Wiesbaden. Der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hat am Freitag Modelle zur Einführung siebenstündiger Lärmpausen am Frankfurter Flughafen vorgestellt. „Sieben Stunden Lärmpause sind möglich und könnten bereits ab Ende März 2015 umgesetzt werden“, sagte Al-Wazir in Wiesbaden. „Wir haben Modelle erarbeitet, die den Menschen unter den Einflugschneisen eine Stunde mehr Nachtruhe ermöglichen als ihnen das Nachtflugverbot bislang garantiert.“
Das hessische Verkehrsministerium hat in den vergangenen Monaten zusammen mit der Deutschen Flugsicherung (DFS), dem Flughafenbetreiber Fraport und der Deutschen Lufthansa insgesamt 256 theoretisch denkbare Varianten geprüft und bewertet. Fünf Modelle haben sich dabei für einen Probebetrieb als möglich erwiesen. Am späten Abend (22-23 Uhr) und in den frühen Morgenstunden (5-6 Uhr) werden einzelne Landebahnen nicht angeflogen. Ein Teil der Anwohner hätte dann von 22 Uhr bis 5 Uhr sieben Stunden, der andere von 23 Uhr bis 6 Uhr sieben Stunden Ruhe. „Die einzelnen Modelle sind in ihrer Wirkung für die von Fluglärm betroffenen Kommunen unterschiedlich.“ Al-Wazir kündigte an, die Modelle in der Fluglärmkommission und dem Forum Flughafen & Region mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen und der Interessenverbände zu diskutieren. „Es wird keine einsamen Entscheidungen geben. Wir setzen auf die Beteiligung der Kommunen und Gremien. Ich kann alle nur ermutigen: Bringen Sie sich in das Verfahren ein. Wir sind für konstruktive und praktikable Vorschläge jederzeit offen“, so der Minister. Zu Beginn des nächsten Sommerflugplanes, also ab Ende März 2015, soll ein Modell in der konkreten Umsetzung erprobt werden. „Frankfurt wäre damit der einzige internationale Flughafen, der ergänzend zu einem Nachtflugverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr eine solche Regelung für Lärmpausen realisieren würde. Dies trägt der besonderen Lage des Flughafens in einer dicht besiedelten Region Rechnung“, so Al-Wazir.
Die Nichtnutzung einzelner Bahnen in den Nachtrandstunden bezeichnete Al-Wazir als ein „extrem anspruchsvolles Projekt.“ Zahlreiche Faktoren müssten dabei beachtet werden: Die neuen Verfahren müssen sicher sowie für die Lotsen und Piloten handhabbar sein. Gleichzeitig hätten Änderungen am Betrieb der einen Bahn unmittelbare Auswirkungen auf den Betrieb der anderen Bahnen. „Wenn auf der Südbahn bei Westbetrieb ein landendes Flugzeug aufsetzt, kann auf der Startbahn West nicht gleichzeitig gestartet werden. Das macht deutlich, wie diffizil auch scheinbar kleine Änderungen sind“, so Al-Wazir. Weil Flugzeuge gegen den Wind starten und landen müssten auch die je nach Windrichtung unterschiedlichen Betriebsrichtungen des Flughafens berücksichtigt werden. Alle Modelle führen zu Verbesserungen für die Menschen, die in den Einflugschneisen der jeweils nicht genutzten Bahnen leben. Im Modell 1 wird am späten Abend bei Ostbetrieb die Nordwest-Landebahn entlastet. In den Modellen 2 und 3 wird morgens zusätzlich die Südbahn entlastet. Diese drei Modelle entlasten die Nordwest-Landebahn jedoch nicht bei westlichem Landebetrieb. Die Modelle 4 und 5 entlasten die Nordwest-Landebahn zusätzlich auch bei Westbetrieb. Al-Wazir: „Natürlich ist es mein Ziel, möglichst vielen Anwohnern eine zusätzliche Stunde Ruhe zu ermöglichen.“ Allerdings seien die Modelle 4 und 5 instabiler und könnten damit weniger verlässlich umgesetzt werden.
Eine Entlastung der Nordwestlandebahn am frühen Morgen hat sich als nicht realisierbar erwiesen. „Die Experten der Flugsicherung sehen dazu keine Chance“, so Al-Wazir. Anders als vor der Eröffnung der Nordwestlandebahn gäbe es mittlerweile ein striktes Nachtflugverbot. „In der Konsequenz heißt das: Morgens um 5 sind deutlich mehr Flugzeuge in der Luft als früher und die müssen auch irgendwie runterkommen. Auch der Flugzeugmix hat sich verändert, es werden größere Flugzeugtypen genutzt. In der Folge steigt der einzuhaltende Sicherheitsabstand zwischen den Flugzeugen, der Takt zwischen den Landungen wird langsamer.“ Die Kapazität der alten Parallelbahnen, die nicht unabhängig voneinander betrieben werden können, sei deswegen für die Landungen zwischen 5 und 6 Uhr nicht mehr ausreichend. Nach der Auswahl eines Modells sollen die Lärmpausen zunächst in einem einjährigen Probebetrieb getestet und optimiert werden, so wie das bei der Einführung neuer Maßnahmen des aktiven Schallschutzes üblich ist. Ziel sei es, die Lärmpausen möglichst verlässlich umzusetzen. „Das wird aber nicht jeden Tag gelingen“, so Al-Wazir. „Um mal ein Beispiel zu nennen: In Gewitternächten oder bei starken Schneefällen wird es keine siebenstündigen Lärmpausen geben können“, erläuterte Al-Wazir. „Sicherlich wird es zu Beginn an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckeln“, so der Minister. Die Erfahrung zeige aber, dass sich die Beteiligten zügig und professionell auf neue Verfahren einstellen können. „Natürlich bedeutet das für die Fluggesellschaften und die Lotsen bei der Deutschen Flugsicherung mehr Arbeit und eine zusätzliche Belastung. Aber ich bin froh, dass wir diesen Schritt gemeinsam gehen, um die Region weiter von Fluglärm zu entlasten.“
Al-Wazir: „Wir wollen den Erfolg der Lärmpausen. Wir wollen damit erreichen, dass die Menschen im Umfeld des Flughafens über das sechsstündige Nachtflugverbot hinaus eine Stunde mehr Ruhe haben: Sieben Stunden Lärmpause. Natürlich führen Lärmpausen nicht dazu, dass weniger Flugzeuge landen. Wir bündeln Verkehr auf den jeweils genutzten Bahnen. Der Effekt, dass die Menschen in den Einflugschneisen dafür die Chance haben, eine Stunde mehr als bisher gar keine Landungen direkt über dem Kopf zu haben, wäre eine spürbare Verbesserung. Ich wünsche mir für die nächsten Monate eine konstruktive, an der Sache orientierte Diskussion.“
Hessische IHKs begrüßen Vorschläge
Die Vorschläge der hessischen Landesregierung zur Verringerung der Fluglärmbelastung am Flughafen Frankfurt sind nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern (ARGE) grundsätzlich zielführend. Bedingung bei allen Eingriffen am Frankfurter Flughafen ist jedoch, dass die Drehkreuzfunktion sowie die Kapazität des Flughafens nicht eingeschränkt werden. Vorgestellt wurden fünf Modelle zur Lärmreduzierung am Flughafen, von denen nach einer Beratung mit den Beteiligten in der Region eines ab März 2015 im Testbetrieb eingesetzt werden soll. Positiv bewertet die ARGE insbesondere die Kombination von siebenstündigen Lärmpausen bei Beibehaltung der bisherigen Zahl von Starts und Landungen. Das Vorgehen zur Abstimmung mit den Beteiligten in der Region sei zu begrüßen. „Wenn sich eines dieser fünf Modelle bewährt, wird der Lärmschutz, eine wichtige Forderung des Mediationsverfahrens aus dem Jahr 2000, deutlich verbessert“, sagte Matthias Gräßle, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern. Es sei nun abzuwarten, wie sich der ab Sommerflugplan 2015 vorgesehene Testbetrieb auswirke. Von Bedeutung werde auch sein, dass die im Planfeststellungsbeschluss aufgezeigte Wachstumsperspektive und die Funktionsfähigkeit des internationalen Flughafens dauerhaft nicht verhindert werden. Die IHKs plädieren dafür, bei einer Entscheidung über das Modell ausdrücklich auch das Kriterium der Drehkreuzfunktion zu prüfen.
Weiß (SPD): Hohe Erwartungen können nicht erfüllt werden
Zur Vorstellung der fünf Modelle erklärte Marius Weiß, flughafenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag: „Eine erste Prüfung der fünf Modelle zeigt, dass die hohen Erwartungen, die der Minister geweckt hat, nicht erfüllt werden. Das schwarz-grüne Versprechen der 7-stündigen Lärmpausen kann offenkundig nicht erreicht werden. Das sollte die Landesregierung aus CDU und Grünen jetzt eingestehen, denn sie ist ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden.“ „Unsere Sorge, dass der Lärm nur neu verteilt wird, hat sich heute bestätigt. Der Verkehrsminister stellt nicht nur ein Modell vor, das alle entlastet, sondern legt fünf Modelle vor, die den Lärm nur unterschiedlich verteilen.“ Die SPD kritisiere, dass die Erarbeitung der Modelle nicht über die dafür zuständigen Gremien, wie dem Forum Flughafen, der Region und der Fluglärmkommission erfolgt seien, obwohl dort die Grenzen und Möglichkeiten, die die unterschiedlichen Modelle haben, aufgrund des vorhandenen Sachverstandes, frühzeitig hätten benannt werden können. Die Geheimstrategie des Ministers habe aber offenkundig kein wirklich geeignetes Ergebnis gebracht, wenn der Minister jetzt fünf problematische Modelle vorlegt, die unterschiedliche Betroffenheit auslösen. „Der Minister stiehlt sich aus der Verantwortung, denn jetzt sollen sich die Gremien, die Region und die Öffentlichkeit über die Modelle streiten. Herr Al-Wazir schiebt seine Verantwortung in die Region auch dadurch ab, dass er überhaupt keine konkreten Kriterien benennt, die zugrunde gelegt werden sollen, um aus den fünf Modellen eines auszuwählen“, so Weiß. Zudem kritisierte der SPD-Abgeordnete die fehlende Bürgerbeteiligung bei diesem Verfahren. „Der Minister will lediglich eine Homepage mit Kommentarfunktion einrichten. Das ist für uns keine angemessene Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger.“
FDP: Viel Lärm um nichts
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, René Rock erklärte: „Bei den vorgestellten Modellen handelt es sich um eine reine PR-Maßnahme, mit der die Grünen versuchen, ihre Glaubwürdigkeit bei den Flughafengegnern zu retten. Faktisch stellen die vermeintlichen Neuerungen jedoch keinerlei Innovation dar: Minister Al-Wazir kopiert lediglich das sogenannte Modell ‚DROPS‘ (Dedicated Runway Operation System), welches unter Schwarz-gelb für Starts eingeführt wurde, und erweitert dessen Einsatz auf die Landungen. Die Modelle werden in der Konsequenz nicht zu einer tatsächlichen Reduzierung des Lärms führen, da dieser einfach anders verteilt beziehungsweise konzentriert wird. Wenn Minister Al-Wazir somit den Flughafen zum Lärm-Verschiebebahnhof macht und dies als großen politischen Wurf verkauft, streut er bloß all jenen Sand in die Augen, die sich eine Entlastung erhofft haben. Vor allem ist deutlich geworden, dass die Pläne Al-Wazirs in der Praxis keine verlässliche Verteilung und keine planbaren Lärmpausen bedeuten werden. Herr über das Verfahren ist nämlich die Deutsche Flugsicherung, die situativ je nach Wetterlage, Flugaufkommen und Sicherheitsaspekten über die Verteilung entscheiden wird. Da die Modelle zudem zu einer Reduzierung der Zeitpuffer in den Nachtrandstunden führen werden, ist durchaus zu befürchten, dass es mehr Flüge in den tatsächlichen Ruhezeiten zwischen 23 und 5 Uhr geben wird. Es besteht letztlich also die Gefahr, dass Al-Wazirs Pläne sogar kontraproduktiv eine Verschlechterung des Lärmschutzes der betroffenen Bürger bedeuten könnten.“ +++ fuldainfo









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