100 Jahre Landgasthof Habermehl

Schlitz. Vor hundert Jahren, wurde der heutige Landgasthof Habermehl von Heinrich Habermehl eröffnet. Wenn es in den letzten Jahren auch etwas turbulent um den Betrieb dieser Traditionsgaststätte umging, so sollen die nachfolgenden Zeilen doch diesem besonderen Jubiläum gewidmet werden. 2001 hatte Ernst Decher unter dem Thema „Schlitz einst und jetzt“ unter anderem berichtet: „Für den Magen, für die Kehl, Habermehl!“, so lautet seit langen Jahren der Werbespruch des bekannten Gasthofes Habermehl in der oberen Salzschlirfer Straße in Schlitz.

Er hatte damals ein Foto angefügt, das das Haus in der Zeit zeigte, als die Straße noch Lehmkaut hieß. Der Metzgermeister Heinrich Habermehl hatte es einige Tage vor Beginn des ersten Weltkrieges von dem Metzger und Gastwirt Franz Ritzer gekauft, musste aber dann selbst in den Krieg, so dass die notwendige Renovierung des ziemlich herab gekommenen Hauses und notwendige Umbauten erst ab 1923 möglich gewesen sind. Das war auch nötig, denn Gastwirtschaft und Metzgerei hatten guten Zuspruch, auch war es inzwischen das Vereinslokal des 1920 gegründeten Sportvereins Slitisa geworden. Im Garten hinter dem Haus war sogar ein Saal mit einer kleinen Bühne gebaut worden, auch eine Kegelbahn fehlte nicht.

Ein kleiner Rückblick

Weitere An- und Umbauten folgten nach Ende des letzten Krieges, so dass sich heute ein Gasthof bietet, der allen Ansprüchen gerecht wird und in der dritten Generation von Heinrich Habermehl geleitet wird. Wenn auch das Stammhaus heute teils verschindelt, teils verputzt ist, so präsentiert sich der Anbau in Fachwerkbauweise und passt als Gesamtensemble gut in die Reihe der umgebenden abwechslungsreichen Häuserfronten“. Und wenn heute genau 100 Jahre seit dem Gründungsdatum vergangen sind, so könnte es für viele unserer Leser zusätzlich interessant sein, an was sich die einzige noch lebende Zeitzeugin der Gründerfamilie, Elisabeth Römmelt, erinnern und berichten kann. Folgendes konnten wir unter anderem während eines Besuches in ihrem Haus erfahren, sie kann sich noch an Vieles erinnern, was sie in den mehr als 8 Jahrzehnten ihres Lebens hoffnungsvoll erleben und auch für sie schwer nachvollziehend erkennen musste. Darunter so manches Bedauerliche, was ihr auch gegenwärtig noch weh tut.

Unterwegs mit Pferdekutsche und Schlitten

Elisabeth Römmelt: „Während des ersten Weltkrieges und der Kriegsteilnahme meines Vaters führte mein Großvater Heinrich Habermehl III. mit seinen zwei Töchtern Kätchen und Berta die Gaststätte so gut, wie es damals möglich war; meine Mutter war zur gleichen Zeit als Schwester in der Uniklinik Gießen eingesetzt worden. Vor dieser Zeit konnte sie als Köchin in guten Häusern, für die Gastwirtschaft wertvolle Erfahrung sammeln. Als mein Vater mit 53 Jahren verstarb und mein Bruder Karl nach Russland eingezogen worden war, musste meine Mutter neben der Fortführung der Gaststätte, in der etwa 50 Rüstungsarbeiter verpflegt werden mussten, auch noch in der Metzgerei mitarbeiten.

Erwähnenswert dürfte noch sein, dass meine Eltern neben dem Betrieb der Gasstätte einen blühenden Versand von ‚Schlitzer Wurstwaren‘ und im Dezember von Weihnachtsgänsen betrieben. Die Auslieferung erfolgte damals mit der Pferdekutsche, im Winter mit dem Schlitten bis ins Hünfelder Land. Als wegen der Anschaffung eines Kombifahrzeuges, die Pferde nicht mehr gebraucht worden waren, wurden die Stallungen an das Hessische Landesgestüt in Darmstadt vermietet, manche Landwirte werden sich noch erinnern können, dass hier zwei Deckhengste stationiert waren. Die damalige Aufwärtsentwicklung bedurfte auch zahlreicher Baumaßnahmen: Erweiterung von Laden, Küche, kleiner Speisesaal und 4 Fremdenzimmer. Neubau des Schlachthauses mit Wurstküche und Reife sowie Räucherkammern. Hinzu kamen noch der große Saal mit Bühne, die Kegelbahn und die Gartenwirtschaft. Als das 50jährige Bestehen 1964 gefeiert werden konnte, konnte auch der Erweiterungsbau eingeweiht werden“.

Insgesamt 10 Jahre lang hatte Katharina Habermehl die Gastwirtschaft geführt, bevor sie Sohn Karl mit seiner Frau Inge übernommen hatte. Sie ließen 1956/57 das alte Schlachthaus mit der Wurstküche abreißen und durch ein neues ersetzen und fünf weitere Fremdenzimmer errichten. Da nachfolgend eine weitere Vergrößerung des Hauses notwendig wurde, wurden eine Sauna und ein Hobbyraum mit eingerichtet, so dass damals schon eine moderne Unterkunft in Schlitz mit WC und Telefonanschluss zur Verfügung stand. Nach dem Tod seines Vaters kam Heinrich Habermehl, gelernter Metzger und Koch, nach Schlitz zurück und führte den Betrieb bis Anfang des 21. Jahrhunderts weiter. Danach folgten turbulente Zeiten Landgasthof Habermehl.

Eine 94-jährige Ära ging zu Ende

Am 29. März 2008 war von dem Verfasser dieser Zeilen zu lesen: „Was 1914 mit dem Kauf einer Gaststätte an der Salzschlirfer Straße durch Heinrich Habermehl IV. seinen Anfang nahm, ist am 20. März 2008 endgültig zu Ende gegangen. Willibald Jenisch aus Fraurombach, der ehemalige Sudetenländer, konnte sich während eines für den Verkauf der alteingesessenen Gaststätte angesetzten Termins, obwohl schon in den reiferen Jahren angekommen, einen jahrzehntelang bestehenden Wunsch erfüllen, Besitzer einer solchen Einrichtung zu werden. Und so hieß es auch in dieser Woche für Elisabeth Römmelt, geborene Habermehl, endgültig Abschied zu nehmen von den Privaträumen ihres Elternhauses, für das von ihr in den letzten Jahren viel Herzblut, leider umsonst, geflossen ist. Einen diesbezüglichen Wunsch erfüllte ihr der jetzige Besitzer gerne an dem Tag, als er vom Immobilienverwalter des Amtsgerichts und der Sparkasse, Mathias Kehm, die Schlüssel für den Gesamtkomplex seiner weiteren Immobilie in Empfang nehmen konnte. Elisabeth Römmelt nahm diese Ehrerbietung in Form eines Blumenstraußes gerührt entgegen und wünschte dem neuen Besitzer viel Glück bei dem Bestreben, auch die Räumlichkeiten der Gastronomie wieder mit Leben zu erfüllen und der heimischen Gastlichkeit neue Impulse zu geben, die auch dem Fremdenverkehr in unserer Großgemeinde zugute kommen sollen. +++ fuldainfo | hans Schmidt

 

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