Verleihung Point-Alpha-Preis 2023

Für eine Zukunft, die Europa heißt

Es war und ist ein revolutionäres als auch visionäres Projekt für die Vereinigung und Verständigung Europas: Die Paneuropa-Union wurde am Samstag im Rahmen eines würdigen Festaktes mit dem Point-Alpha-Preis ausgezeichnet. Das Kuratorium Deutsche Einheit e.V. zeichnet in Zusammenarbeit mit der Point Alpha Stiftung die internationale Bewegung für ihre vielfältigen Verdienste um die deutsche Einheit und die europäische Einigung in Frieden und Freiheit aus. Der amtierende Präsident, der ehemalige französische Politiker Alain Terrenoire, dessen Motivation für sein politisches Wirken seit jeher ein geeintes Europa und die französisch-deutsche Freundschaft sind, nahm die Stele entgegen. Zahlreiche Ehrengäste und Bürger wohnten der Veranstaltung im US Camp der Gedenkstätte zwischen Rasdorf (Hessen) und Geisa (Thüringen) bei.

Vor genau 100 Jahren beschrieb Richard Coudenhove-Kalergi auf den Trümmern des Ersten Weltkrieges eine Welt, die man heute als multipolare Welt beschreiben würde. „Kann Europa in seiner politischen und wirtschaftlichen Zersplitterung seinen Frieden und seine Selbständigkeit den wachsenden außereuropäischen Weltmächten gegenüber wahren – oder ist es gezwungen, sich zur Rettung seiner Existenz zu einem Staatenbunde zu organisieren?“, zitierte Christine Lieberknecht, Thüringer Ministerpräsidentin a.D. den Gründungsvorsitzende der Paneuropa-Union in ihrer Laudation. Lieberknecht zeichnet das Wirken der Preisträgerin und ihren Mitgliedern und deren Traum vom großen europäischen Friedensprojekt nach. Die Paneuropa-Union habe sich dem Nationalsozialismus, dem Faschismus und dem Kommunismus entgegengestellt und sich weder durch das Säbelrasseln der Kalten Krieger noch durch die Anerkennungsbestrebungen der SED-Machthaber in der DDR sowie aus dem Westen beeindrucken lassen, stellte Lieberknecht fest. Vielmehr gehöre es zur DNA der Paneuropa-Union, dass keine Friedensordnung dieser Welt dauerhaft auf Unfreiheit und Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker aufgebaut werden könne.

„Die Anliegen und Ziele der Paneuropa-Union haben nichts von ihrer Aktualität verloren“, betonte Christine Lieberknecht, aber man ahne, wie viel hier noch immer zu tun sei und dies noch einmal mehr angesichts des brutalen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Es sei verblüffend, wie klar der Gründer der Paneuropa-Union hier als Maßgabe für seine Bewegung formuliert habe: „Die einzig kluge Politik für Europa ist, eine friedliche Politik gegen Russland zu verfolgen, aber gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein.“ „Es braucht die Empathie, den Idealismus, auch in scheinbar aussichtsloser Lage, dennoch auf die unwiderstehliche Kraft der Freiheit zu setzen“, meinte die Laudatorin. Dabei äußerte sie ihre Hochachtung vor dem persönlichen Einsatz von Alain Terrenoire, gerade vor dem Hintergrund seiner familiären Erfahrungen, die im Zweiten Weltkrieg in der Zwangsarbeit und Inhaftierung seines Vaters im Konzentrationslager Dachau gipfelte. Bereits fünf Monate nach seiner Flucht wurde Louis Terrenoire zum Abgeordneten der französischen Nationalversammlung gewählt, war Mitglied im Regierungskabinett von Charles de Gaulle und brachte fortan die Versöhnung Deutschlands und Frankreichs voran. Alain Terrenoire trat als Anwalt und Politiker in die Fußstapfen seines Vaters, war ebenfalls Mitglied in der französischen Nationalversammlung sowie im Europäischen Parlament und Delegierter in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Seit 2004 fungiert der 82-Jährige Lyoner als Präsident der Internationalen Paneuropa-Union.

Schlagzeilen machte die Organisation und ihr damaliger Präsident Otto von Habsburg im Kalten Krieg mit dem sogenannten Paneuropa-Picknick im ungarischen Sopron, das Hunderte DDR-Bürger zur Ausreise über die ungarisch-österreichische Grenze nutzten. Wie im Laufe der Veranstaltung des öfteren hervorgehoben wurde, gilt dies als wesentlicher Meilenstein, der die Vorgänge vorwegnahm, die zum Ende der DDR und zur deutschen Wiedervereinigung führten. Vor dem Haus auf der Grenze erinnert eine Gedenkplatte an dieses denkwürdige Ereignis. Die Errungenschaften und Ideale der Paneuropa-Union stellte auch der Präsident des Kuratoriums Deutsche Einheit e.V., Christian Hirte, hervor: „Die Idee eines geeinten Europas ist stärker als die Hitlers, Stalins und Putins dieser Welt. „Es gibt das pazifistische Schlagwort: Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Das ist ohne Zweifel gut gemeint“, sagte Hirte. Unsere heutige Situation in Europa zeigt leider, dass ein anderes Wort der Lebenswirklichkeit näherkommt: „Stell Dir vor, es ist Frieden und einer macht nicht mit.“ Der ehemalige US-Stützpunkt Observation Post Alpha, stünde für Abschreckung, den Kalten Krieg sowie im wahrsten Sinne des Wortes für die Lebensgefahr, der die Menschen in Ost und West ausgesetzt waren. An diesem historischen Ort werde deutlich, welche Lehren man für die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands und Europas ziehen müsse. Krieg dürfe nicht die Lösung sein – nie und nirgendwo.

Der Stiftungsratsvorsitzende der Point Alpha Stiftung, Dr. Stefan Heck, betonte, dass es kein Zufall sei, dass am 17. Juni, an diesem für Deutschland geschichtsträchtigen Tag, der Festakt an der ehemaligen „Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit“ stattfinde. „Am 17. Juni 1953 – also genau vor 70 Jahren - begehrten in der damaligen DDR die Menschen auf gegen Diktatur und Unterdrückung“, erinnerte Heck. Das Datum sei fester Ausdruck des Strebens nach Demokratie in Deutschland, das 1848 mit der Märzrevolution seinen ersten Höhepunkt erlebte. Vor 175 Jahren sei in der Paulskirche der Ruf nach Partizipation, nach Grundrechten, nach Freiheit erklungen. Von dort führe eine Verbindung hier in die Nähe von Point Alpha. Johann Adam Förster, begeisterter Vorkämpfer für die Freiheit und staatliche Einheit der Deutschen sowie Vertreter der ersten Nationalversammlung wurde nämlich im Rasdorfer Ortsteil Grüsselbach als Sohn eines Landwirtes geboren. „Mit den Sternstunden deutscher und europäischer Geschichte, müssen wir sorgfältig umgehen; sie dürfen nicht in der Routine verordneten Gedenkens versinken und sollten fest in der Erinnerungskultur verankert werden,“ forderte Heck. Beim Blick in die Welt werde deutlich, dass Demokratie und Freiheit zunehmend unter Druck gerieten, sie seien keine Selbstläufer Damit diese Werte lebendig bleiben, müsse sich jede Generation die entsprechenden Grundsätze immer neu aneignen und verinnerlichen. Demokratie lebe von Demokraten und nicht zuletzt von deren Engagement, ja auch von Kampfgeist. Auch deshalb sei der Einsatz der Paneuropa-Union vorbildlich.

In einem bemerkenswerten Beitrag analysierte Alain Terrenoire die politische Entwicklung und die aktuelle Lage auf dem Globus. Dabei führte er an unterschiedlichen Beispielen die Errungenschaften, Fortschritte und Erfolge aus der Vergangenheit an, die auf den Gedanken, Ideen, Initiativen und Konzepten der Paneuropa-Union basierten. Durch ihren Pioniergeist sei es zur Gründung des Europarates, zur Wirtschaftsgemeinschaft, zur Öffnung gen Osten und letztendlich auch zur Europäischen Union mit eigenem Parlament gekommen. „Die Kraft von Europa verblasst aber zunehmend,“ mahnte der 82-Jährige im US Camp von Point Alpha, „die Enthüllungen unserer Abhängigkeiten – im Gesundheitsbereich, beim Militär, wie bei Energie und Nahrungsmitteln – sollten die Institutionen zu einer raschen Reaktion veranlassen. Das in der Geschichte so erfinderische und kreative Europa muss wieder die Fackel der Entdeckungen in die Hand nehmen. Der in Lyon geborene und in Paris lebende Franzose rief daher zur Einheit auf: „Lasst uns endlich die Nachbarschaftsstreitereien und sterilen Rivalitäten beenden. Es geht nicht mehr darum, welche unsere Nationen die bessere ist, sondern darum, ob Europa am Ende zu einem Museum mit prestigeträchtigen Ruinen oder zu einer neuen Macht wird. Dann wird Europa als eine solidarische, unabhängige und souveräne Macht Realität werden.“

Der Vizepräsident des Landtages, Dr. Jörg-Uwe Hahn, bemerkte in seinem Grußwort für das Land Hessen, dass zur persönlichen auch die wirtschaftliche Freiheit gehöre und erinnerte an die frühen Konzepte von Ludwig Erhard „zum Wirtschaftswunder und Wiedervereinigung“. Hahn betonte, Hessen beteilige sich gerne an den europäischen Prozessen und sei „Herberge“ für internationale Gäste und Einrichtungen wie die Europäische Zentralbank. Bernhard Stengele, stellv. Ministerpräsident übermittelte die Grüße des Freistaates Thüringen. Der Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz bewerte das „Grüne Band“ als ein besonderes Symbol für den europäischen Frieden und die überwundene deutsche Teilung. Das Nationale Naturmonument Thüringens solle UNESCO-Welterbe werden und wie Stengele ausführte streite man auch dafür, dass es auch als Kulturerbe eingestuft werde. Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte das Orchester der Lichtbergschule Eiterfeld unter Leitung von Michaele Schoeler. Die Musiker spielten „The greatest Show“ von Paul Murtha, „My favourite Things“ von Robert Buckley, „The Forge of Vulcan“ von Michael Sweeney und intonierten zum Abschluss die Europahymne. +++ pm


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