
Gläserzell. Wenn in einem Dorf, oder wie in diesem Fall einem Stadtteil, die Nachricht die Runde macht, dass Asylbewerber in ein leer stehendes Haus einquartiert werden sollen, sorgt das erst einmal für Unsicherheit bei der Bevölkerung. So auch in Gläserzell. Bei einem Informationsabend im Bürgerhaus wurden am Donnerstagabend die Pläne des AWO-Projektes vorgestellt. Zu der Veranstaltung waren etwa 100 Gläserzeller gekommen. Laut AWO soll das Projekt in Gläserzell ein „Zuhause“ für Asylbewerber, Asylbewerberinnen und Flüchtlinge aus aller Welt sein.
Wie die AWO mitteilte, sei man vor einem viertel Jahr vom Besitzer des Hauses angerufen worden. Dieser habe mitgeteilt, dass er das Haus verkaufen wolle und ob das nicht ein Thema für Flüchtlinge sei, er habe auch schon Kontakt mit dem Landkreis aufgenommen. Anschließend habe man sich das Objekt gemeinsam mit den Verantwortlichen des Landkreises angeschaut und sei zu dem Schluss gekommen, dass das Projekt ziemlich gut passen würde. Das Haus sei gut für Wohnprojekte geeignet, da es über fünf abgeschlossene Wohneinheiten verfüge. Der Landkreis habe es für gut befunden, dass man als Wohlfahrtsverband in ein solches Projekt mit einsteige. Das gesamte Objekt biete für die AWO einige interessante Aspekte. Die Renovierung und Instandhaltung des Hauses könne im Rahmen des Beschäftigungsprojektes erfolgen. Auch das große Grundstück könne in einem Gartenbauprojekt gestaltet werden. Unter anderem sei es vorstellbar, in dem Haus ein Büro für einen Mitarbeiter der AWO einzurichten, der vor Ort für Beratung und Sorgen der Bevölkerung als Ansprechpartner diene. Der AWO sei es wichtig, die Asylbewerber etwa über die Vereine aktiv ins Dorfleben einzubinden. Zudem könnten regelmäßige Sprechstunden angeboten werden, um über den aktuellen Verlauf zu sprechen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Ein Projekt in dieser Konzeption werde schon am Aschenberg durchgeführt, und dort laufe es ziemlich gut, so die AWO. Das Haus in Gläserzell solle schrittweise renoviert und bis Ende des Jahres belegt werden, wobei die ersten Bewohner schon Ende Juli einziehen sollen.
Die Menschen in Gläserzell seien nicht ausländerfeindlich, betonten viele der Anwesenden auf der Veranstaltung. Vielmehr mache man sich Sorgen, ob das Haus für die Zwecke geeignet sei. Das Objekt stehe im Altdorf von Gläserzell und war durch einen Einsturz des Fundamentes und Teile der Fassade auch schon in den Medien. Auf die Frage, wie man nun auf die Idee käme, dass das Haus bewohnbar sei, sagte der AWO-Mitarbeiter, dass die Schäden fachmännisch wiederhergestellt worden seien und auch vom Bauamt der Stadt Fulda abgenommen worden. Viele Bewohner des Stadtteils halten das Haus im derzeitigen Zustand schlichtweg für unbewohnbar. Wie ein Anwohner, der in der Nähe des Objektes wohnt, schilderte, habe er über zwei Jahre hinweg Investoren und Bauunternehmer ein und aus gehen sehen. Alle hätten eines gemeinsam gehabt, sie hielten das Haus für nicht sanierfähig, so der Mann. Er frage sich, wie die AWO das Haus sanieren wolle, wenn doch die ehemaligen Bewohner glücklich seien, endlich aus dem nassen und schimmligen Haus heraus zu sein. Wie Adriana Oliviera von der AWO sagte, existierten auch Gutachten, die bestätigten, dass das Haus in Ordnung sei und Menschen darin untergebracht werden könnten. Wie eine anwesende Pathologin anmerkte, erkrankten auf der Welt jedes Jahr 200.000 Menschen an Aspergillose – eine Erkrankung durch bestimmte Schimmelpilze – 30 bis 35 Prozent stürben daran. Es sei geradezu gefährlich, Familien mit kleinen Kindern in Häuser mit Schimmelpilz wohnen zu lassen. Mehrere Anwesende waren sich einig, dass das Vorhaben der AWO unverantwortlich sei. Vielmehr sollte sich die AWO doch Gedanken darüber machen, warum das Haus über Jahre hinweg weder vermietbar war noch verkauft werden konnte, und vor allem, warum wohl der Vorbesitzer auf die AWO zugekommen sei.
Mit Blick auf das ehemalige Hotel in Gläserzell bemerkte ein Teilnehmer, dass man mit Asylanten nicht immer die besten Erfahrungen gemacht habe. Natürlich habe man Bedenken, meinte eine Frau, welche Menschen in das Haus kämen, doch dies sei völlig normal. Eine weitere Anwohnerin äußerte ebenfalls Vorbehalte und mache sich Gedanken um ihre Kinder. Man solle die Menschen nicht schon verurteilen, bevor sie überhaupt da wären, kritisierte ein ausländischer Mitbürger. Asylbewerber seien nicht gleichzusetzen mit Gefahr und würden bestimmt bereit sein, sich zu integrieren, wenn man sie nicht ausgrenze. Die Menschen, die der Landkreis aufnehmen müsse, sollten über den gesamten Landkreis verteilt sein, damit nicht alle in einem Dorf wohnten. Adriana Oliviera betonte, dass ein möglichst friedliches Zusammenleben angestrebt werde. Dass es die ein oder andere Beschwerde geben werde, sei nicht auszuschließen. Die AWO habe die Absicht, das Projekt so gut wie möglich zu machen. Sollten Familien mit Kleinkindern in das Haus aufgenommen werden, so würden diese auch von Anfang in die Kita oder Schule gehen.
Bei der Veranstaltung war auch der Sachgebietsleiter Thomas Orf vom Landkreis Fulda anwesend. Er kenne alle Argumente, die bei solchen Veranstaltungen vorgetragen werden. Nach einigen Wochen der ersten Begegnung würde sich das alles normalisieren. „Sie haben jetzt einfach Angst vor dem Fremden, ich auch“, sagte Orf. Er habe über den Landkreis Fulda in Tann eine Pension angemietet und sich damit nicht nur Freunde in seinem Wohnort gemacht. Dort seien 60 Personen untergebracht und es kämen nur positive Rückmeldungen. Wie Orf weiter sagte, habe man keine Möglichkeit, einzugreifen, wer in die Unterkünfte komme. Eine Woche vorher würden die Namen der Asylbewerber bekannt gegeben, und erst einen Tag vorher erhalte man die endgültige Liste. Dann müsse man schauen, in welcher der 15 Gemeinschaftsunterkünfte die Bewerber nach Herkunftsländern untergebracht werden können. „Welchen Glauben die Asylbewerber haben, erfahren wir erst, wenn die Menschen vor uns stehen“, so Orf. Ein Asylverfahren – von der Antragstellung bis zur Entscheidung – dauere oft bis zu 18 Monaten. Ausnahmen seien hier im Moment die Syrer, die in der Regel schon nach drei Monaten anerkannt würden. 2010 hatte man bei den Asylbewerbern die niedrigste Zahl (etwa 200), aktuell liege man bei 700. „Bundesweit gehen wir wieder in die 90er-Jahre, als wir 450.000 Asylbewerber hatten.“ Orf fügte noch hinzu, dass Gläserzell für den Landkreis ein Musterobjekt sei. Zur Diskussion um die Beschaffenheit des Gebäudes sagte der Sachgebietsleiter, dass man viele Objekt habe, die mit Schimmel zu kämpfen hätten. Dies liege aber nicht an der Beschaffenheit der Gebäude. Die Probleme kämen vom falschen Lüften und Heizen. Fazit der Veranstaltung ist: Die Gläserzeller sind nicht grundsätzlich gegen das Projekt, haben aber ihre Bedenken. +++ fuldainfo
Hinterlasse jetzt einen Kommentar