„Kinder brauchen vor allem eines: Zeit. Zeit, Kind sein zu dürfen, mit all dem, was dazugehört – Spielen, Lachen, Ausprobieren, Scheitern, Wachsen. Mogli macht das möglich“, sagt Ursula Schmitt, Vorstandsvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Fulda. Vor 15 Jahren wurde das Patenschaftsprojekt ins Leben gerufen – als Antwort auf eine zentrale Frage: Wie geht es den Kindern in Fulda wirklich?
Ein Projekt mit Wurzeln in der Stadt
Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Institutionen, die mit Kindern und Familien arbeiten, kamen vor 15 Jahren zusammen, um Bedarfe zu erkennen: Wo erleben Kinder in Fulda Benachteiligung? Welche Angebote fehlen? Wie wirkt sich Armut auf das Aufwachsen aus? Aus dieser Initiative heraus entstand gemeinsam mit dem SkF Fulda und der Familienbildungsstätte die Idee, ein Patenschaftsprojekt für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf ins Leben zu rufen – Mogli war geboren.
Ein sicherer Raum für neue Erfahrungen
Seitdem begleitet Mogli Kinder im Alter von etwa fünf bis zwölf Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen von einer persönlichen Bezugsperson profitieren. „Es geht dabei nicht um schulische Nachhilfe, sondern um Freizeit, um das Teilen von Alltag, um Beziehung“, sagt Felizitas Dehler von der Familienbildungsstätte, die das Projekt seit der ersten Stunde leitet. Einmal pro Woche treffen sich ehrenamtlich Engagierte mit ihrem Patenkind – für zwei bis drei Stunden, für eine Dauer von zwei bis drei Jahren. „Diese Begegnungen verändern oft mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Sie stärken, sie ermutigen, sie wirken lange nach.“
Vermittelt werden diese Patenschaften meist über Fachkräfte – etwa Erzieherinnen, Lehrer oder Sozialpädagoginnen der Jugendhilfe. Die Eltern füllen einen Anmeldebogen aus, dann folgt ein persönliches Gespräch mit der Projektleitung. Ist eine passende Patin oder ein passender Pate gefunden, lernen sich alle Beteiligten in einem begleiteten Treffen kennen. Voraussetzung für das Ehrenamt ist eine mehrtägige Schulung.
Ein Ehrenamt mit Verantwortung
„Unsere Ehrenamtlichen schenken nicht nur Zeit – sie schenken Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit und Wertschätzung“, betont Schwester Debora, beim SkF zuständig für den Bereich Ehrenamt. Um diese Aufgabe gut vorbereitet ausführen zu können, absolvieren die Freiwilligen eine siebentägige Schulung. Dort geht es unter anderem um Kinderschutz, Armut, sexuelle Prävention, unterschiedliche Lebenswelten und den Umgang mit Grenzen. Hinzu kommen ein persönliches Erstgespräch und ein Hausbesuch. Auch ein erweitertes Führungszeugnis muss vorweisbar sein.
Denn: „Uns ist wichtig, dass Mogli ein sicherer Ort für Kinder ist“, so Schwester Debora. Die Vielfalt der Ehrenamtlichen ist in den letzten Jahren gewachsen: „Wir haben neben Rentnerinnen und Rentnern auch viele Berufstätige und Studierende“, berichtet sie. „Gerade junge Menschen, die später im sozialen Bereich arbeiten möchten, bringen viel Motivation mit – aber auch die Herausforderung, das Ehrenamt mit ihrem Alltag zu vereinbaren. Was wir auch beobachten: Viele Ehrenamtliche blühen durch ihre Rolle förmlich auf. Sie machen ganz neue Lebenserfahrungen – und bringen diese oft auch in ihr eigenes Umfeld ein“, so Schwester Debora.
Beziehung, die trägt
Was eine Patenschaft konkret beinhaltet, ist so vielfältig wie die Menschen selbst. Ob gemeinsam kochen, basteln, einen Ausflug machen, ein Beet bepflanzen oder einfach nur spazieren gehen – im Mittelpunkt steht die gemeinsame Zeit. „Manche gehen mit den Kindern auf den Spielplatz oder in den Wald, backen zusammen, spielen Märchen nach oder kümmern sich um Haustiere – das ist oft ganz alltagsnah und trotzdem etwas Besonderes“, ergänzt Dehler.
„Viele Kinder erleben durch Mogli zum ersten Mal, wie es ist, verlässlich gesehen und begleitet zu werden“, betont auch Sarah Muth, Geschäftsführerin des SkF Fulda. Nicht selten werden auch andere Eltern durch die Erfahrung aufmerksam – wenn sie sehen, was eine Patenschaft bewirken kann, melden sie ihre Kinder ebenfalls an. Die Rolle der Ehrenamtlichen ist dabei klar definiert: „Sie sind keine Ersatzeltern und sollen die Familie auch nicht retten – das ist oft ein Lernprozess“, ergänzt Muth. „Aber sie können eine wichtige Bezugsperson auf Zeit sein, die ein Stück des Weges mitgeht.“
Erfahrungen, die prägen
Etwa 300 Patenschaften wurden in den vergangenen 15 Jahren begleitet – aktuell sind es 16 aktive. „Viele Kinder blühen dabei regelrecht auf“, erzählt Dehler. „Sie bekommen ein gestärktes Selbstwertgefühl, erleben neue Lebenswelten, lernen Fähigkeiten, die ihren Alltag bereichern.“ Nicht selten bringen die Kinder das Erlebte auch in ihre Familien ein – wenn sie etwa begeistert von einem selbstgemachten Salat erzählen oder neue Spiele vorschlagen. „Es kommt auf beiden Seiten etwas an.“ Und dennoch: „Dass ein Kind nicht mehr zu seinen Eltern zurückwollte – das gab es bei uns noch nie“, sagt Dehler. „Im Gegenteil: Viele machen sich sogar Sorgen um ihre Eltern.“ Ein Erfolgsfaktor von Mogli ist auch das 1:1-Prinzip: Die Kinder erfahren, dass es da eine Person gibt, die sich nur für sie interessiert – das stärkt ungemein. Dass es zwischen Kind und Patin oder Pate mal gar nicht passt, ist noch nicht so oft vorgekommen. „Wir erleben auf beiden Seiten große Offenheit und Wohlwollen“, so Dehler.
Auch die Ehrenamtlichen profitieren. „Viele machen durch die Patenschaft ganz neue Lebenserfahrungen und wachsen daran“, so Schwester Debora. In den regelmäßigen Reflexionsrunden wird deutlich, wie wertvoll diese Begegnungen für beide Seiten sind. Besonders berührend sind die Abschlussgespräche am Ende einer Patenschaft, bei denen Kinder, Eltern und Ehrenamtliche gemeinsam auf die gemeinsame Zeit zurückblicken. „Es ist immer wieder beeindruckend, wie tief diese Beziehungen geworden sind.“
Stolze Momente und große Wirkung
Ein besonderer Meilenstein in den 15 Jahren Mogli war die Auszeichnung mit dem Elisabeth-Preis 2012. „Das war eine große Wertschätzung für unsere Arbeit“, erinnert sich Dehler. Auch schwierige Phasen wie die Corona-Pandemie wurden überstanden – alle Patenschaften hielten, die Freiwilligen wurden kreativ. Herausforderungen bleiben, etwa durch zunehmende Sprachbarrieren oder komplexere Lebenssituationen. „Und auch das Zeitmanagement ist heute deutlich anspruchsvoller geworden“, so Schwester Debora. „Doch das Projekt hat sich bewährt – und es wächst mit den Anforderungen“, so Muth. Für Felizitas Dehler ist es vor allem ein Bild, das sie in all den Jahren immer wieder berührt: „Die freudigen Kinderaugen“, sagt Felizitas Dehler. „Bei allen unseren Gruppentreffen spürt man dieses Zusammengehörigkeitsgefühl – es gibt keinen Streit, keine Ausgrenzung. Man sieht einfach: Den Kindern geht es gut.“
Zukunft mit offenem Herzen
Für die kommenden Jahre wünschen sich die Verantwortlichen vor allem eines: „Viele engagierte Menschen mit offenem Herzen, die Kindern die Chance geben, in einer verlässlichen Beziehung einfach Kind sein zu dürfen“, sagt Schmitt. Denn Mogli zeigt: Zwei bis drei Stunden in der Woche können das Leben eines Kindes verändern – behutsam und mit großer Wirkung. Das Mogli Jubiläum wird mit einem schönen Fest am 31.08.2025 im Rahmen des Sommerfestes der Familienbildungsstätte am Neuenberg gefeiert. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich über das Projekt zu informieren. +++ pm









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