
Zu seiner diesjährigen Sommersitzung versammeln sich die Mitglieder des Wissenschaftsrats der Bundesregierung auf dem Campus der Hochschule Fulda. Drei Tage lang wird sich das bedeutendste wissenschaftspolitische Beratungsgremium Deutschlands mit Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklungen des Wissenschafts-, Forschungs- und Hochschulsystems befassen. „Dass der Wissenschaftsrat seine mehrtätige Sommersitzung an der Hochschule Fulda abhält, sehen wir als eine große Auszeichnung für unsere Hochschule. Seit seiner Gründung vor nahezu 70 Jahren tagt der Wissenschaftsrat erstmals an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Ich werte dies auch als Anerkennung der äußerst dynamischen und erfolgreichen Entwicklung unseres Hochschultyps in den vergangenen Jahren“, betonte Hochschulpräsident Prof. Dr. Karim Khakzar bei einem Empfang der Hochschule am Mittwochabend.
Die Entscheidung, die Arbeitssitzungen des Wissenschaftsrats an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) stattfinden zu lassen, hat sicherlich Symbolkraft. Inzwischen studieren knapp 40 Prozent aller Studierenden an einer HAW. Im Zuge der sogenannten Bologna-Reform von 1999 sind die Bachelor- und Masterabschlüsse denen an Universitäten gleichgestellt worden. Einige forschungsstarke HAWs können inzwischen auch eigenständig den Doktortitel vergeben. Die Hochschule Fulda war bundesweit die erste HAW, die dieses sogenannte Promotionsrecht erhielt.
Zukunftspläne des Wissenschaftssystems als Teil der Beratungen
In seiner Begrüßung ging Khakzar auch auf jüngste Veränderungen im Hochschulsystem und die immer neuen Anforderungen an die Hochschulen ein. Er hob lobend hervor, dass sie dabei vom Wissenschaftsrat kompetent begleitet und unterstützt werden. Dieser habe die Aufgabe, Entwicklungen vorausschauend zu prognostizieren und wichtige Empfehlungen für die Akteure und Aktuarinnen im deutschen Wissenschaftssystem zu erarbeiten. Sein Wort hat Gewicht, und die Politik vertraut bei wichtigen Entscheidungen immer wieder auf die Einschätzungen seiner Mitglieder.
Der Wissenschaftsrat umfasst zwei Kommissionen: die Wissenschaftliche Kommission und die Verwaltungskommission. Letztere besteht aus Vertreterinnen des Bundes und der Länder. Ihr gehören auch die 16 Wissenschaftsministerinnen der Bundesländer an. Die Wissenschaftliche Kommission setzt sich aus renommierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Repräsentant und Repräsentantinnen des öffentlichen Lebens zusammen, die vom Bundespräsidenten berufen werden. Anlässlich der diesjährigen Sommersitzung betonte die Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission, Prof. Dr. Julia Arlinghaus, Professorin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Leiterin des Fraunhofer-Instituts Magdeburg, beim Empfang der Hochschule Fulda die große Bedeutung der HAWs im deutschen Hochschulsystem: „Sie gestalten dieses aktiv mit und forschen praxisnah, lösungsorientiert, interdisziplinär und nah an den Menschen. Die Hochschule Fulda steht für genau diese Art von Forschung: gesellschaftlich relevant, methodisch fundiert und tief in der Region verwurzelt.“ Im weiteren Verlauf der Sommersitzung wird sich der Wissenschaftsrat unter anderem mit einem Papier zu den Zukunftsperspektiven des Wissenschaftssystems bis 2040 befassen. Arlinghaus fügte hinzu: „Das ist auch ein wenig symbolisch. Es ist ein starkes Signal, dass die Zukunft unseres Wissenschaftssystems nicht ohne HAWs gedacht werden kann – und auch nicht ohne die angewandte Forschung oder ohne ihre gesellschaftliche Relevanz.“
Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Vertrauen
Hochschulpräsident Prof. Khakzar hob am Mittwochabend ebenfalls die große Bedeutung der Hochschulen für die Gesellschaft und insbesondere die jeweiligen Regionen hervor: „Wir tragen als Bildungs- und Forschungseinrichtungen große Verantwortung. Dieser können wir nur nachkommen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und wir insbesondere die Freiheit und Autonomie erhalten, uns bestmöglich zu entwickeln, anzupassen und zu verändern. Im bundesweiten und globalen Wettbewerb, in dem sich auch die Hochschulen befinden, wäre Stillstand fatal. Der Wissenschaftsrat hat diese Veränderungen immer wieder begleitet und angemahnt und damit auch einen sehr wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unseres deutschen Hochschulsystems geleistet.“
Auch Irina Kohler, Professorin für Unternehmensführung am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda, arbeitet als Mitglied einer unabhängigen Beschwerdestelle dem Wissenschaftsrat in Fragen der Qualitätssicherung unmittelbar zu. Sie ist Gründungsmitglied dieser Beschwerdestelle, die Streitfälle im Zusammenhang mit der Akkreditierung nichtstaatlicher Hochschulen prüft. Dieses Gremium ist eigenständig und steht für einen wichtigen Aspekt: qualitätsgesicherte Verfahren, getragen von unabhängiger Expertise. „Der Wissenschaftsrat ist Teil eines Systems, das für Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Vertrauen steht – Grundwerte, auf denen Wissenschaft langfristig beruht“, so Kohler. Viele Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus Fulda und Umgebung waren der Einladung der Hochschule Fulda zum Empfang anlässlich der Sommersitzung des Wissenschaftsrats gefolgt. Im Anschluss hatten sie noch die Gelegenheit zu einer Campusführung. Für die musikalische Begleitung des Abends sorgte die Unplugged-Liveband „Chris & me“ aus Fulda.
Auch das Land Hessen empfängt den Wissenschaftsrat
Am heutigen Donnerstagabend findet in Fulda der Empfang des Landes Hessen anlässlich des Besuchs des Wissenschaftsrats statt. Wissenschaftsminister Timon Gremmels sagt über die Bedeutung des Gremiums: „Ich freue mich sehr, dass der Wissenschaftsrat seit 2019 nun wieder turnusgemäß eine seiner jährlichen Sitzungen in Hessen abhält. Insbesondere für die Ausrichtung in Fulda habe ich mich stark gemacht. Das deutsche Wissenschaftssystem steht vor vielfältigen Herausforderungen – etwa durch die rasant fortschreitende Digitalisierung, durch gesellschaftliche Veränderungen und natürlich auch durch die veränderte weltpolitische Lage. Die Arbeit des Wissenschaftsrats ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Der Wissenschaftsrat schafft fundierte Grundlagen für politische Entscheidungen, stellt langfristige Perspektiven sicher und fördert Innovationen im deutschen Wissenschaftssystem. Zudem ist er ein Ort, an dem die Wissenschaftsfreiheit gelebt und verteidigt wird – das ist leider zunehmend wichtig.“ +++
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