U23-Frauen: Ein Abend voller Fußball-Freude

Foto: Lara Suffel/DFB

Es war ein stimmungsvoller Abend. Trotz des ungemütlichen Wetters tauchten Fulda, die Region und ganz Osthessen in ein emotionales Bad und Fußball-Erlebnis, das sie so schnell nicht vergessen werden. Diesen Donnerstag, diesen 23. Oktober 2025. Unterhaltung wurde groß geschrieben, und es kam Unterhaltungswert hinzu - als die jungen U23-Frauen des Deutschen Fußball-Bundes das Team Englands mit 5:0 (2:0) besiegten. Eines dürfte feststehen: Wiedersehen macht Freude.

Vieles läuft in die passende Richtung an diesem Abend. Rainer Martiker, der gewöhnlich seinem Job als Pressesprecher und Ansager in der Johannisau nachkommt, erreicht noch vor dem Spiel einige Herzen. So, als müsste so mancher in Deutschland daran erinnert werden. Er ruft zum Einhalten des Fair Play auf. „Bitte, vergesst das nicht“, appelliert er an die Zuschauer, „beide Mannschaften verdienen Respekt für Auftreten und Leistung“. Die Ansage in englischer Sprache folgt.Die Werbebanden des DFB leuchten. Der Rahmen stimmt. Ehe der sportliche Vergleich beginnt, sind die Vorbereitungen mit fetziger Musik unterlegt. Es ist was los in der Johannisau. Eindrücke und Gefühle kommen vorbei. So, als müsste man das gesehen und miterlebt haben. Mehr noch - und jetzt zählt der Sport: Nia Künzer, Direktorin für Frauenfußball beim DFB und ehemalige Weltmeisterin, sowie Michael Urbansky, Cheftrainer des U23, überreichen die Fritz-Walter-Medaille, die seit 2005 vergeben wird. Zwei Spielerinnen des Jahrgangs 2006 kommen in diesen Genuss. Künzer vergibt sie an Estrella Merino González von Bayer Leverkusen, Urbansky an Thea Farwick vom SV Meppen. Die Nationalhymnen folgen. Gänsehaut gibt es jetzt gratis.

Mit leichter und vierminütiger Verspätung beginnt die Partie. Sofort beschert sie Unterhaltung und nimmt Fahrt auf. Nach einem Fehler im Aufbau des „Teams Deutschland“ - wie Rainer Martiker offiziell betont, als solle eine Marketing-Depesche verbreitet werden -, hat das Team England die erste Chance, doch Maria Luisa Grohs, Keeperin des DFB-Teams, ist aufmerksam (4.). Für den Gastgeber besitzt wenig später auch die Bremerin Larissa Mühlhaus einen tollen Abschluss - aus zentraler Position. Die Zuschauer klatschen und sind mit dem frühen Schlagabtausch zufrieden. Bald darauf macht sich die Erkenntnis breit, dass England ein wenig Durchschlagskraft fehlt. Doch das Team von der Insel spielt geradlinig nach vorn, kämpft und ist stark im Umschalten. Die DFB-Vertretung versucht es mit Mittelfeld-Pressing, ist auf frühe Ballgewinne und -Eroberungen aus - und es stellt situativ höher zu, um seinen Kontrahenten zu Fehlern zu zwingen. Noch verteidigt England clever, steht gut und ahnt Situationen voraus. Ein interessantes Duell bahnt sich an.

Bis das Team Deutschland stärker, konsequenter und nachhaltiger wird. Erst geht Mara Albers Schuss knapp drüber (18.), Sekunden danach erreicht der tolle und vertikale Pass der Frankfurter Innenverteidgerin Jella Veit ihre Mitspielerin Lisa Baum - England indessen verteidigte dies aufopferungsvoll. Beim deutschen Team sind erstmals stimmige Abläufe erkennbar - und es geht in Minute 27 in Führung. Eine englische Abwehrspielerin spielt den Ball dort hin, wo man ihn nicht hin spielt, und nach einem Foul gibt es Elfer. Larissa Mühlhaus verwandelt erstmals. 1:0.

Nur drei Minuten später Ähnliches. Wieder ist ein vertikales Anspiel des DFB-Teams Auslöser und Vorbereiter - die englische Abwehrspielerin begeht einen Stellungsfehler, Mühlhaus trifft erneut, dieses Mal flach und platziert. Wieder einmal sind Druck und Gegendruck entscheidend. Deutsche Fahnen sind massenhaft zu sehen, und die Zuschauer bejubeln mittlerweile jede gelungene Aktion. Das Publikum zeigt sich von seiner besten Seite. Fulda zeigt sich von seiner besten Seite. Viel spricht dafür, dass sich auch Bürgermeister Dag Wehner, der auf der Haupttribüne Platz genommen hat, freut.

Die deutsche Mannschaft glänzt jetzt mit wiederholt guten Aktionen; viel Bewegung und Spiel ohne Ball sind dabei. Pech ist im Spiel, als Dillara Acikgöz‘ Abschluss - Rechtsverteidigerin von Eintracht Frankfurt - kurz vor der Linie gerettet wird (39.). Doch einen dicken Fehler im Aufbau legt sie hin, der, Gott sei Dank aus DFB-Sicht, nicht bestraft wird (40.). Und: noch bleibt das Spiel offen. Der Kopfball einer englischen Spielerin geht knapp drüber, während Lisa Baums kräftiger Abschluss für die englische Keeperin eine Chance ist, zu zeigen, wie stark sie ist. Erkennbar wird mehr und mehr, dass das DFB-Team zunehmend Tempo ins Spiel bringt - England auch dadurch seine Kompaktheit verliert.

Und dieser Faden liegt als Anknüpfungspunkt im zweiten Abschnitt bereit. Der Vergleich bleibt umkämpft bei zunehmenden Wind- und Regenböen. Bis, ja bis dem Team Deutschland nach knapp einer Stunde das 3:0 glückt. Fein kommt der Treffer in seiner Entstehung daher. Fein herausgespielt ist er. Und Sophie Weidauer von Union Berlin schließt ihn mit dem ersten ihrer beiden Tore ebenso schön ab. Es ist der zweite Ball - oder wie man früher sagte: Nachschuss. Dem seht lautstarken DFB-Team gelingen immer mehr klare Aktionen, die Spielidee ist klar erkennbar. Die Abläufe stimmen. Das Vorgehen ist durchdacht, mit Geschwindigkeit und strukturiert. Es macht einfach Spaß, in der Johannisau dabei zu sein und zuzusehen. Resolut und konsequent nutzt der Gastgeber jetzt die immer größer werdenden Räume aus.

England kämpft weiterhin tapfer - das Mühlhaus‘ 4:0 macht endgültig den Deckel drauf nach knapp 70 Minuten. Die weiblichen Three Lions bieten jetzt auch Räume in der eigenen Box an - und Mathilde Janzens 5:0 (72.) besiegelt einen Abend der Freude. Ein Erlebnis der Freude. Mit der jeder etwas geschenkt bekommt. Als Rainer Martiker die Zuschauerzahl von 3.129 verkündet, hat man für kurze Zeit das Gefühl, dass so mancher in der Johannisau ein bisschen ausflippt. Und träumt. „Ein Rekord bei den U23-Frauen“, sagte Martiker.

Unterdessen spiegelt sich die Zufriedenheit über das Spiel auch bei einem Stück Fußball-Prominenz wider, die Platz genommen hat. Das SMOG-Herz Erwin Maisch ist zu sehen, Dr. Silke Sinning, die Präsidentin des Hessischen Fußballverbandes - und eine „Hersfelder Delegation“. So haben Stefan Schiller und Reiner Birkel maßgeblich dafür gesorgt, dass das Team Deutschland in Bad Hersfeld trainieren und in Fulda spielen durfte und konnte. Auch Dragoslav Stepanovic, Trainer-Legende von Eintracht Frankfurt, war vor Ort. Auf die Frage, was ihm besonders gefallen habe, antwortete er knapp: „der Angriffsfußball der deutschen Mannschaft.“ Und eine Aussage des berühmtesten Gastes an diesem Abend, die durfte nicht fehlen.

Gemeint ist Shkodran Mustafi, Fußball-Weltmeister von 2014, derzeit Trainer der U21 des DFB und Experte beim Bezahlsender „Sky“. Am Sonntag war er noch an der Anfield Road und begleitete den Prestige-Kracher der Premier League zwischen dem FC Liverpool und Manchester United - am Donnerstagabend schaute er in der Johannisau vorbei. „Eine in weiten Spielphasen dominante deutsche Mannschaft, sowohl defensiv als auch offensiv“, sagt er, „sehr klar, sehr strukturiert. Solch ein Ergebnis gegen England ist schon ein Ausrufezeichen“. Eine wohltuend realistische Einschätzung von „Donny“ - so nannte man ihn früher. Er weiß halt im Gegensatz zu manch anderem, wo er herkommt.

Zurück blieb ein stimmungsvoller Abend. Auch bei fiesem Wetter ein Erlebnis. Mit Unterhaltungswert. Die Betonung liegt auf „Wert“.

Team Deutschland: Grohs - Dillara Acikgöz, Diehm, Veit, Gloning - Gräwe, Ilayda Acikgöz, Alber, Mühlhaus, Weidauer, Baum sowie Beck, Mickenhagen, Stegemann, Landenberger, Piljic, Steiner, Janzen, Boboy, Merino González, Vobian, Blumenberg, Farwick

England: Negri - Brown, Denton, Harbert, Silcock, Layzell, Enderby, Mc Loughlin, Goodwin, Brasero, Godfrey sowie Kirby, Cox, Gunning-Williams, Mullett, Simpson, Prior, Akpan, Ward, Lloyd-Smith, Rabjohn, Potter, Barry

Schiedsrichterin: Davina Lutz

Zuschauer: 3.129

Tore: 1:0 Larissa Mühlhaus (27., Foulelfmeter), 2:0 Larissa Mühlhaus (31., Foulelfmeter), 3:0 Sophie Weidauer (57.), 4:0 Sophie Weidauer (69.), 5:0 Mathilde Janzen (72.) +++ rl


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