Berlin. Richard von Weizsäcker ist tot. Der Alt-Bundespräsident verstarb im Alter von 94 Jahren. Weizsäcker wurde 1984 zum sechsten deutschen Bundespräsidenten gewählt und blieb bis 1994 Staatsoberhaupt. Er erhielt weltweit Zustimmung, als er in einer Rede am 8. Mai 1985 das Kriegsende als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ bezeichnete. Von 1981 bis 1984 war er Regierender Bürgermeister von Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Weizsäcker als „Zeugen des Jahrhunderts“. Als erster Bundespräsident des vereinten Deutschlands habe er einen großen Beitrag zum Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland geleistet. „Wir werden ihn nicht vergessen“, so der amtierende Bundespräsident weiter.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat den verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker als herausragende politische Persönlichkeit gewürdigt. „Richard von Weizsäcker war der Bundespräsident der deutschen Einheit. Mit hohem persönlichen Engagement hat er an der Umsetzung der Einheit unseres Landes mitgewirkt. Er ist auf die Menschen zugegangen, um ihre Hoffnungen und Ängste der Wiedervereinigung zu verstehen: So konnte er Politik und Gesellschaft Hinweise geben, die Menschen auf dem Weg der Versöhnung mitzunehmen. Insbesondere war Richard von Weizsäcker die Verständigung auf dem europäischen Kontinent ein Herzensanliegen. Wo der Dialog nicht funktionierte, hat er Gesprächsmöglichkeiten eröffnet.“ Als Präsident des Evangelischen Kirchentages und als Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sei Richard von Weizsäcker auch die Ökumene ein Anliegen gewesen. Für ihn war das gemeinsame Suchen der Kirchen nach gesellschaftlichem Engagement von Bedeutung, so Kardinal Marx. „Wer dem früheren Bundespräsidenten begegnete, spürte das Anliegen des Verstorbenen: Er wollte das christliche Erbe unseres Landes lebendig halten. Richard von Weizsäcker war ein Mann des offenen Wortes, der aus der Kraft des Gebets gelebt und gehandelt hat“, so Kardinal Marx.
„Mit Richard von Weizsäcker verlieren wir einen herausragenden Präsidenten, einen bedeutenden Politiker und eine große Persönlichkeit. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes war wichtig und unverzichtbar. Sie hat Zeichen gesetzt und ist in die deutsche Geschichte eingegangen. Richard von Weizsäcker war ein Präsident, der in Deutschland sehr großen Respekt und Anerkennung gefunden hat und unser Land in herausragender Weise repräsentierte. Danke Richard von Weizsäcker“, erklärte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.
Mit tiefer Trauer hat die deutsche Sozialdemokratie vom Tod Richard von Weizsäckers erfahren. Wir verabschieden uns mit großem Respekt von einem Mann, dessen Leben mit Deutschland nicht nur eng verbunden war, sondern der unser Land wesentlich geprägt hat. Richard von Weizsäcker hatte die Gabe und den Intellekt, den Menschen Orientierung zu geben und Deutschland in der Welt würdig zu vertreten. Unvergessen bleibt seine historische Rede zum vierzigsten Jahrestag des Kriegsendes. Seine Einordnung dieses Tages als Tag der Befreiung hat das Geschichtsverständnis der Deutschen nachhaltig beeinflusst. Diese Rede wird für immer als Zäsur in den Geschichtsbüchern seinen Platz haben. Hier sprach erstmals ein Bundespräsident vom Tag der Befreiung und machte damit deutlich, wie unverzichtbar für die Identität einer Nation die Klärung der eigenen Vergangenheit ist. Eine große Leistung im damaligen politischen Klima war seine frühe Unterstützung der Ostpolitik von Willy Brandt und sein Bemühen um Aussöhnung, vor allem auch mit den polnischen Nachbarn. Mit großer persönlicher Glaubwürdigkeit und dadurch erworbener Autorität mahnte Richard von Weizsäcker stets eine emanzipierte Bürgerlichkeit an, die aus dem Versagen der Vergangenheit Konsequenzen zieht. Die Bedeutung, die er der Europäischen Union und der verlässlichen Rolle der Deutschen darin immer zugemessen hat, ist eine der wichtigsten Lehren. Auch sein unermüdliches Eintreten gegen jede Art von Fanatismus und für Zivilcourage gehörte dazu.
Richard von Weizsäcker war ein Staatsmann ersten Ranges und gehörte zu den prägenden Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland. Als Regierender Bürgermeister von Berlin trug er in der vom Eisernen Vorhang geteilten Stadt Verantwortung, nach der Wiedervereinigung setzte er sich als erster gesamtdeutscher Bundespräsident für die Vollendung der inneren Einheit unseres Landes ein. Durch sein Engagement in der Evangelischen Kirche in Deutschland – unter anderem als langjähriger Präsident des Kirchentages – war Richard von Weizsäcker stets ein Vorbild für das glaubwürdige Handeln eines Christen in der Politik. Auch um die CDU hat sich Richard von Weizsäcker verdient gemacht: Ab 1971 war er Vorsitzender der CDU-Grundsatzkommission. Diese erarbeitete das erste Grundsatzprogramm „Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit“, welches auf dem Bundesparteitag 1978 in Ludwigshafen verabschiedet wurde. Wir Christdemokraten werden dem Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren. +++ fuldainfo