
Wer Eindrücke von der Buchmesse gewinnen und darüber berichten möchte, sollte mit einem klaren Ziel vorgehen: ein oder zwei Themen in den Fokus nehmen, aktuelle Informationen sammeln und gleichzeitig die Vielfalt des Angebots auf sich wirken lassen. Überraschungen bleiben dabei jedoch nicht aus – wie sich auch in diesem Jahr zeigte.
Ein zentrales Thema war die Bildung des Nachwuchses und insbesondere die Lesekompetenz junger Menschen. Aktuelle Studien, darunter auch die PISA-Ergebnisse, zeichnen ein eher düsteres Bild. Neben Defiziten im Leseverständnis wird häufig auch eine mangelnde Konzentrationsfähigkeit bei Jugendlichen festgestellt. Schnell wird dafür die Digitalisierung verantwortlich gemacht – vor allem die intensive Nutzung von Smartphones, die längst zum festen Bestandteil des Alltags geworden sind.
Auf der diesjährigen Buchmesse war allerdings zu beobachten, dass Jugendliche wieder vermehrt zum Buch greifen. Besonders beliebt sind derzeit die Genres „Dark Romance“ und „Young Adult“. Ob diese Vorlieben tatsächlich zur Verbesserung der Lesekompetenz beitragen, bleibt offen.
Im Forum Bildung in Halle 3.1. fand zu diesem Themenkomplex eine Diskussionsrunde statt, an der die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, der Vorsitzende des Verbands Bildungsmedien e.V. sowie der Hessische Kultusminister Armin Schwarz teilnahmen. Grundsätzlich wurde die Digitalisierung in Schulen positiv bewertet, jedoch auch auf bestehende Probleme hingewiesen. So variiere die technische Ausstattung – etwa bei Hardware, WLAN-Verbindungen und Software – stark zwischen den Bundesländern. Auch in Hessen gebe es Defizite, räumte der Kultusminister ein, verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Schulträger und betonte, dass ausreichende finanzielle Mittel für die digitale Ausstattung bereitstünden.
Einigkeit bestand darüber, dass private Handys nicht in den Unterricht gehören. Hessen habe dafür bereits die rechtlichen Grundlagen geschaffen, was die Experten begrüßten. Dennoch sei es wichtig, Verbote nicht nur zu erlassen, sondern durch Aufklärung und Überzeugungsarbeit Akzeptanz zu schaffen.
Die Fachleute wiesen außerdem darauf hin, dass sich viele Schülerinnen und Schüler in einer schlechten mentalen Verfassung befänden. Neben schwacher Lesekompetenz zeigten sie auch Defizite in den sogenannten MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ob sich diese Situation künftig verbessert, bleibt fraglich. Denn laut den Diskussionsteilnehmenden sei ein Rückgang gut ausgebildeter Lehrkräfte zu verzeichnen.
In diesem Zusammenhang erneuerte die Vertreterin des Deutschen Philologenverbands die Forderung, die Ausbildungszeit im zweiten Staatsexamen zu verkürzen. In Hessen dauert sie derzeit 21 Monate, während in den meisten anderen Bundesländern 18 Monate üblich sind. Kultusminister Schwarz verteidigte jedoch die längere Ausbildungszeit und verwies auf die Qualität der Lehrerausbildung. Zudem forderten die Diskutierenden, Quereinsteiger im Lehramt besser zu qualifizieren, da auf sie künftig nicht verzichtet werden könne.
Das Fazit der Diskussion fiel ernüchternd aus: Viel Redebedarf, neue Erkenntnisse, aber kaum Fortschritte. So blieb bei der bildungspolitischen Debatte der Eindruck, dass trotz intensiver Diskussionen konkrete Verbesserungen nicht in Sicht sind.
Eine unerwartete Überraschung bot sich beim Rundgang über das Messegelände: Am Stand des Deutschen Bundestags herrschte reger Betrieb, denn Bundestagspräsidentin Julia Klöckner stattete der Buchmesse einen Besuch ab. Ihr Auftritt am Stand des Bundestags war Teil ihrer offiziellen Aufgaben.
In ihrer Ansprache ging Klöckner zunächst auf die Ausübung ihres Amtes ein und nahm Stellung zu jüngster Kritik. Zum Thema Regenbogenfahne – die erstmals nicht zum Christopher Street Day am Bundestag gehisst wurde – erklärte sie, dass es sich dabei um keine inhaltliche Entscheidung, sondern um eine formale Maßnahme gehandelt habe. Sie betonte, dass sie zwar kein politisches Neutrum sei, jedoch Wert auf eine überparteiliche Amtsführung lege.
Im anschließenden Interview mit Mitarbeitern des Bundestags sprach Klöckner über die jüngst geänderte Geschäftsordnung, insbesondere über die Erhöhung der Ordnungsstrafen. Der Ton im Parlament sei rauer geworden, die Zahl der Ordnungsrufe habe zugenommen. Ursache dafür sei die zunehmende Blockbildung – auf der einen Seite die AfD, auf der anderen die Linke. Diese Entwicklung schade der Debattenkultur, die eigentlich von inhaltlicher Auseinandersetzung und nicht von ideologischen Fronten geprägt sein sollte.
Zum Abschluss ihrer Ausführungen betonte Klöckner, dass Politikerinnen und Politiker ein Spiegelbild der Gesellschaft seien. Daher sei es Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen und sie aktiv zu stärken. Mit Blick auf die Buchmesse appellierte sie, Kinder frühzeitig an Bücher heranzuführen. Vorlesen sei dabei ein wirksames Mittel, um Begeisterung für das Lesen zu wecken. +++ hjt
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