
Der Sozialrechtler Udo Geiger widerspricht dem Vorstoß von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, EU-Ausländern mit Minijob Bürgergeld zu streichen. "Eine Regelung, die nur Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten beträfe, verstößt gegen die EU-Gründungsverträge", sagte Geiger dem "Handelsblatt". "Dann müssten auch deutsche Minijobber von Bürgergeld-Leistungen ausgeschlossen werden." Die Diskussion sei "nicht seriös", kritisierte der Mitautor eines Kommentars zum Sozialgesetzbuch II.
"Wenn EU-Staaten mit einem gering entwickelten Sozialsystem in die EU aufgenommen werden, ist Armutsmigration eine zwangsläufig in Kauf genommene Folge, aber kein Unrecht", sagte Geiger. Das sei seit Jahren bekannt. "Das aktuelle Narrativ, dass darüber nun endlich mal geredet werden müsse, ist also schlicht falsch, wenn man an einer sachlichen Diskussion interessiert ist."
Bisher sei der Gesetzgeber auch nie aktiv geworden, "weil das gar nicht nötig ist". Es sei "völlig unstrittig, dass Personen, die eine geringfügige Tätigkeit nur als Vehikel für ergänzende Sozialleistungen ausüben, kein Freizügigkeitsrecht haben und damit auch kein Anspruch auf Bürgergeld". Das könnten Jobcenter ohne weiteres nachweisen, indem sie entsprechende Jobs anböten oder Bewerbungen auf Vollzeitstellen anforderten.
Auch sei kein Jobcenter gezwungen, überhöhte Mieten in Schrottimmobilien zu übernehmen. Es könne sich Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen und Kontoauszüge vorlegen lassen und den Außendienst zur Kontrolle in die Immobilen schicken. Das Problem, dass Minijobs einen Anreiz bieten, nur geringfügig zu arbeiten, um ergänzend Bürgergeld zu bekommen, gelte für EU-Ausländer und Deutsche gleichermaßen. Daher "sollten wir darüber nachdenken, Minijobs generell abzuschaffen", so Geiger.
Bas zeigt sich bei Bürgergeld-Reform optimistisch
Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) ist ungeachtet der Differenzen in der Koalition beim Bürgergeld optimistisch, dass ihr Gesetzentwurf dazu durch das Kabinett geht. "Erstmal geht es darum, dass wir eine politische Einigung finden zwischen den Koalitionspartnern", sagte Bas am Dienstag dem TV-Sender "Welt" am Rande der Kabinettsklausur. "Der Gesetzentwurf kommt natürlich aus meinem Haus", sagte die Ministerin weiter. "Und deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im Oktober mit einem Gesetzentwurf dann auch ins Verfahren gehen."
Das gemeinsame Ziel sei, denen zu helfen, "die wirklich die Hilfe brauchen, die wieder Fuß fassen sollen auf dem Arbeitsmarkt", sagte Bas. "Das ist die größte Ersparnis, nämlich die Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Und auf der anderen Seite die, die nicht mitmachen wollen, ganz klar auch zu sanktionieren." Dazu gebe es verschiedene Instrumente, zu denen sie aber öffentlich nichts sagen wolle, da der Gesetzentwurf noch nicht vorliege. Sie verwies aber darauf, dass sich "die Jobcenter-Mitarbeiter handhabbare Sanktionen und Mitwirkungspflichten wünschen, die sie auch besser umsetzen können".
Die komplette Streichung der künftigen Grundsicherung kann sich die Ministerin in extremen Fällen vorstellen. "Wenn wir Erkenntnisse haben, dass jemand überhaupt nicht mehr auffindbar ist - es gibt ja viele Beispiele -, dann werden wir natürlich auch die finanzielle Unterstützung streichen." Das sei auch eine Frage der Gerechtigkeit aus Sicht derjenigen, die mitwirkten und alles auch korrekt machten. +++
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