SPD-Vorsitzkandidat Norbert Walter-Borjans hat klare Forderungen für den Fortbestand der Großen Koalition gestellt. Mit der Halbzeitbilanz sei er zwar einverstanden, jedoch komme es aus seiner Sicht nun darauf an, was bis 2021 mit der Union noch erreichbar sei, sagte er in der Sendung "Frühstart" der RTL/n-tv-Redaktion. "Wir sind in einer Zeit, wo die Wirtschaft sich ein bisschen eintrübt. Jetzt erst recht müssen wir ganz klar machen, wie wichtig massive Investitionen des Staates sind, wie wichtig die Entlastung der Kommunen ist, und wie wichtig es auch ist, dass wir die auseinanderdriftende Gesellschaft wieder zusammen bringen", so Walter-Borjans.
Das weitere Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich sei für ein Industrieland wie Deutschland nicht würdig. Entscheidend sei, dass investiert werde. "Wenn richtig investiert wird und wir unseren Kindern nicht Schulden im Sinne von maroden Straßen, kaputten Schulen, einer dramatisch schlechten Versorgung mit Mobilfunk und Internet hinterlassen wollen, dann müssen wir investieren. Dann heißt das allerdings auch, dass wir dafür im Zweifel diese Monstranz der schwarzen Null opfern müssen." Es gebe Schulden und Kredite, die das wert seien, weil damit etwas geschaffen werde, das andere Formen von Schulden in der Zukunft verhindere, so Walter-Borjans im "RTL/n-tv-Frühstart". Entsprechend skeptisch steht der SPD-Politiker dem Fortbestand der Großen Koalition gegenüber. "Saskia Esken hat gesagt, dass sie aufgrund dieser inhaltlichen Fragen die Perspektive nicht sieht, dass man das noch zwei Jahre machen sollte und zwei Jahre warten sollte, bevor dann die inhaltlichen Punkte, die wir für richtig halten, auch umgesetzt werden können. Und ich selbst teile diese Skepsis." Er habe sich jedoch immer dagegen ausgesprochen, die Frage "GroKo - ja oder nein?" zu einer Frage an sich zu machen.
Die Große Koalition hat aus Walter-Borjans` Sicht in den ersten zwei Jahren viele SPD-Projekte umgesetzt. Der Koalitionspartner habe jedoch immer darauf geachtet, "dass die Lasten, die damit verbunden sind, weniger im oberen Teil von Vermögen und Einkommen ankommen als in der Mitte oder unten. Und das ist ein Punkt, über den wir uns unterhalten müssen", so der ehemalige NRW-Finanzminister. Wenn man damit auf den Parteitag gehe, werde es eine lebendige Diskussion. Dann gehe es um Inhalte und um die Frage, "wenn der Koalitionspartner sich sperren würde bei etwa dem massiven Investieren oder bei einem Stück nötigen Nachbesserns des Klimapakets, wäre das ein Punkt, wo man sagen könnte: Na gut, erzählen wir das den Leuten, und dann wird es eben 2021 besser? Oder können wir uns dieses Warten nicht leisten". Er sehe, dass auf der Seite von CDU und CSU Carsten Linnemann von einem notwendigen Update des Koalitionsvertrags spreche. "Und ich finde, das Recht, das er hat, das haben wir auch." Es gebe Dinge, "die stehen in den nächsten Jahren an, und die waren vor zwei Jahren in dieser Weise noch nicht zu sehen", so Walter-Borjans. Wenn die Wirtschaft jetzt ein Stückchen schwächer werde, gebe es schon aus konjunktureller Sicht einen Handlungsbedarf, der nicht bis 2021 warten dürfe. +++








and then
Eines fällt doch jedem auf:
Allen SPD-Granden, die die verschiedenen GroKos befürwortet hatten, haben damit Erwartungen verbunden, dass die Mitarbeit in der Regierung der SPD gut tun wird, dass die Wähler dies honorieren werden! Denn die SPD hatte zweifelsohne eine Reihe von guten Projekten durchgesetzt, wenn auch zu häufig von der Union verwässert! Alle GroKo-Befürworter in der SPD haben sich wieder und wieder - grandios - getäuscht. Ihre Vorhersagen hatten keinen Bestand. Gewisse Realitäten - z.B. Art und Umfang der Zusammenarbeit in der GroKo - wurden offensichtlich einfach ausgeblendet! Stattdessen wurden parteiinterne Gegner einer GroKo als ständige Nörgler, Schwarzseher, etc. in die Ecke gestellt. Aber deren Vorhersagen, insbesondere über die Wahlergebnisse, wurden wieder und wieder grandios bestätigt! Ach, bevor ich es vergesse: das oberste Führungspersonal wurde auch jeweils ausgetauscht!
Was läuft da grundsätzlich schief in der SPD?
Eigentlich eine einfach zu beantwortende Frage!
Ich bin dennoch überzeugt, dass es auch künftig, mehr denn je, eine - erneuerte - SPD braucht! Ich sehe weit und breit keine andere Partei, die sich endlich einmal den 42 % Abgehängten umfassend widmet und diese nicht immer mit Almosen abspeist bzw. ruhig stellt.
Lesen Sie auch meinen Beitrag zu einem erneuerten Narrativ für die SPD:
https://www.freitag.de/autoren/sigismundruestig/ein-erneuertes-narrativ-fuer-die-spd
Und dass jetzt maßgebliche Medien vorbeugend der SPD vorwerfen, in Anbetracht einer mauen Halbzeitbilanz, die GroKo - am Rande der Verfassungsmäßigkeit - zu verlassen, die sonst gerne der SPD u.a. ausufernde Sozialträumereien vorwerfen, ist unredlich! Aber so sind sie eben, diese Medien!
Genau! Die SPD muss endlich ihre ökonomische Einfalt erkennen, die darin besteht, dass viele immer noch nicht erkannt haben bzw. erkannt haben wollen, dass in Deutschland seit Jahrzehnten eine Umverteilung von unten nach oben in den Steuer-, Sozialversicherungs- und Entlohnungssystemen implementiert ist! Genau deshalb driftet ja auch die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander! Genau deshalb reden wir zunehmend über wachsende Probleme mit Altersarmut, bezahlbaren Wohnungen, Niedriglöhnen, auskömmlichen Renten, etc.
Genau deshalb wird es höchste Zeit, endlich das zu implementieren, von dem viele behaupten, die SPD hätte das schon längst eingeführt: eine Umverteilung von oben nach unten - um Altersarmut zu vermeiden, bezahlbare Wohnungen insbesondere in Ballungsgebieten zur Verfügung zu stellen, auskömmliche Löhne zu bezahlen, das Rentenniveau wieder auf das Niveau zu Zeiten der sozialen Marktwirtschaft anzuheben Ach, noch etwas: zu Zeiten der sozialen Marktwirtschaft, die ja längst abgeschafft ist durch eine - wie es Merkel nennt - marktkonforme Demokratie hatten wir eine Reichensteuer, eine Vermögenssteuer, ein Rentenniveau von 70%! Davon werden aber Union und FDP nichts mehr wissen wollen, wenn sie jetzt vollmundig wieder die soziale Marktwirtschaft fordern, tatsächlich aber neoliberalen Irrsinn und Markt hat Vorfahrt vor Demokratie meinen!