Etablierte journalistische Geschäftsmodelle unter Druck

Traffic bei vielen Medienhäusern sinkt

Die Integration generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in Suchmaschinen hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Informations- und Meinungsvielfalt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Dr. Dirk Lewandowski von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Informatik und digitale Gesellschaft, im Auftrag der Medienanstalten. Die systematische Untersuchung zeigt, dass KI-basierte Suchantworten neue Inhalte schaffen und etablierte Informationsquellen verdrängen. Anwendungen wie AI Overviews, Bing Copilot Search, Perplexity oder ChatGPT beantworten Suchanfragen zunehmend selbst, ohne dass Nutzende die dahinterliegenden Quellen noch aufrufen müssen. Das hat weitreichende Folgen für die Sichtbarkeit journalistischer Angebote, die Refinanzierung von Medien und die Vielfalt der online zugänglichen Informationen.

Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), betont, dass die Verschmelzung von KI und Suche Auswirkungen auf jede Informationssuche im Netz habe. Aus Nutzersicht sei es zwar praktisch, wenn eine KI-Anwendung Fragen direkt beantworte, doch müsse geklärt werden, woher die Antworten stammen. KI-Antworten dürften nicht zu einer Verengung der Informationsvielfalt führen, und die Anbieter trügen Verantwortung für ihre Inhalte. Es müsse sichergestellt werden, dass journalistisch-redaktionelle Inhalte weiterhin ihr Publikum erreichen und damit ihre Geschäftsgrundlage erhalten. Dabei spielten sowohl das deutsche Medienrecht als auch die Durchsetzung des Digital Services Acts eine entscheidende Rolle. Flecken unterstreicht, dass die Medienanstalten in diesem Rahmen ihren Beitrag leisten werden. Der gesetzliche Rahmen müsse jedoch mit der technologischen Entwicklung Schritt halten, um weiterhin wirksam zu bleiben.

Eva-Maria Sommer, Direktorin der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA HSH) und Themenverantwortliche für Medienintermediäre innerhalb der DLM, erklärt, dass das bisher geltende Haftungsprivileg der Plattformen nicht mehr greife. Unternehmen wie Google und Microsoft trügen, wie alle anderen Inhalteanbieter auch, die Verantwortung dafür, dass ihre KI-Antworten den medienrechtlichen Vorgaben entsprechen. Zudem berge die Kombination aus der prominenten Präsentation eigener Suchergebnisse und dem potenziell sinkenden Traffic auf etablierten journalistischen Quellen im Netz die Gefahr einer Monopolisierung der Meinungsmacht. Dem müssten die Medienanstalten wirksam begegnen.

Die Studie identifiziert mehrere Kernergebnisse. Eine Funktionsanalyse wirft Fragen zu Transparenz und Verlässlichkeit auf. Etablierte Suchmaschinen integrieren KI-Antworten direkt in ihre Ergebnisse und beeinflussen damit die Sichtbarkeit anderer Treffer. Im Gegensatz dazu präsentieren Perplexity.ai oder ChatGPT ausschließlich KI-generierte Antworten. Dabei wurden deutliche Unterschiede in der Darstellung, der Quellenzuordnung und in den Hinweisen auf die Fehleranfälligkeit der KI-Antworten festgestellt. Besonders ChatGPT verzichtet häufig auf Quellenangaben, was Fragen zur Transparenz und Verlässlichkeit der Suchergebnisse aufwirft.

Darüber hinaus zeigt die Studie, dass journalistische Geschäftsmodelle durch eine Verschiebung des Traffics gefährdet sind. Die meisten Suchmaschinen finanzieren sich über Werbung, doch KI-Antworten präsentieren Informationen oft direkt auf der Suchergebnisseite. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Traffic zu den ursprünglichen Inhalteanbietern drastisch sinkt. Vorhandene Studien belegen Traffic-Verluste für Inhalteanbieter in einer Spanne von 18 Prozent bis über 50 Prozent. Diese Entwicklung bedroht die Refinanzierung der Inhaltsproduktion, die für eine vielfältige Informationslandschaft unerlässlich ist.

Auch für die Informations- und Meinungsvielfalt ergeben sich weitreichende Folgen. Traditionelle Suchergebnisse werden durch KI-Antworten nach unten gedrängt und damit weniger sichtbar. KI-Systeme können die Vielfalt der Positionen zwar kurzfristig erhöhen, indem sie verschiedene Perspektiven und Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenfassen und in leicht verarbeitbarer Form präsentieren. Langfristig kann ein Traffic-Verlust für Inhalteanbieter jedoch dazu führen, dass die Produktion hochwertiger und vielfältiger Inhalte im Internet wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Informations- und Meinungsvielfalt insgesamt.

Ein Folgegutachten der Medienanstalten soll nach der nun vorgelegten Analyse den medienrechtlichen Rahmen näher beleuchten. Ziel ist es, daraus konkrete Ableitungen für die zukünftige Arbeit der Medienanstalten zu gewinnen und die regulatorischen Voraussetzungen an die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz anzupassen. +++


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