Grüne bedauern Rückzug von Brosius-Gersdorf

Die Grünen haben mit Bedauern auf den Rückzug der Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht reagiert. Es sei "absolut inakzeptabel und ungeheuerlich", dass eine so angesehene Juristin "von Lügen, Desinformationen und einer hetzerischen Kampagne derart getroffen wurde", sagten die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann am Donnerstag.

Die Grünen-Bundestagsfraktion habe ihr wiederholt Unterstützung versichert und Bereitschaft gezeigt, Brosius-Gersdorf im Bundestag zu wählen, so die Fraktionsvorsitzenden. "Es bleibt ein ungeheuerlicher Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat." Es sei der Vorschlag der Koalition und ihrer beiden Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn und Matthias Miersch gewesen, Herrn Spinner, Frau Brosius-Gersdorf und Frau Kaufhold für das Bundesverfassungsgericht vorzuschlagen. Es sei inakzeptabel, dass die Unionsfraktion ihre Unterstützung zurückgezogen habe und eine Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf kategorisch ablehne, so Dröge und Haßelmann. "Die Verantwortung dafür trägt insbesondere Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender. Spahn hatte sein Wort gegeben und kann dies nicht mehr halten", sagten die Grünen-Politikerinnen. Ein Fraktionsvorsitzender einer Regierungsfraktion, dessen Wort nicht mehr zähle, weder gegenüber dem Koalitionspartner noch anderen demokratischen Fraktionen, sei ungeeignet für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe.

Aber auch von der SPD-Fraktion hätten die Grünen erwartet, dass ihre Unterstützung für die eigene Kandidatin so klar ist, dass diese nicht den Eindruck hätte bekommen dürfen, nicht durchsetzungsfähig zu sein, so Dröge und Haßelmann. "Wir fragen uns, wieso die SPD offenbar bereit war, ein Nein, der CDU zu akzeptieren. Dieses Verhalten ist schwach." Sie sagten weiter, dass sich zeige, dass sich Bundeskanzler Merz und Vizekanzler Klingbeil aktuell nicht darauf verlassen könnten, eine stabile Mehrheit im Deutschen Bundestag für ihre Koalition zu haben. Aber nicht von den Grünen, sondern auch aus den Reihen der SPD wurde Bedauern über die Entscheidung der Juristin geäußert. "Es muss jeden Demokraten und jede Demokratin alarmieren, wenn eine über jeden Zweifel erhabene Wissenschaftlerin und Juristin sich zu diesem Schritt gezwungen sieht", sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf der "Rheinischen Post". "Heute ist ein schlechter Tag für unsere politische Kultur und unsere demokratischen Institutionen und Entscheidungsprozesse."

Aus seiner Sicht habe "Frauke Brosius-Gersdorf nicht von jedem die Solidarität bekommen, die ihr gebührt". Ab der Bestätigung im Richterwahlausschuss sei sie eine gemeinsame Kandidatin von SPD, CDU und CSU gewesen. "Unsere klare Erwartungshaltung war deshalb zu jedem Zeitpunkt, dass auch die Union sich hinter dem gemeinsamen Vorschlag versammelt. Dass nicht mal das Gesprächsangebot angenommen wurde, ist kein gutes Zeichen für den Umgang mit der Kandidatur und dem gemeinsamen Vorschlag."

Linke sieht "Totalversagen" der Regierung

Die Vorsitzende der Linkspartei, Ines Schwerdtner, hat angesichts des Rückzugs von Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf von einer "Klatsche für die Bundesregierung" gesprochen. "Dieses organisatorische Totalversagen der Merz-Regierung muss aufhören", sagte sie der "Rheinischen Post". Spahn habe seine Truppe nicht im Griff, und die SPD zeige mal wieder: "Sie kann sich höchstens im Kreis drehen, aber nichts durchsetzen." Die Regierung bekomme "nicht mal in den eigenen Reihen eine Mehrheit zusammen, geschweige in der Bevölkerung", kritisierte sie. Aus Schwerdtners Sicht ist der "ganze Prozess der Richterwahl war von Anfang an zum Scheitern verurteilt" gewesen. Schwerdtner sprach sich erneut dafür aus, dass die Linke bei der Richterwahl künftig ein eigenes Vorschlagsrecht erhalten müsse.

SPD tadelt Union nach Brosius-Gersdorf-Rückzug

Die SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas warnt vor der Signalwirkung des Rückzugs der Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Es mache ihr große Sorgen, "dass rechte Netzwerke es wirklich geschafft haben, eine Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf zu führen", sagte Bas dem "Spiegel". "Wenn es so ist, dass eine Richterwahl beeinflusst werden kann, dann haben wir ein Problem." Deutliche Kritik übte Bas am Koalitionspartner. Die Unionsfraktion hatte Brosius-Gersdorfs Wahl zur Verfassungsrichterin erst intern abgesegnet, ihre Wahl dann aber kurzfristig abgesagt. "Ich bedaure sehr, dass die Union nicht in der Lage war, Frauke Brosius-Gersdorf wenigstens zu einem Gespräch mal einzuladen", sagte die SPD-Chefin. "Ich finde, das muss die Union noch mal für sich aufarbeiten."

Sie sei auch als Frau darüber verärgert, wie mit Brosius-Gersdorf umgegangen worden sei, so Bas. Dies könne Auswirkungen auf die künftige Kandidatenauswahl haben. Man müsse sich fragen, wer sich das eigentlich noch antue. Dirk Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem "Spiegel", die Lage von Brosius-Gersdorf sei deswegen so schwierig geworden, "weil gegebene Zusagen nicht eingehalten wurden". Die Union habe sich "hinter angeblichen Plagiatsvorwürfen versteckt und damit gezielten Desinformationskampagnen von rechter Seite Tür und Tor geöffnet", kritisierte Wiese. "Für die Zukunft sei es klar gesagt: Wir sind eine Koalition, wir stimmen gemeinsam ab. Auf Zusagen muss man sich verlassen können. Personalfragen sind keine Gewissensentscheidungen."

Der SPD-Politiker bezog sich damit offenbar auf eine Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der die Verfassungsrichterwahl nachträglich als Gewissensentscheidung bezeichnet hatte. Auch wenn Abgeordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes ausschließlich ihrem Gewissen unterworfen sind, halten sie sich für gewöhnlich an die Fraktionsdisziplin, um zuvor im Kompromiss geeinte Vorhaben durchzusetzen. Als Gewissensentscheidungen werden daher im Regelfall nur Abstimmungen bezeichnet, in denen gemeinsame Anträge von Teilen der Koalitionsfraktionen und Teilen der Opposition verhandelt werden, wie etwa zu medizinethischen Themen.

Wiese erklärte, er bedaure den Schritt von Brosius-Gersdorf und hätte sich eine andere Entscheidung gewünscht. Aber er habe Respekt davor "und volles Verständnis dafür, dass sie sich nicht länger derartigen öffentlichen Demontageversuchen aussetzen möchte". Die Versuche, eine renommierte Staatsrechtslehrerin öffentlich zu diskreditieren, seien auch für Außenstehende unerträglich gewesen. +++


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