Wiesbaden. „Wenn Großbritannien sich an grundlegende Prinzipien nicht mehr halten will, die das Land und Europa über Jahrzehnte gemeinsam erfolgreich gemacht haben, ist ein harter Schnitt die einzig logische Folge“, kommentiert Europaministerin Lucia Puttrich die Grundsatzrede der britischen Premierministerin. Theresa May hatte am Dienstag angekündigt, sie strebe bei den Brexit-Verhandlungen eine komplette Trennung von der Europäischen Union und das Ausscheiden aus dem Binnenmarkt an. Unter anderem will die britische Regierung den Zuzug von EU-Bürgern nach Großbritannien begrenzen können. „Auch wenn jetzt etwas mehr Klarheit besteht, interessieren mich aber letztlich keine Ankündigungen, sondern Taten“, sagt Puttrich weiter. Dazu müsse die britische Regierung endlich den Austrittsprozess in Gang setzen. „Dann wird verhandelt, und am Ende steht ein Ergebnis.“
Puttrich plädiert bei den anstehenden Gesprächen für einen konstruktiven Ansatz und zugleich für eine klare Linie: „Die Europäische Union ist immer dann erfolgreich, wenn sie geschlossen handelt und entschlossen für ihre Grundwerte eintritt. Das brauchen wir gerade jetzt. Andernfalls zerstören wir Europa, und es gibt Kreise, die darauf aus politischen oder wirtschaftlichen Interessen setzen.“ So sei die Freizügigkeit von EU-Bürgern innerhalb der Union ein Grundprinzip und die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg vieler Unternehmen – gerade auch in Hessen. „Ich halte andererseits nichts davon, wenn wir jetzt einen Rosenkrieg anfangen. Wir wollen und müssen auch in Zukunft konstruktiv miteinander umgehen. Großbritannien ist unter anderem Nato-Mitglied und ein wichtiger europäischer Partner in Sicherheitsfragen.“
Puttrich erwartet schwierige und zähe Verhandlungen, bei denen sich die EU keinesfalls auf faule Kompromisse mit den Briten einlassen dürfe. Wenn Großbritannien den „harten Brexit“ wolle, werde es von der EU so behandelt wie andere Drittstaaten ohne besonderen Status. Eine Vielzahl von Vereinbarungen, die jetzt durch die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft definiert sind, müssten dann neu verhandelt werden, von Zöllen über Telefongebühren über bis zu Studienmöglichkeiten. Das müsse konstruktiv geschehen, aber auch klar in der Sache.
„Der Brexit wird jeden einzelnen Menschen in Europa betreffen“, sagt Puttrich weiter, „und ich bin fest davon überzeugt, dass weder die EU noch Großbritannien am Ende besser dastehen werden als jetzt. Es geht darum, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Aber zu glauben, am Ende stünde eine Win-win-Situation, ist ein Trugschluss.“ Hier sieht die hessische Europaministerin auch ihre Aufgabe. Gemeinsam mit ihren Kabinettskollegen Thomas Schäfer und Tarek Al-Wazir koordiniert sie die Aktivitäten der hessischen Landesregierung rund um den Brexit. Dabei geht es unter anderem um eine mögliche Verlagerung der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) von London nach Frankfurt. Weil der Großraum Rhein-Main zudem verstärkt für Banken und andere Unternehmen als Standort in der EU interessant sein kann, spricht sich das Land mit dem Nachbarn Rheinland-Pfalz ab. „Hessen hat sich den Brexit nicht gewünscht. Aber nun sehen wir ihn auch als Chance für unser Bundesland.“
Puttrich sieht Hessen auch bei der Ausgestaltung des künftigen Verhältnisses zu Großbritannien gefragt. „Wir gehen im Moment davon aus, dass wir mindestens bei der Definition der künftigen Beziehungen formell eingebunden sein werden. Da muss aller Voraussicht nach der Bundesrat zustimmen.“






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