Vogelsbergkreis: Mehr als 1000 Impfungen am Tag sind möglich

Wann kommt mehr Impfstoff? - „Wir können Strecke machen“

Ein akustisches Signal zeigt an: Es fehlt Impfstoff. Ein kleiner Zettel wird ausgedruckt: Kabine 4 benötigt Nachschub von BionTech. Kein Problem für Apotheker Manfred Kutter. Seine Mitarbeiterinnen haben genügend Spitzen mit dem begehrten Impfstoff aufgezogen, Kabine 4 wird sofort versorgt.  „Das klappt hier alles reibungslos“, sagt Dr. Erich Wranze-Bielefeld, der ärztliche Leiter des Vogelsberger Impfzentrums, „alle Prozesse haben sich eingespielt. Wenn wir genügend Impfstoff hätten, dann könnten wir hier in unserem Zentrum jeden Tag mehr als 1000 Menschen impfen.“

Seit sieben Wochen ist das Impfzentrum in der Hessenhalle jetzt in Betrieb – eigentlich hatten alle gehofft, dass es viel früher losgehen würde, schließlich war schon am 11. Dezember alles startklar, doch das Land Hessen gab erst neun Wochen später das „Go“, um den Betrieb aufnehmen zu können. Und auch die ersten Tage und Wochen liefen schleppend. Zunächst gab es gerade einmal gut 300 Impfdosen – nicht am Tag, sondern für die ganze Woche.

Trotzdem: Mittlerweile haben 10.000 Vogelsberger ihre Erstimpfung erhalten. Tagtäglich werden mehrere 100 Menschen geimpft. 500 waren es am vergangenen Sonntag, 300 am gestrigen Dienstag, heute sind es 400. „Doch es könnten so viel mehr sein“, bedauert Wranze-Bielefeld. „Wenn uns genügend Impfstoff zur Verfügung gestellt worden wäre, dann hätten wir jetzt schon durchgeimpft, wir hätten heute schon die Herdenimmunität im Vogelsbergkreis, schließlich ist unser Zentrum so ausgestattet, dass wir mehr als 1000 Menschen an nur einem Tag impfen können.“ Wenn denn, wie angekündigt, Ende April größere Lieferungen eintreffen, „dann können wir hier richtig Strecke machen“, so Wranze-Bielefeld. Mehrfach ist im Zentrum „unter Volllast“ gearbeitet worden. „Alle Probedurchgänge haben geklappt. Wir können es!“, betont der ärztliche Leiter.

Wie sehr die Menschen im Vogelsberg auf den rettenden Pieks vor einer schweren Covid-Erkrankung hoffen, das wird deutlich an diesem Vormittag im Impfzentrum. Alle sind gelöst, alle freundlich, alle erleichtert, endlich an der Reihe zu sein. Manche kommen alleine, manche sind nicht mehr gut zu Fuß und werden von Sohn oder Tochter begleitet. Die notwendigen Unterlagen haben fast alle schon zu Hause ausgefüllt und geben sie im Eingangsbereich ab. Nach dem Fiebermessen geht es in die „heiligen Hallen“ – zunächst zur Anmeldung, wo die Patientenakte angelegt wird. Viel Arbeit für die Mitarbeiter des Vogelsbergkreises. „Der Verwaltungsaufwand ist enorm“, weiß Michael Jahnel, der für die Organisation im Impfzentrum verantwortlich ist. „Wir haben die Prozesse optimiert, der Dokumentenfluss läuft – von uns bis ins Robert Koch-Institut“, sagt er augenzwinkernd.

Nächste Station ist der Wartebereich. Dort ist genügend Platz, um die geforderten Abstände einzuhalten. Drei Einweiser stehen bereit, um den älteren Herrschaften zu helfen und Fragen zu beantworten. Sie zeigen den Weg zu den Ärzten, die an diesem Vormittag die Aufklärungsgespräche führen, und im Anschluss zur richtigen Impfkabine.

Die Sache mit dem Pieks geht ganz schnell – die Aufbereitung des Impfstoffs hingegen ist aufwändig. BionTech kommt als Konzentrat an, gekühlt auf fast 80 Grad minus. Mit einer Kochsalzlösung muss der Stoff „rekonstituiert“ werden, um verimpft werden zu können. Und dazu muss er aufgetaut werden, das geschieht in gesonderten Kühlschränken bei einer Temperatur von 2 bis 8 Grad. „In diesen speziellen Kühlschränken bleibt das Vakzin mindestens drei Stunden, dann kommt es in einen anderen Kühlschrank, so schließen wir jede Verwechslung aus“, schildert Apotheker Manfred Kutter das Vorgehen. Zwei Mitarbeiterinnen sind an diesem Morgen damit beschäftigt, die Spitzen aufzuziehen. Beide tragen Schutzkleidung und arbeiten an einer sogenannten „Sterilwerkbank“. Die Aufbereitung des Impfstoffs muss von einem Apotheker überwacht werden. Werden die Spritzen in einem normalen Raum – also unter aseptischen Voraussetzungen aufgezogen – müssen sie innerhalb einer Stunde verimpft sein. „Sobald die Kochsalzlösung zugesetzt ist, läuft die Zeit“, schildert Apotheker Kutter. Bei besonderen sterilen Bedingungen wie an der Werkbank vergrößert sich das Zeitfenster auf sechs Stunden.

So war es zumindest bislang. Am Montag wurde diese Vorgabe gekippt. „Jetzt bleiben generell sechs Stunden Zeit, um zu impfen, auch wenn die Spitzen im aseptischen Bereich aufgezogen wurden“, wundert sich Dr. Wranze-Bielefeld über die neueste Vorgabe.

Ein paar Meter weiter in den einzelnen Impfkabinen läuft derweil alles nach Plan und nach Vorgabe. Schnell ist die Spritze gesetzt, die Jacke wieder angezogen und schon kommt der Einweiser und zeigt den Weg zum Ruhebereich. Gut 15 Minuten muss man nach der Impfung hier warten. „Wir gehen auf Nummer sicher: Sollte nach der Impfung ein allergischer Schock auftreten, geschieht das innerhalb von 10 Minuten. Und hier im Impfzentrum kann in einem solchen Fall sofort geholfen werden“, erklärt Dr. Wranze-Bielefeld. Sanitäter des DRK Alsfeld-Lauterbach stehen bereit, ebenso ist gewährleistet, dass ein Arzt vor Ort ist. „Wir haben hier ein Notfallequipment, mit dem wir alle gängigen Notfälle behandeln können.“

Für die allermeisten Impflinge aber geht es vom Ruheraum direkt zur Abmeldung. Dort gibt es die begehrte Impfbescheinigung und den Termin für die Zweitimpfung. In wenigen Wochen also geht es noch einmal zum Impfzentrum…