Ärzteverbände drängen auf schnellere Impfstoffabgabe an arme Länder

Die logistischen Probleme der Impfstoffverteilung seien gewaltig

In der Diskussion um ungenutzte Corona-Impfdosen in Deutschland dringen die Hausärzte auf eine schnellere Abgabe der Impfstoffe an Entwicklungsländer. „Jede Impfstoffdosis, die aktuell in einer Praxis oder einem Impfzentrum liegen bleibt und verfällt, ist eine zu viel“, sagte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Den Verband erreichten derzeit immer wieder verzweifelte Nachrichten von Hausärzten, deren Dosen zu verfallen drohen. „Vor dem Hintergrund, dass in einigen Ländern nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung durchgeimpft sind, müssen wir jede logistische Möglichkeit ausschöpfen, um die hier nicht benötigten Impfstoffe für andere, meist ärmere Länder zu retten.“

Auch Weltärztepräsident Ulrich Montgomery bekräftigte die Entscheidung, Impfstoff im Rahmen der Covax-Impfkampagne an andere Länder abzugeben: „Es ist gut, nichtbenötigten Impfstoff an Länder abzugeben, die weder Impfstoff produzieren noch bezahlen können“, sagte er dem RND. „Die Schlacht gegen Sars-CoV-2 ist ein globaler Krieg – wir schützen auch uns, wenn wir die Immunitätslage in anderen Regionen der Welt verbessern.“ Montgomery kritisierte zugleich die Weltgesundheitsorganisation (WHO): „Nur abgeben oder verschenken reicht nicht. Der Impfstoff muss auch transportiert, gelagert, gekühlt und schließlich verimpft werden. Hier könnte die WHO mit ihrer Covax-Kampagne viel helfen. Leider aber scheint die WHO wieder einmal zu versagen.“ Schöne Worte und Aufforderungen zum Spenden allein reichten nicht, so Montgomery: „Statt in Genf in schönen Büros zu sitzen, sollten die Funktionäre der Weltgesundheitsorgane die Impfkampagnen in den armen Ländern in Gang bringen.“

Die logistischen Probleme der Impfstoffverteilung seien gewaltig. „In Ländern ohne funktionierende Gesundheitsversorgung müsste die WHO vor Ort tätig werden.“ Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert die spät e Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums zur Abgabe der Impfstoffe: „Während in Deutschland bereits eine dritte Impfung für Risikogruppen empfohlen wird, haben in armen Ländern gerade mal knapp zwei Prozent der Menschen eine vollständige Immunisierung erhalten“, sagte Vorstandsmitglied Maike Schwarz dem RND. Das aktuelle Hauptproblem sei, dass die Produktion nicht den globalen Bedarf decken könne. „Um dem Mangel zu begegnen, müssen Hersteller wie Biontech und Moderna, schnell einen umfassenden Technologietransfer an Firmen in ärmeren Ländern, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, einleiten, damit dort schnell lokal Impfstoffe produziert werden können“, forderte Schwarz.