Fahrradklima-Test in Hessen - Die meisten Städte haben großen Nachholbedarf

Trotz mäßiger Gesamtnoten ragen Frankfurt am Main (Note 3,72) und Wiesbaden (3,92) mit ihrem Fahrradklima derzeit in Hessen heraus. Die beiden größten Städte des Bundeslandes erringen beim deutschlandweiten ADFC Fahrradklima-Test 2020 den Titel als beste "Aufholer" in ihrer jeweiligen Städtekategorie, weil sie sich im Vergleich zum Jahr 2018 klar verbessert haben. Auf den absolut besten Notenwert in Hessen kommt Baunatal (2,39). Den Fahrradklima-Test führt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Kooperation mit dem Bundesverkehrsministerium alle zwei Jahre durch. Heute wurden die Ergebnisse der letzten Erhebung im Herbst 2020 bekannt gegeben. Die größte Verbesserung konnte der ADFC jedoch nicht für eine Stadt, sondern für die wachsende Bedeutung des Radfahrens messen: In Hessen nahmen mit 20.000 gut 54 Prozent mehr Bürger:innen teil als vor zwei Jahren (13.000). Auf 108 (2018: 71) wuchs die Zahl der Kommunen, die auf mindestens 50 Befragungen gekommen sind, um in die Auswertung zu gelangen. Bundesweit beteiligten sich 230.000 Radfahrer:innen und bewerteten dabei 1.024 Kommunen, auch dies sind Rekordwerte.

Radverkehr ist heute ein Megathema

"Der Teilnahmerekord beim ADFC-Fahrradklima-Test zeigt, wie wichtig der Radverkehr für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger geworden ist. Sei es wegen Corona, der Klimakrise oder aus dem Wunsch nach lebenswerteren Städten: Radfahren ist jetzt überall ein Megathema. Die Bedingungen für den Radverkehr zu verbessern, gehört heute zu den großen Aufgaben der Politik", erklärt Xavier Marc, stellvertretender Vorsitzender des ADFC Hessen. Frankfurt am Main scheint dies erkannt zu haben und ist nicht nur bester Aufholer bei den Städten mit einer Bevölkerung von mehr als 500.000 (den anderen 13 Städten dieser Kategorie gelingt keine signifikante Verbesserung), sondern belegt hier auch erstmals den dritten Platz hinter Bremen und Hannover (2018: 4. Platz). Frankfurts Verbesserung (2018: 3,94) ist im Zusammenhang der Einigung der Stadt mit dem 2019 formal gescheiterten Radentscheid zu sehen. Seither hat die Stadt aufsehenerregende Maßnahmen wie die Umwidmung einer Kfz-Spur auf einer Hauptverkehrsachse zu einem breiten, teilweise geschützten Radstreifen realisiert. Die Ende 2019 eingerichtete Fahrradstaffel der Frankfurter Verkehrspolizei dämmt überbordendes Falschparken auf Radwegen ein. Dies war einer der Hauptkritikpunkte im Fahrradklima-Test 2018.

Das Fahrradklima lässt sich auch mit kleinen Budgets verbessern

"Um das Fahrradklima zu verbessern, müssen nicht immer aufwändige Bauprojekte gestartet werden. Sehr effizient und schnell geht es, Fuß- und Radwege von falsch parkenden Autos frei zu halten, Radverkehr sicherer um Baustellen zu führen, gute Abstellmöglichkeiten zu schaffen und Einbahnstraßen zu öffnen. All das lässt sich mit geringem Budget und wenig Planungsaufwand realisieren", rät Xavier Marc. Wiesbaden trug 2014 und 2016 die rote Laterne beim Fahrradklima-Test. Inzwischen hat die Landeshauptstadt erheblich mehr Radwege und ein effektives Radbüro eingerichtet. Im Ranking der Städte mit einer Bevölkerung von 200.000 bis 500.000 steigt Wiesbaden auf Platz 7 (2018: 25). Mit 3,92 ist die Gesamtnote erstmals besser als eine 4.

Vorreiter Baunatal und Nachzügler Bad Hersfeld

Die beste Gesamtnote in Hessen erhielt Baunatal (2,39). Wie bereits vor zwei Jahren weist die nordhessische Stadt in der Kategorie von 20.000 bis 50.000 Einwohner:innen bundesweit das beste Fahrradklima auf. Baunatal treibt den Bau moderner Fahrrad-Infrastruktur, wie den Radschnellweg nach Kassel, voran. Fulda kommt auch nur auf eine Note von 4,25 schlechter schneidet Bad Hersfeld (4,53) ab. Das trübe Fahrradklima ist hier von fehlenden oder zu schmalen Radwegen gekennzeichnet. Die Verkehrsführung an Kreuzungen gefährdet oder behindert Radfahrer oft. Bad Hersfeld zeigt seit Jahren kein Engagement, die Problemstellen anzugehen.

Die Verkehrswende muss überall stattfinden

Von den 108 hessischen Kommunen in der Auswertung sind 96 kleiner als 50.000 Einwohner, 57 Kommunen sind sogar kleiner als 20.000 Einwohner. Der ADFC Hessen sieht darin ein starkes Signal, den Radverkehr nicht nur in den größeren Städten, sondern überall im Land massiv zu fördern: "Bei der Verkehrswende darf man nicht nur auf die Metropolen und Ballungsräume schauen, sie muss überall stattfinden - natürlich auch im ländlichen Raum, in dem die Hälfte der hessischen Bevölkerung lebt", fordert Xavier Marc. Ernüchternd ist, dass das Gros der Kommunen in Hessen beim Fahrradklima-Test nicht über eine Note 4 hinauskommt. Dabei sind die finanziellen und konzeptionellen Voraussetzungen für eine Verbesserung des Fahrradklimas nach Ansicht des ADFC Hessen noch nie so gut gewesen wie heute. Sowohl die EU, der Bund und das Land Hessen hätten vielfältige Fördermittel bereitgestellt, die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) habe viel Rüstzeug zur Planung entwickelt und biete zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen an.

Es kommt auf den politischen Willen in den Rathäusern an

"Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass in den allermeisten Kommunen noch sehr viel zu tun ist. Eine gute Rad-Infrastruktur muss heute in Hessen nicht mehr am Mangel an Geld und Kenntnissen scheitern. Jetzt kommt es auf den politischen Willen in den Rathäusern an", so das Fazit von Xavier Marc. +++ pm


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