Israel: Waffen-Stopp stößt im Bundestag auf breite Unterstützung

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Die Entscheidung der Bundesregierungen, bestimmte Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen, stößt im Bundestag auf breite Unterstützung. "Die Bundesregierung hat auf die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts mit einem vorläufigen Stopp von Rüstungsexporten reagiert, die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen könnten", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), der "Bild". "Diese Reaktion war unausweichlich, nachdem der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister unsere Bedenken über Monate in hoher Frequenz vortrugen. Durch die jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung wurde eine Reaktion leider notwendig."

Man wolle Israel damit eindeutig signalisieren, "dass wir das Vorgehen in Gaza für bedrohlich für Israels Stellung in der Welt und seine Sicherheit halten", erklärte er. "Wir können nicht mehr nachvollziehen, welche Kriegsziele Israel mit der erneuten Ausweitung der Offensive verfolgt - dabei teilen wir das Kriegsziel einer völligen Ablösung der Macht der Hamas weiterhin uneingeschränkt."

Die humanitäre Lage im Gaza-Streifen sei katastrophal und nütze "gerade nur der Hamas und ihrem globalen PR-Krieg gegen Israel", so Hardt. "Als Besatzungsmacht trägt Israel die Verantwortung für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung. Dieser Verantwortung kommt die israelische Regierung weiterhin nicht ausreichend nach."

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), erklärte, dass man das neue politische Ziel Netanjahus, den Gaza-Streifen vorübergehend unter israelische Kontrolle zu stellen, nicht teile. Das habe eine Neubewertung der Lage nötig gemacht. "Vorher stand uneingeschränkt - auch unterstützt durch uns und viele unserer Partner - der Kampf gegen den Terror im Gaza-Streifen und auch im Libanon im Vordergrund", sagte Röwekamp dem TV-Sender "Welt" am Freitag. "Jetzt geht es offensichtlich um ein politisches Ziel mit militärischen Mitteln."

Deutschland stehe aber auch weiter an der Seite Israels. "Die Solidarität Deutschlands gehört dem Volk und dem Staat Israel, aber nicht einer einzelnen Regierung", sagte der CDU-Politiker. Es ändere sich nichts daran, dass das Existenzrecht Israels unverändert zur deutschen Staatsräson gehöre. Netanjahus neue Zielsetzung stehe jedoch einer von Deutschland grundsätzlich angestrebten Zwei-Staaten-Lösung im Weg, findet Röwekamp. "Wir wollen die Zwei-Staaten-Lösung, wir wollen ein in seinem Existenzrecht gesichertes Israel, aber wir wollen auch einen anerkannten demokratischen Staat Palästina."

Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner kritisierte den israelischen Beschluss zur Ausweitung des Gaza-Krieges scharf. "Deutsche Waffenlieferungen dürfen keinesfalls dazu beitragen, die humanitäre Katastrophe oder die fatale Siedlungspolitik zu verlängern", sagte er der "Rheinischen Post". "Die Regierung Netanjahu ist leider von allen guten Geistern verlassen und droht, auch noch die treuesten Freunde Israels zu verlieren."

Der Bundestagsabgeordnete erklärte, Sicherheit für Israel und Frieden könne es nur geben, "wenn die humanitäre Katastrophe in Gaza unverzüglich beendet wird, die israelischen Geiseln von der Hamas freigelassen werden, die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik aufhört und ein Waffenstillstand ausgehandelt und abgesichert wird, dem ein Fahrplan in Richtung einer Zwei-Staaten Lösung mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft folgt".

Die Sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen und Obfrau im Verteidigungsausschuss, Sara Nanni, hat den Stopp gewisser Rüstungsgüter nach Israel als "überfälliges Signal" bezeichnet. "Die Bundesregierung hat seit längerem schon selbst Zweifel am israelischen Vorgehen in Gaza geäußert, aber keine Konsequenzen folgen lassen. Die Ankündigung, jetzt über Rüstungsexporte Druck aufzubauen, ist richtig", sagte Nanni den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zugleich forderte sie die Regierung auf, den Druck auf Israel zu erhöhen, um Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung in Gaza zuzulassen.

Die Außenpolitikerin und frühere Menschenrechtsbeauftragte der Vorgängerregierung, Luise Amtsberg (Grüne), übte ebenfalls scharfe Kritik am Kurs der israelischen Regierung. "Die gestrige Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, die Kontrolle über die Stadt Gaza zu übernehmen, ist verheerend", sagte sie der "Rheinischen Post". "Die israelische Regierung hat sich damit gegen Verhandlungen und die Sicherheit der Geiseln und für eine weitere Eskalation der Militäroffensive entschieden. Bereits jetzt lässt sich das Ausmaß der Zerstörung und die humanitäre Lage im Gazastreifen kaum noch in Worte fassen."

Experten uneins über deutschen Stopp von Waffen an Israel

Der Konflikt- und Friedensforscher Thorsten Bonacker von der Universität Marburg hat den teilweisen Stopp der Waffenexporte nach Israel als deutliches politisches Signal gedeutet. "Ich halte den Schritt der Bundesregierung für bemerkenswert, denn bislang ist es ja eher bei einer moderaten Kritik geblieben", sagte der Politikwissenschaftler dem Nachrichtenportal "Watson" am Freitag. "Da Deutschland der zweitwichtigste Waffenexporteur für Israel ist, handelt es sich hier um eine auch symbolisch wichtige Entscheidung."

Dass Bundeskanzler Friedrich Merz zugleich das Recht Israels betonte, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, wertet Bonacker als Zeichen, "dass die Bundesregierung auch weiterhin Israel im Grundsatz unterstützt". Er sieht darin auch eine präventive Maßnahme. "Die Bundesregierung beugt damit der Kritik vor, sich von Israel zu distanzieren und sich in die Reihen derer zu stellen, die etwa Palästina als Staat anerkennen und darüber Druck auf die israelische Regierung ausüben wollen", so der Marburger Professor.

Der israelische Historiker Moshe Zimmermann begrüßte den Schritt ebenfalls. "Die Entscheidung des Bundeskanzlers war lange überfällig", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Man hätte schon früher Bescheid geben müssen, dass man mit dieser israelischen Politik unzufrieden ist. Aber besser spät als nie. Je länger dieser Feldzug dauert, umso schlimmer ist es, nicht nur für die Hamas, sondern vor allem für die Israelis."

Zimmermann geht davon aus, dass die Entscheidung kaum eine Wirkung haben werde, da das israelische Militär vor allem von der eigenen Produktion und der US-Produktion abhängig sei. "Und die israelische Regierung ist politisch auch stur", sagte er. "Trotzdem muss man hier ein Zeichen setzen. Die deutsche Regierung signalisiert etwas. Und das ist schon ein Wert an sich."

Der Historiker Michael Wolffsohn kritisierte den Stopp deutscher Waffenlieferungen. Er sagte dem "Tagesspiegel", dass die Bundesregierung ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht werde. "Ziel soll eine möglichst widerspruchsfreie außenpolitische Strategie sein", sagte Wolffsohn. "Oberste Priorität sind laut Kanzler Merz die Freilassung der Geiseln und die Entwaffnung der Hamas. Wer das will, muss Israel Waffen liefern." Zudem brauche die Bundesrepublik umgekehrt von Israel Drohnen, einen Raketenschutzschild, Unterstützung bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors sowie IT-Expertise. Wolfssohn kritisierte, dass sich Deutschland in diesem Zusammenhang für zu wichtig halte. "Bei den Waffenlieferungen kommt es allein auf die USA an", sagte er. "Und die liefern."

Netanjahu wirft Deutschland Belohnung der Hamas vor

Nachdem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigt hat, Israel vorerst keine Waffen für seine Offensive im Gazastreifen mehr zur Verfügung zu stellen, hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu Deutschland scharf kritisiert. "Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach heute Abend mit Bundeskanzler Friedrich Merz und brachte seine Enttäuschung über Merz` Entscheidung zum Ausdruck, ein Waffenembargo gegen Israel zu verhängen", teilte Netanjahus Büro am Freitagnachmittag mit. "Anstatt Israels gerechten Krieg gegen die Hamas zu unterstützen, die den grausamsten Angriff auf das jüdische Volk seit dem Holocaust verübt hat, belohnt Deutschland den Terror der Hamas mit einem Waffenembargo gegen Israel." Netanjahu habe bekräftigt, dass Israels Ziel nicht die Übernahme des Gazastreifens sei, sondern die "Befreiung des Gazastreifens von der Hamas" und die "Etablierung einer friedlichen Regierung" dort.

Merz hatte am Freitag mitgeteilt, "bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können", zu genehmigen. Hintergrund ist das in der vergangenen Nacht vom israelischen Kabinett beschlossene, "noch härtere militärische Vorgehen" der israelischen Armee in dem Küstenstreifen. Der verabschiedete Plan, der unter anderem die Einnahme von Gaza-Stadt und die vorläufige Vertreibung der dort lebenden rund 800.000 Menschen vorsieht, lasse aus Sicht der Bundesregierung "immer weniger erkennen", wie die israelischen Kriegsziele erreicht werden sollen, so Merz weiter.

Die Bundesregierung bleibe "zutiefst besorgt" über das fortdauernde Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Mit der geplanten Offensive trage die israelische Regierung noch stärker als bisher Verantwortung für deren Versorgung. Sie müsse einen "umfassenden Zugang" für Hilfslieferungen ermöglichen, auch für UN-Organisationen und andere nicht-staatliche Institutionen, forderte Merz. Israel müsse nach den "richtigen Schritten der letzten Tage" die humanitäre Lage in Gaza "weiter umfassend und nachhaltig verbessern". +++


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