Konfliktforscher: Europa kann nur noch in "kaltem Frieden" leben

Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick rechnet nach dem Ende des Kriegs in der Ukraine nicht damit, dass Russland und der Westen schnell wieder Freunde werden. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG): "Was wir erreichen können, ist nur ein kalter Frieden, kein Frieden, wie er vorher mal war." Europa werde dann in einem Zustand mit ständigen Kontrollen und einem unheimlich großen Maß an Misstrauen leben müssen. Zick sagte: "Das ist ein Rückfall in Zeiten des Kalten Krieges. Vielleicht war das vorher ja auch ein trügerischer Frieden, weil der Westen die Besetzung der Krim viel zu harmlos interpretiert hat."

Dazu kommen aus Zicks Sicht weitere Bedrohungen. "Wir haben die Fragen aus den 1980er-Jahren der atomaren Bedrohung wieder auf dem Tisch", sagte der Konfliktforscher. Dazu komme die Besetzung von Atomanlagen als eine Waffe und der Informationskrieg sowie ein  e Geopolitik, die eng mit Geschichtspolitik verwoben sei: "Das ist eine moderne Kriegsführung, daran werden wir uns gewöhnen müssen." Zick plädierte in der aktuellen Situation für eine einheitliche europäische Friedensmission, die über die sicher notwendigen Sanktionen hinausdenke: "Wir brauchen neue Formen, eine neue Agenda, die Stärkung der Demokratie und neue Kontrollgremien." Eine solche Friedensmission müsse einen umfassenden Friedensplan erstellen, der an der Stärkung der Zivilgesellschaft orientiert sei.

Hunderte Deutsche kämpfen in der Ukraine

Hunderte Bundesbürger haben sich als freiwillige Kämpfer bei der ukrainischen Armee gemeldet. Aktuell seien knapp 1000 Deutsche in der Ukraine im Einsatz, schreibt die "Bild" unter Berufung auf Angaben aus ukrainischen Regierungskreisen. Allein in der ersten Kriegswoche hätten sich rund 500 Bundesbürger gemeldet. Insgesamt kämpfen in der ukrainischen Armee mittlerweile rund 22.000 Ausländer, heißt es aus Kiew. Die vorwiegend jungen Männer kämen zu großen Teilen aus Osteuropa, aber auch beispielsweise aus den USA. Die Gesinnung dieser Fremdenlegionäre könnte aber recht zweifelhaft sein. So wurde auch in klar rechtsradikalen Telegram-Gruppen dazu aufgerufen, in die Ukraine zu reisen um dort gegen Russland zu kämpfen.

Lettland plant "allumfassende Mobilmachung"

Der lettische Vizepremier und Verteidigungsminister Artis Pabriks kündigt eine "allumfassende Mobilmachung" an und fordert von der Bundesregierung Militärhilfen nach US-amerikanischen Vorbild. In den vergangenen Wochen hätten sich viele Dinge verändert. "Deutschland hat eine historische Wende vollzogen, die wir sehr respektieren", sagte Pabriks dem "Spiegel". Nun müsse das Geld sinnvoll investiert werden. "Die Deutschen sollten uns helfen, ihre Waffen zu kaufen, damit wir uns schützen können. Europa ist nur gemeinsam sicher." Gebraucht würden insbesondere Artilleriesysteme zur Luftverteidigung, so der Politiker. Sein Land könne sich solche Systeme allein nicht leisten. Auch an der Küste benötige man bessere Ausrüstung. "Natürlich freuen wir uns, wenn man uns Soldaten schickt. Aber was wir wirklich benötigen, ist bessere Ausrüstung und mehr Feuerkraft", so Pabriks. "Dafür muss man nicht auf die EU warten, das lässt sich auch in einem bilateralen Vertrag regeln." Um selbst die Sicherheit Lettlands zu gewährleisten, plane man eine Vergrößerung der Nationalgarde und verpflichtenden Wehrunterricht ab der 10. Klasse. Ziel sei eine "allumfassende Mobilmachung" der Gesellschaft, um etwaige Aggressionen abwehren zu können. Die Ukraine habe gezeigt, wie man als kleineres Land der russischen Übermacht begegnen könne, so Pabriks weiter. "Wir merken, wie schlecht die Logistik Moskaus ist. Derzeit sieht es auf der russischen Seite unserer Grenze sehr leer aus. Sie benötigen jeden Nachschub. Offensichtlich hat sich Putin brutal verschätzt." +++


Popup-Fenster

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*