Kanzleramt gerät im BAMF-Skandal unter Druck

Bosbach führt BAMF-Pannen auf "Willkommenskultur" zurück

Kanzleramt

Berlin. In der Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gerät nun auch das Kanzleramt unter Druck. Die BAMF-Affäre sei "jetzt dort angekommen, wo die Flüchtlingskrise zweieinhalb Jahre vorher ihren Ausgang nahm: im Bundeskanzleramt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der "Süddeutschen Zeitung". Dort liefen "alle Fäden zusammen".

Die Hinweise verdichteten sich, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr ehemaliger Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) "über die schwierige Lage im BAMF im Bilde waren". Die beiden würden sich trotzdem "bisher in Schweigen üben". Dadurch werde "deutlich, dass wir jetzt einen Untersuchungsausschuss brauchen, um restlos aufzuklären". Thomae will am Montag zusammen mit seinem Parteichef Christian Lindner und dem parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, den Antrag der Liberalen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vorstellen. Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte die Kanzlerin. Sie sagte der Zeitung, die Regierung sei "über die Jahre in der Flüchtlingspolitik nur auf Sicht gefahren". Merkel müsse jetzt im Innenausschuss des Bundestags erklären, "warum sie trotz dieser Warnungen die Arbeit des BAMF nicht zur Chefinnensache gemacht und Konsequenzen gezogen hat". Die Ursache für "die katastrophale Situation im BAMF" liege weit vor dem Jahr 2015, sagte Baerbock. Die Bundesregierung habe "es jahrelang versäumt, das BAMF aus den 90ern zu holen und rechtzeitig Strukturen zu schaffen, die der Realität standhalten". Zahlreiche Bundesländer und die Grünen hätten "schon vor September 2015 Alarm geschlagen und auf die Unterbesetzung, die katastrophale Kommunikation und fehlerhafte Bescheide hingewiesen sowie auf eine realistische Prognose der Flüchtlingszahlen gedrängt". Aber die Bundesregierung habe "das jahrelang bewusst ignoriert". Unverzügliche Aufklärung sei jetzt Voraussetzung "für den dringend anstehenden grundsätzlichen Umbau des BAMF", sagte Baerbock. Das Bundesamt müsse "vom Kopf auf die Füße gestellt werden, unter Einbeziehung von Richter- und Anwaltschaft, UNHCR und Verwaltung".

Bosbach führt BAMF-Pannen auf "Willkommenskultur" zurück

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gegen Kritik in Schutz genommen und für Unregelmäßigkeiten in der Behörde die deutsche "Willkommenskultur" in der Hochzeit der Flüchtlingskrise verantwortlich gemacht. "Ich kann mich nur wundern, dass jetzt, im Frühjahr 2018, über Probleme, Pannen und Versäumnisse diskutiert wird, die schon im Herbst 2015 zu erwarten waren", sagte der frühere Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses dem "Handelsblatt". "Damals war allerdings Willkommenskultur angesagt und wer Bedenken geäußert hat, fand sich schnell in der rechten Ecke wieder." Fakt sei, so Bosbach weiter, dass Deutschland von März bis Dezember 2015 mehr Flüchtlinge aufgenommen habe, als in den zehn Jahren davor zusammen. "Darauf war das BAMF weder personell noch organisatorisch vorbereitet. Und das lag nun wirklich nicht in der Verantwortung des Amtes", so der CDU-Politiker. Die Entscheider des BAMF hätten eine "schwere, verantwortungsvolle Aufgabe". Sie bräuchten für richtige Entscheidungen viel Erfahrung und einschlägige juristische Kompetenz. Um den "Berg von Anträgen" abzuarbeiten, hätten daher nicht nur ehemalige Entscheider reaktiviert, sondern auch neue eingearbeitet werden müssen. "Erfahrung und Spezialkenntnisse erwirbt man aber nicht im Hauruckverfahren", gab der CDU-Politiker zu bedenken. So sei das Vieraugenprinzip bei Asyl-Entscheidungen "viel zu spät konsequent angewandt" worden. "Vergleichbare Probleme gab und gibt es auch bei den Sprach- und Integrationskursen", fügte Bosbach hinzu. Für derartige Erkenntnisse hätte man auch nicht die Unternehmensberatung McKinsey gebraucht. "Da hätte jedes erfahrene Mitglied des Innenausschusses helfen können", sagte Bosbach weiter. "Deren Meinung war jedoch nicht gefragt." Als "interessant" bezeichnete der CDU-Politiker die "auffallende Zurückhaltung" der Linken und der Grünen beim Thema Untersuchungsausschuss. "Die rufen doch sonst immer sehr schnell Skandal und rückhaltlose Aufklärung", so Bosbach. "Aber beim Asylrecht und der Asylpraxis soll wohl nicht zu genau hingesehen werden." +++


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3 Kommentare

  1. Da hat also das Verschleierungs-Quartett Weise, De Maizière, Altmaier und Merkel vor den letzen Bundestagswahlen den Wählern nicht nur den katastrophalen Zustand des BAMF verschleiert. Nein, sie besaßen auch noch die Chuzpe aus dem Negativ-Bild ein Positiv-Bild zu zaubern, indem sie dafür sorgten, dass die Fallzahlen der Asylantragsbearbeitungen stiegen - Quantität auf Kosten der Qualität und in Folge zu Lasten der Verwaltungsgerichte, die mit Klagen gegen falsche Bescheide überschwemmt wurden (woraus - das ist der vorläufige Gipfel - Dobrindt die Asyl-Industrie aus dem Hut zauberte!) - zum Wohl des deutschen Volkes?
    Nun, die Rechnung ging mit der Wahl wohl auf! Merkel wurde wiedergewählt! Und die Medien haben zur Ablenkung lieber auf Martin Schulz und seine SPD eingedroschen!
    Frau Merkel! Nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung wahr und treten Sie zurück!

  2. Warum hat dann der jetzt so redefreudige Weise der Öffentlichkeit über die Medien permanent Erfolgsmeldungen vorgegaukelt und damit den katastrophalen Zustand des BAMF verschleiert?
    Warum sind die Medien diesen falschen Erfolgsmeldungen nicht nachgegangen, obwohl genügend Hinweise vorhanden waren, diese „Erfolge“ zu bezweifeln? Nur die übliche Kanzler-Schönwetter-Berichterstattung?
    Wie konnte Seehofer noch vor wenigen Wochen, dem BAMF, also dem zentralen Steuerungsinstrument der Bundesregierung für das Management der „Flüchtlingsströme“, leichtfertig - wider besseres Wissen? - eine „gute Arbeit“ bescheinigen? Was für eine grandiose Fehleinschätzung eines abgehalfterten Politprofis!
    Fragen über Fragen!

  3. Seehofers Aufklärung außer Rand und Band! Unglaubwürdiger Staatssekretär stellt Seehofer einen Persilschein aus! In die Aufklärug wurden eingeschaltet: BAMF-Innenrevision, Bundespolizei, Zentrale Antikorruptionsstelle und LKA, Rechnungshof - die meisten aus dem Einflussbereich von Seehofer! Wenn die sich nur mal nicht verheddern!
    Und einer nach dem anderen versucht über die Medien, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen!

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