
Inzwischen haben die Wähler in den drei Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg ihr Votum abgegeben. Neben dem Wahlergebnis ist natürlich auch interessant, wie die Parteien darauf reagieren und welche Schlüsse daraus gezogen werden. So viel lässt sich jetzt schon sagen: Die Begründungen und Argumente der Betroffenen sind teilweise unlogisch und an den Haaren herbei gezogen.
Bevor ich damit beginne, hier noch einmal die Ergebnisse der großen Parteien im Überblick:
Partei | Brandenburg | Sachsen | Thüringen | |||
CDU | 12,1 % | - 3,5 % | 31,9 % | - 0,2 % | 23,6 % | + 1,9 % |
SPD | 30,9 % | + 4,7 % | 7,3 % | - 0,4 | 6,1 % | - 2,1 |
AfD | 29,2 % | + 5,7 % | 30,6 % | + 3,1 % | 32,8 % | + 9,4 % |
BSW | 13,5 % | + 13,5 % | 11,8 % | + 11,8 % | 15,8 % | + 15,8 % |
Die SPD verkauft das positive Wahlergebnis in Brandenburg als Erfolg und spricht von einem Motivationsschub für den Bundestagswahlkampf. Verschwiegen wird aber, dass Ministerpräsident Woidke die gesamte Führungsspitze der SPD aus seinem Wahlkampf herausgehalten hat. Er wollte eben keine negativen Effekte in Kauf nehmen müssen. Kühnert sprach von einem guten Vorbild. Das Erschütternde dabei ist jedoch, dass 75 Prozent der SPD-Wählerinnen und -Wähler mit ihrer Partei nicht zufrieden sind, sie aber trotzdem gewählt haben, um die AfD zu verhindern. Das bedeutet im Klartext, wenn also dieser Effekt berücksichtigt wird, dass die SPD in Brandenburg auf nur sage und schreibe 23,2 % gekommen wäre. Im Übrigen gilt das für die anderen Länder gleichermaßen. Kanzler Scholz kommt generell schlecht weg. Etwa 75 % der Wähler in allen drei Bundesländern empfinden, dass der Bundeskanzler seiner Führungsverantwortung nicht gerecht wird. Bei den SPD-Anhängern sagen das sogar 43 %.
Zusammen kommt die Bundesregierung bestehend aus SPD, Grünen und FDP nicht mal mehr auf 30 % - wie gesagt, alle drei Parteien gemeinsam.
Notiz am Rande: Woidke verpasste die Verteidigung seines Direktmandates Im Wahlkreis Spree-Neiße I.
Die CDU hat sich als Wahlverlierer fair verhalten, Carsten Linnemann gratulierte Woidke zu dem Wahlsieg und Jan Redmann sprach von einer bitteren Niederlage. In allen drei Ländern hat die CDU nicht besonders gut abgeschnitten. In Brandenburg besonders schlecht. Erinnern wir uns an die Worte von Friedrich Merz, den Marktanteil der AfD halbieren zu wollen. Nun ist die AfD in Brandenburg 2,5-mal so stark wie die CDU. Nur in Sachsen ist die CDU gleichauf mit der AfD, in Thüringen trennen die Parteien rund 10 %. Wahltaktisch hat sich die CDU/CSU vor der Wahl in Brandenburg auf den Kanzlerkandidaten Merz geeinigt. Dies sollte für die CDU den nötigen Rückenwind bringen. Hat es aber nicht. Und wenn man bedenkt, dass bei der Brandenburg Wahl 59 % der CDU-Anhänger gesagt haben, sie hätten die Partei nur gewählt, um einen Sieg der AfD zu vermeiden, dann ist das absolut erschreckend. Denn ohne diese Absicht käme die CDU nur noch auf 7 Prozent! In Sachsen waren es 52 %, die die CDU aus diesem Grund gewählt haben, in Thüringen 55 %, also in ähnlichem Ausmaß. Angeblich soll das Wahlergebnis in Brandenburg auch an der Polarisierung zwischen SPD und AfD gelegen haben. Das ist schlichtweg falsch, denn die Analysen sagen etwas anderes.
Notiz am Rande: CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann hat in seinem Wahlkreis Ostprignitz-Ruppin I das Direktmandat verpasst.
Interessant wird es mit dem BSW. Wird es in den drei Bundesländern mitregieren? Bildet die CDU oder die SPD diese Partei in eine Regierung mit ein? Fakt ist, dass die Funktionsträger des BSW aus der Linken kommen. Mit der Linken gibt es allerdings einen Unvereinbarkeitsbeschluss seitens der CDU. Wagenknecht hätte linksextreme und rechtsextreme Positionen und wäre damit nicht für eine Koalition geeignet, so die CDU. Allerdings soll das nur für den Bund gelten, nicht für die Länder. Dies ist schon eine sehr merkwürdige Argumentation. Die Frage, die sich aufdrängt: Ist das BSW ein trojanisches Pferd? Wird ein BSW geduldet und eventuell sogar gefördert, um die AfD zu verhindern? Meines Erachtens wird sowohl die SPD wie auch die CDU einen Mitgliederschwund und einen Niedergang erleben, wenn sie sich auf eine Zusammenarbeit mit dem BSW einlassen. Sarah Wagenknecht wird sich eine Beteiligung teuer bezahlen lassen und im Hintergrund wird Oskar Lafontaine die Fäden ziehen. Erstaunlich ist es schon, dass Wagenknecht in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen hat, um die Altparteien in massiver Weise zu kritisieren und nun bereit ist für Bündnisse mit eben diesen. Im Übrigen war es auch sie, die zu einem „ordentlichen“ Umgang mit der AfD mahnte.
Zur AfD ist zu sagen: In allen drei Bundesländern hat sie ihr Wahlergebnis verbessern können. Die AfD sei keine Nazi-Partei, sagte Ex Bundespräsident Gauck gestern bei Caren Miosga. An dieser Stelle möchte ich nicht falsch verstanden werden. Natürlich gibt es unmögliche Elemente bei der AfD. Aber festzuhalten ist, dass alle Parteien und überwiegend auch die Medien die AfD kontinuierlich kritisieren und keine Gelegenheit auslassen, um Verfehlungen anzuprangern und zu veröffentlichen. Inzwischen ist die Aggressivität gegenüber Funktionsträgern der Grünen und der AfD am höchsten ausgebildet. Alle – Parteien wie Medien – tun sich jedoch keinen Gefallen damit, diese Partei täglich zu diffamieren. Das fördert lediglich die Wagenburg-Mentalität und die Opferrolle. Das, was zu kritisieren ist, kann ja durchaus thematisiert werden. Aber es mutet schon ein wenig skurril an, wie oft und in welcher Form das passiert. Und wenn Medien sich auch noch dabei der Lächerlichkeit aussetzen, ist das wenig hilfreich. So wie bei der ARD-Sendung „Die 100 – was Deutschland bewegt“. Wenn man hinterher erfährt, dass dort ein Komparse aufgetreten ist. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Mehr Objektivität würde guttun. Abschiebesongs auf der Wahlparty sind nur geschmacklos. Dagegen verstehe ich die Aufregung nicht, wenn die AfD einen sogenannten Kubotan verschenkt. Und noch einmal, damit mir nicht Sympathie unterstellt werden kann: Auch ich halte etliche Äußerungen und Auftritte für absolut unsäglich und unerträglich.
Hinweis: Der AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt hat mit 39,3 Prozent das Direktmandat in seinem Wahlkreis Dahme-Spreewald III geholt.
Letztlich zur FDP. FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki hält ein baldiges Ende der Ampelkoalition im Bund für möglich. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai blieb in der Berliner Runde eher nebulös. Er hatte auch keinen leichten Stand und ist Fragen nach einem Ende der Ampelkoalition im Bund ausgewichen beziehungsweise hat diese sibyllinisch beantwortet. Es gehe darum, die Probleme zu lösen. Bundespolitische Themen hätten die Wahl in Brandenburg entschieden. „Deswegen wird es auch jetzt ein Herbst der Entscheidung geben.“ Da sind wir mal gespannt.
Wolfgang Kubicki erklärte, für die FDP und ihre Wähler seien die Ampel und die Grünen toxisch. Doch müsse die Partei nicht unmittelbar den Stecker ziehen. „Die Entscheidungen werden in diesem Herbst fallen und ich glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht“, sagte Kubicki am Sonntag in „Welt TV“. Auch diese Aussage lässt Interpretationsspielraum zu.
Auf jeden Fall werden alle Parteien heute über die Ergebnisse beraten und entsprechende Schlüsse ziehen. Für die Bundestagswahl verheißt das alles nichts Gutes. Vor allem die Ampel-Koalitionäre werden harte Gespräche führen, denn 84 % der Bevölkerung sind zwischenzeitlich mit der Ampel unzufrieden oder überwiegend mit deren Arbeit unzufrieden.
Allen Altparteien fehlen – bundesweit gesehen – nun über 38 % der Stimmen. Das ist die Summe aus den durchschnittlichen Ergebnissen von AfD (20 %), dem BSW (10 %) und den Sonstigen (etwa 8 %). Für eine Demokratie stark bedenklich, wenn knapp 40 % der Stimmen kein Gehör mehr finden. Prognose für die Bundestagswahl 2025 – natürlich immer unter der Voraussetzung, dass nichts Gravierendes in der Zeit bis dahin passiert: Die CDU wird über 33 % nicht hinauskommen, die SPD nicht über 16 %, die FDP nicht über 4 % und die Grünen nicht über 11 %. Also dürfen wir uns jetzt schon auf eine Neuauflage der großen Koalition gefasst machen. Keine besonders prickelnde Aussicht. Herzliche Grüße Klaus H. Radtke. +++