Hessischer Handel und Gastgewerbe setzen vor Kommunalwahlen auf politische Impulse

Der Handel und das Gastgewerbe zählen in Hessen zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen: Gemeinsam stehen sie für rund 25 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes, erwirtschaften 69,8 Milliarden Euro Jahresumsatz, beschäftigen 285.000 Menschen und umfassen 36.500 Betriebe. Vor den Kommunalwahlen 2026 haben der DEHOGA Hessen und der Handelsverband Hessen am 6. November zu einem Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der hessischen Spitzenpolitik eingeladen. Im Hotel Oranien in Wiesbaden diskutierten Dr. Josefine Koebe (SPD), Dr. Thorsten Lieb (FDP), Julia Frank (Bündnis 90/Die Grünen) und Tanja Jost (CDU) über notwendige Weichenstellungen für die kommenden Jahre.

Beide Branchen sehen sich nach herausfordernden Zeiten optimistisch, zugleich aber mit unverändert großen Hürden konfrontiert. Arbeitskräftemangel, eine zunehmende Bürokratiebelastung sowie die Belebung der Innenstädte bleiben zentrale Themen, die über Wachstum und Stabilität entscheiden. Robert Mangold, Präsident des DEHOGA Hessen, betonte, wie wichtig der Dialog mit Politik und Kommunen sei, um Perspektiven zu schaffen. Während der Corona-Lockdowns sei deutlich geworden, wie „systememotional“ das Gastgewerbe sei: Es habe an öffentlichen Wohnzimmern gefehlt – Orten des Austauschs, des Genusses und der „Seelenzufriedenheit“. Zur Sicherung dieser Funktionen brauche es wirksame Förderprogramme für Innenstädte und ländliche Räume, den Verzicht auf „hoch-bürokratische Bagatellsteuern“ wie die Verpackungssteuer sowie eine stabile Finanzierung touristischer Infrastruktur über einen Tourismusbeitrag.

Auch der Handel fordert klare Signale aus der Kommunalpolitik. „Wenn die politisch Verantwortlichen in den Kommunen die Innenstädte stärken wollen, wird ihnen das nur im Schulterschluss mit Gastronomie, Hotellerie und insbesondere dem Handel gelingen“, sagte Jochen Ruths, Präsident des Handelsverbands Hessen. Der Handel brauche künftig mehr Gestaltungsfreiheit an Sonntagen, sonst blieben andere Maßnahmen zur innerstädtischen Belebung wirkungslos. Zugleich verwies Ruths darauf, dass beide Branchen zuverlässige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler seien. Angesichts des Arbeitskräftemangels müssten Städte und Gemeinden die Erreichbarkeit ihrer Standorte verbessern und für ausreichend bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Im politischen Austausch zeigten die vertretenen Parteien unterschiedliche Perspektiven, aber auch gemeinsame Problemanalysen. SPD-Generalsekretärin Koebe sprach sich für einen kritischeren Umgang mit Bürokratie aus: Bürokratien könnten vor Willkür schützen, würden aber überhandnehmen, wenn nicht häufiger gefragt werde, wofür bestimmte Regelungen überhaupt nötig seien. Es brauche eine Abkehr von einer „Vollkasko-Mentalität“ hin zu mehr Mut, Dialog und einer neuen Fehlerkultur.

FDP-Landesvorsitzender Lieb bezeichnete Bürokratie hingegen als immer stärkere Bremse unternehmerischer Freiheit. Es sei ein grundlegender Mentalitätswandel erforderlich – hin zu mehr Vertrauen in verantwortungsbewusste Entscheidungen von Unternehmerinnen und Unternehmern.

Die CDU-Landtagsabgeordnete Jost hob Sicherheit, Sauberkeit und schnelle Genehmigungsverfahren als zentrale Faktoren hervor, um auf verändertes Kundenverhalten zu reagieren. Eine ausgewogene Verkehrspolitik sei ebenfalls notwendig: Die Umwidmung ganzer Straßenzüge zu Fahrradstraßen ohne Einbindung der ansässigen Betriebe könne Existenzgrundlagen gefährden und Umsätze verringern.

Julia Frank, Co-Vorsitzende der Grünen, betonte schließlich die Bedeutung der Innenstädte als Orte des Miteinanders. Damit sie lebendig bleiben, brauche es klimafreundliche Mobilität, attraktive Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie und Raum für kreative Konzepte.

Mit Blick auf die Kommunalwahlen 2026 formulierten die beiden Verbände konkrete Erwartungen an die Politik. Sie fordern schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren, mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, mutige Entscheidungen zur langfristigen Stärkung der Standortattraktivität sowie bessere Möglichkeiten für die Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften. +++


Popup-Fenster

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*