Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag (CDU), hat von einer Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe abgeraten. "Ich halte Gespräche für eine Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe, wie sie die EU nun anstrebt, für nicht zielführend", sagte Maag dem "Handelsblatt". Die Produktion der Impfstoffe sei hochkomplex: "Es macht keinen Sinn, wenn diese von x-beliebigen Unternehmen hergestellt werden", sagte Maag. "Außerdem habe ich die Sorge, dass der Anreiz für private Unternehmen deutlich geringer sein wird, in Impfstoffforschung zu investieren."
Sinnvoller wäre es darüber zu diskutieren, wie die Mitgliedstaaten beispielsweise die Impfstoffplattform COVAX angemessen unterstützen könnten. Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sieht den Vorstoß kritisch, den Patentschutz für Impfstoffe aufzuheben. "Die Folgen für den Innovationszyklus wären gravierend", sagte VFA-Präsident Han Steutel dem "Handelsblatt". Corona solle instrumentalisiert werden, um den Patentschutz für Impfstoffe zu schleifen. Allein die Hersteller von mRNA-Impfstoffen hätten über zehn Jahre Vorarbeiten erbracht, um jetzt der Welt helfen zu können. "Hier wurde über Jahre privates Geld investiert, ohne dass klar war, ob die Technologie ein Erfolg würde", sagte Steutel. "Wo sollen eigentlich in der nächsten Pandemie rettende Ideen herkommen und wer soll ihre Umsetzung bis zur Produktionsreife finanzieren, wenn jeder weiß, dass den Erfindern die Patente sowieso abgenommen werden?", fragte Steutel. Auch zur Überwindung der Pandemie würden Patentfreigaben nichts bringen. Niemand könne eine Produktion in weniger als sechs Monaten hochziehen. Und im nächsten Jahr würden die jetzigen Hersteller schon nach heutigem Planungsstand mehr Impfstoff-Dosen produzieren, als die Weltbevölkerung benötigt. Die Patentfreigabe wäre deswegen "reine Symbolpolitik statt Hilfe in der Not."
Merkel gegen Aussetzung von Impfpatenten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat skeptisch auf den Vorstoß der USA reagiert, die Patente für Impfstoffe befristet freizugeben, um deren globale Verteilung zu beschleunigen. "Der Schutz von geistigem Eigentum ist Quelle von Innovation und muss es auch in Zukunft bleiben", sagte eine Regierungssprecherin der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe). "Der limitierende Faktor bei der Herstellung von Impfstoffen sind die Produktionskapazitäten und die hohen Qualitätsstandards, nicht die Patente", betonte die Sprecherin der Kanzlerin. Sie sagte, der US-Vorschlag habe "erhebliche Implikationen für die Impfstoffproduktion insgesamt". Die Bundesregierung arbeite "in vielerlei Hinsicht daran", wie man "innerhalb Deutschlands und innerhalb der Europäischen Union, aber auch weltweit" die Kapazitäten für die Produktion verbessern könne. Dies täten ohnehin auch die betroffenen Unternehmen. Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte den Vor stoß aus Washington. Müller forderte, die USA sollten beitragen, dass die Impfstoffe produziert werden könnten. Auch der deutsche Impfstoffhersteller Biontech äußerte sich ablehnend. Patente seien "nicht der begrenzende Faktor für die Produktion oder Versorgung mit unserem Impfstoff", teilte die Firma mit. Die Freigabe würde kurz- und mittelfristig die weltweite Produktion und Versorgung mit Impfstoffdosen nicht erhöhen.
Entwicklungsminister gegen Patentfreigabe für Corona-Impfstoffe
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat sich gegen eine Patentfreigabe für Corona-Impfstoffe ausgesprochen. "Wenn wir allein durch die Patentfreigabe schneller zum Ziel kommen würden, Impfstoff für alle zu produzieren, wäre ich dafür. Aber das ist derzeit nicht der Fall", sagte er dem "Spiegel". Das Patent allein reiche nicht. Man müsse auch wissen, wie der Impfstoff produziert werden soll. "Nur ein Patent freizugeben, sorgt noch für keine einzige zusätzliche Impfdose", so Müller. Angesichts des derzeitigen Mangels an Impfstoffen gerade in ärmeren Ländern spricht sich Müller für mehr internationale Zusammenarbeit bei der Produktion aus. "Deshalb sollten aus meiner Sicht dringend mehr gezielte Lizenzproduktionen und ein Technologietransfer stattfinden." Bisher sei vor allem Indien imstande, mit dem reinen Rezept etwas anzufangen. Entscheidend sei, ein gutes Matching zwischen Lizenzinhaber und Produktionsstätten in Entwicklungs- und Schwellenländern zu organisieren. "Genau das tun wir und reden mit potenziellen Lizenznehmern in Südafrika, in Ghana und im Senegal. Diese könnten aber frühestens Ende des Jahres so weit sein, Impfstoffe abzufüllen und später auch zu produzieren. Für die anspruchsvoll herzustellenden mRNA-Impfstoffe dauert es noch länger." Parallel will der Entwicklungsminister über Produktionsmöglichkeiten in Ländern wie Mexiko und Brasilien nachdenken. "Corona ist ja nicht in einem Jahr vorbei. Das Virus mutiert. Wir müssen langfristig planen und Impfstoff-Produktionsstätten weltweit ausbauen. Diesen Technologieschub können wir übrigens auch für Routineimpfungen gegen Masern, Polio oder Tollwut gut nutzen", so Müller.
Ärztepräsident begrüßt Vorstoß für Aussetzung der Impfstoff-Patente
Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat den Vorstoß der USA für eine Aussetzung der Patente für Corona-Impfstoffe begrüßt. Das sei ein kluger und vernünftiger Weg, sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Die Aussetzung des Patentschutzes sei nicht nur eine Frage der Fairness und der Solidarität mit den ärmeren Staaten, "die ansonsten kaum eine Chance haben, ausreichend Impfstoff zu bekommen", so Reinhardt. Die Aussetzung sei auch in unserem eigenen Interesse. "Der bisherige Verlauf der Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, weltweit und unabhängig von der Wirtschaftskraft eines Landes möglichst schnell eine möglichst hohe Impfrate zu erreichen", so der Ärztepräsident. "Denn gerade dort, wo nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht, können sich besorgniserregende Virusmutationen entwickeln, vor denen die bisher entwickelten Vakzine möglicherweise nicht mehr ausreichend schützen", argumentierte er. Reinhardt forderte allerdings eine Vergütung für die betroffenen Pharmaunternehmen. "Die Hersteller müssen natürlich eine angemessene Entschädigung dafür bekommen, dass ihr geistiges Eigentum genutzt wird", sagte er. +++









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