15 Jahre BaBi: Unterstützung beim Elternsein

Frühe Hilfen heißen die Angebote von Landkreis und Stadt Fulda

Kirstin Bennewitz (Zweite von links) und Miriam Goldbach (Vierte von links) sind Koordinatorinnen und Ansprechpartnerinnen für die Gesundheitsfachkräfte (Familienhebammen und Familienkinderkrankenschwestern).im Projekt BaBi. Foto: Sebastian Mannert

Das Elternsein wird einem nicht in die Wiege gelegt: Im Grunde erleben alle Mütter und Väter die Herausforderungen als Familie über die Zeit hinweg mal mehr oder weniger belastend. Aber wenn noch Schicksalsschläge dazu kommen oder andere persönliche Schieflagen, dann kann das eine Familie gehörig aus der Bahn werfen. Für solche Krisen gibt es im gesamten Landkreis Fulda Angebote der sogenannten Frühen Hilfen, die niedrigschwellig und in der Regel kostenfrei sind. „Präventiver geht es nicht“, sagt Kirstin Bennewitz. Sie leitet die Fachstelle Frühe Hilfen beim Landkreis Fulda und bildet gemeinsam mit Miriam Goldbach, die in derselben Funktion bei der Stadt Fulda tätig ist, die Anlaufstelle für alle Hilfesuchenden in diesem Bereich. Die beiden Koordinatorinnen haben unterschiedliche Aufgabenfelder und ziehen an einem Strang – zum Beispiel im Projekt BaBi, das schon seit 15 Jahren existiert.

Landkreis und Stadt Fulda waren beim Thema Frühe Hilfen anderen Regionen und auch dem Land Hessen um etliche Jahre voraus. Als im Jahr 2006 im Bonifatiushaus auf Einladung der beiden Jugendämter von Stadt und Landkreis Fulda mehr als 60 Institutionen und Fachkräfte zusammenkamen, um die Themen Gesundheit, Familien- sowie Kinder- und Jugendhilfe enger zu verzahnen, war das der Start für das regionale Netzwerk EvA – Erziehung von Anfang an. Dahinter stand und steht: präventiv ansetzen, frühzeitig helfen, und Familien ermutigen, sich Hilfe zu holen. „Es kommt doch keiner als Mutter oder Vater auf die Welt. Und es ist keine Niederlage, wenn man Unterstützung in Anspruch nimmt“, sagt Kirstin Bennewitz. Das Netzwerk EvA hat auch heute noch Bestand und entwickelte über die Jahre diverse Projekte (siehe Info-Kasten). 2008 wurde auf diese Weise BaBi geboren, was ausgeschrieben „Begleitung am Beginn“ bedeutet. Seit 15 Jahren ist BaBi ein Begriff für die Unterstützung von Eltern und Familien ab der Schwangerschaft durch Qualifizierte Familienhebammen, Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und ehrenamtliche Familienbegleiterinnen.

„Unter den Hilfesuchenden sind nahezu alle vertreten“, sagt Miriam Goldbach und zählt auf: „Frauen jeden Alters, Familien aus allen Bevölkerungsgruppen, Erstgebärende, Alleinerziehende oder Eltern mit mehreren Kindern.“ Und auch die Gründe für die Hilfe sind so vielfältig wie das Leben. Kirstin Bennewitz: „Das kann eine sehr junge Schwangere sein, die keinen familiären Rückhalt hat. Oder auch eine erfahrene Mutter, die eine akute Trennungssituation aushalten muss. Manchmal ist es einfach das Gefühl überfordert zu sein, manchmal wird das Familienkonstrukt durch eine Krise massiv beeinträchtigt.“ Wann immer sich eine Person bei Kirstin Bennewitz meldet, gilt deren erster Blick der aktuellen Situation: Ist das Baby schon da, ist es ein Frühchen oder steht die Entbindung noch bevor? Wo liegt das akute Problem? Und wer kann dabei am besten helfen? Entsprechend wird eine Familienhebamme (von 0 bis zum 1. Lebensjahr des Kindes) oder eine Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin (bis zum 3. Lebensjahr des Kindes) gesucht, die dann mit der hilfesuchenden Person oder Familie einen Hausbesuchstermin abspricht. „25 solcher Termine werden im ersten Schritt bewilligt. Bei Bedarf ist eine Nachbewilligung möglich“, sagt Miriam Goldbach.

„Die Gesundheitsfachkräfte haben unter anderem eine Lotsenfunktion“, erklärt Kirstin Bennewitz: „Sie verschaffen sich in der Familie einen Überblick, was fehlt und was entlasten könnte. Eine Ersatz-Oma zum Beispiel. Oder eine Mutter-Kind-Gruppe. Oder eine Tagesmutter. Es geht nicht ums Geschirrspülen, sondern um das Schaffen von Strukturen und Freiräumen.“ Wesentliche Aufgaben sind außerdem die Förderung der Beziehungs- und Bindungskompetenz von Eltern und ihren Kindern sowie die Unterstützung der Eltern bei der Entwicklung und Gesundheit des Kindes. Besonders wichtig für das Projekt BaBi ist auch die Tätigkeit der Ehrenamtlichen, die vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) geschult und eingesetzt werden. Bei Bedarf begleiten sie parallel zum oder nach dem Einsatz der Gesundheitsfachkraft die Familien weiter, können aber auch unabhängig davon tätig werden. Freiwillig Engagierte können Familien bei alltäglichen Aufgaben entlasten, die Eltern zu Ämtern oder Ärzten begleiten und einfach ein offenes Ohr haben bei allen Fragen rund ums Kind. Sie können eigene Lebenserfahrungen in Gespräche mit den Müttern und Vätern einbringen und haben ein gutes Gespür für weiteren Hilfebedarf von Familien in belastenden Lebenslagen. Ehrenamtliche Familienbegleitungen sind hochgradig beziehungsorientiert; darin liegt ihre besondere Stärke.

Miriam Goldbach bringt es auf den Punkt: „Diese Hilfen anzunehmen, stigmatisiert niemanden und bedeutet kein persönliches Versagen. Was wir tun, ist unterstützen beim Familie werden.“
Die Koordinatorinnen wünschen sich, dass mehr Akteurinnen und Akteure etwa aus dem Gesundheitsbereich für die Frühen Hilfen werben: „Gynäkologische Praxen und Kinderärztinnen und -ärzte sind gute Orte, um Schwangere und Mütter über Frühe Hilfen zu informieren“, sagt Miriam Goldbach, und Kirstin Bennewitz ergänzt: „Es ist sicher nicht leicht das zu thematisieren. Aber unsere Erfahrung ist, dass Frauen rund um die Geburt offener dafür sind, Hilfe anzunehmen. Und wer früh gute Erfahrungen mit diesem System gemacht hat, ist geneigt, später erneut Hilfe anzunehmen.“ +++

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