine umfassende Veränderung nicht einfach vom Himmel fällt“, erklärte der FDP-Politiker, dessen Aufgabengebiet im Bundesinnenministerium angesiedelt ist. Stamp, der sein Amt in diesem Frühjahr antrat, soll Rücknahmeabkommen der Bundesrepublik mit Ländern abschließen, um in Deutschland abgelehnte Asylbewerber leichter abzuschieben und zugleich legale Möglichkeiten zur Zuwanderung zu ermöglichen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, der kürzlich mit zwei weiteren Mitgliedern der SPD-Fraktion ein Papier für die Auslagerung von Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten verfasst hatte, zeigte sich am Mittwoch erleichtert über das Urteil aus Großbritannien. „Es ist gut, dass die britischen Gerichte die Regierung in die Schranken weisen“, sagte Schwabe dem „Spiegel“. „Es geht mir und uns ja vor allem darum, dass wir rechtsstaatliche Verfahren und akzeptable Rahmenbedingungen haben. Das ist unsere absolute Grundbedingung für Verfahren in Drittstaaten“, sagte der Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion. Der britische Oberste Gerichtshof hatte am Mittwoch die Pläne der britischen Regierung für ungesetzlich erklärt, per Boot auf die Insel ankommende Flüchtlinge ohne Asylverfahren nach Ruanda abzuschieben. Der Gerichtshof urteilte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Asylsuchende in Ruanda in ihre Herkunftsländer zurückgeschoben würden. Die britische Regierung hatte noch in der Regierungszeit des Premierministers Boris Johnson mit Ruanda ein Abkommen geschlossen, das gegen die Zahlung von Entwicklungshilfegeldern die Bereitschaft des ostafrikanischen Landes vorsah, eine nicht näher genannte Zahl von Flüchtlingen aus Großbritannien aufzunehmen. +++

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