
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Reformen Versäumnisse seiner Partei eingeräumt. "Natürlich sind uns Fehler unterlaufen", sagte Scholz dem "Spiegel". "Der Mindestlohn hätte von Anfang an Teil der Reformen sein müssen. Das war aber schwer durchsetzbar. Viele hatten damals noch die Hoffnung, die Gewerkschaften könnten die Frage der Lohngerechtigkeit allein regeln." Scholz äußerte sich in einem Doppelinterview mit der Autorin Julia Friedrichs. Sie beschreibt in ihrem Buch "Working Class" Menschen, die trotz harter Arbeit kein Vermögen aufbauen können. "Diese Umstände bedrücken mich, sie sind beschämend für unser Land", sagte Scholz. "Sie zeigen, dass ein Teil der bei uns geleisteten Arbeit nicht wertgeschätzt wird." Mit einer Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro "wäre ein großer Schritt getan". Der Bundesfinanzminister berichtete auch von eigenen Erfahrungen als Arbeitsrechtsanwalt in den Neunzigerjahren. "Die wenigsten Mandanten wollten damals nur, dass ich in den Verhandlungen möglichst viel für sie heraushole", sagte er. "Sie wollten erst mal, dass jemand ihre Seite hört und sie ernst nimmt. Das prägt mich bis heute, da kann ich nicht aus meiner Haut." +++
Alles was Herr Scholz so bejammert, haben SPD und Grüne damals angerichtet. Während der Hartz-Gesetzgebung sollte ein Mindestlohn etabliert werden, um das Lohndumping der Neoliberalen nicht ins Bodenlose fallen zu lassen. Allerdings haben sich damals die in der Hartz-Kommission sitzenden Unternehmensberater und die Vertreter der Unternehmerverbände mit aller Kraft dagegen zur Wehr gesetzt und sich auch schließlich beim Genossen der Bosse (Schröder) durchgesetzt. Wenn Scholz nun fabuliert, ein Mindestlohn sei damals nicht durchsetzbar gewesen, sollte er auch Ross und Reiter nennen, an denen dies gescheitert ist. Den Gewerkschaften jetzt alles in die Schuhe zu schieben, ist zu billig, weil die Hartz-Gesetzgebung insgesamt die Gewerkschaften sehr geschwächt hatten. Seit dem machen so manche Unternehmen ihren Angestellten klar, wenn sie nicht spuren, landen sie bald in Hartz IV. Und wer will das schon. Ein besseres Druckmittel gegen ihre eigene Wählerklientel konnte die SPD seinerzeit den Arbeitgebern nicht schenken.