
Fulda. Am zweiten Tag der Tagung anlässlich der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stand die „Situation der Christen im Irak“ im Fokus. Thematisiert wurde deren brenzlige Lage im Kontext eines wohl schon lange nicht mehr harmlos erscheinenden Bürgerkriegs. Nach kurzen Begrüßungsworten durch Matthias Kopp referierte Erzbischof Dr. Ludwig Schick über das Aufblühen des islamischen Terrorismus und die daraus resultierenden blutigen Auseinandersetzungen. „Der unaufhaltsame Zerfall des irakischen Christentums droht sich in den nächsten Monaten fortzusetzen. Am Horizont steht die dunkle Aussicht von Vertreibung und Flucht aller Christen aus dem mesopotamischen Raum“, so Schick.
Der Islamische Staat habe rund ein Drittel des Staatsgebiets von Syrien und des Iraks unter seine Kontrolle gebracht und dort ein „Kalifat“ ausgerufen, das seinem Anspruch nach auch Jordanien, den Libanon, Israel und Palästina umfasse. Bei dem Feldzug der vergangenen Monate habe die Terrormiliz ISIS eine archaisch anmutende Gewalt an den Tag gelegt, die sich jedoch mehr und mehr als Teil einer kühl durchkalkulierten Strategie entpuppte mit drastischem Ergebnis. Westliche Journalisten und Entwicklungshelfer wurden enthauptet. Die Minderheiten der Christen und Jesiden sahen sich vor die Alternative gestellt, zum Islam zu konvertieren, Schutzgeld zu bezahlen oder den Tod hinzunehmen. Massaker an allen missliebigen Gruppen, auch den Schiiten, bestimmten das Tagesgeschehen. Diese mit solchen Maßnahmen beabsichtigte Zielführung eines religiös homogenen sunnitisch-fundamentalistischen Staates erzeuge eine hohe Anziehungskraft auf religiöse Extremisten sowohl in den arabischen als auch in den westlichen Ländern, so Schick weiter. Der internationale Zulauf zu den Dschihadisten sei beachtlich, sodass hier durchaus von einer Attraktivität des Bösen gesprochen werden dürfe. In der westlichen Welt, aber auch in den arabischen Staaten, habe man – aller geheimdienstlichen Expertisen zum Trotz – den heraufziehenden Sturm verkannt. Inzwischen aber sei vielerorts eine feste Entschlossenheit entstanden, dem Vormarsch von ISIS Widerstand zu leisten. Auch Deutschland beteilige sich durch die Bereitstellung von Waffen und Material an die kurdischen Sicherheitskräfte an der Abwehr der terroristischen Milizen. „Für die Kirche“, so Erzbischof Schick, „ändert dies nichts an der fundamentalen Überzeugung, dass der Frieden im Allgemeinen und auch der Frieden im Mittleren Osten nicht das Resultat eines Waffengangs sein kann.“ Nur wenn es im Irak und in Syrien gelinge, erträgliche Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen, wenn die Systeme der allgemeinen Unterdrückung und der Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen überwunden werden, könnten Fanatismus und die wachsende Neigung zur Gewalt besiegt und friedliche Gemeinwesen aufgebaut werden.
In diesem Sinn beziehen deutsche Bischöfe ein klares Statement: „Der begrenzte Einsatz von Gewalt erscheint uns in diesem Sinne gerechtfertigt und auch geboten, solange eine andere plausible Strategie nicht zu erkennen ist. Wie schon Papst Franziskus betonte, muss der Angreifer aufgehalten werden.“ In diesem Kontext ermahnen auch die irakischen Bischöfe die Staaten an ihre Pflicht, den Untaten ein Ende zu bereiten. Erzbischof Schick betonte, dass Auftrag und Intention der Kirche seien, Bewusstsein zu schaffen. „Ein Bewusstsein, das viele humanitäre Hilfsorganisationen schon längst verinnerlicht haben und danach streben und handeln. Die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge ist ein Gebot der Stunde, dem sich besonders auch die Kirche verpflichtet weiß. Hilfe zu leisten, dort, wo sie so dringend benötigt wird, ist Christenpflicht, so steht es im Evangelium (MT 25)“, sagte Erzbischof Schick. In diesem Sinne solle eine Sonderkollekte in allen deutschen Bistümern am 11. und 12. Oktober 2014 durchgeführt werden. Anschließend formulierte Erzbischof Emil Shimoun Nona eine klare politische Botschaft, die alle Christen dazu aufruft, den Christen im Irak Hilfe zu leisten. Sein Appell war gestern bei der Bischofskonferenz, alle Christen noch einmal zur Hilfe aufzurufen. Humanitäre Hilfsorganisationen wie die Caritas e. V. und die UNICEF leisten aktuell einen wichtigen Beitrag und fungieren als wichtiges Bindeglied zwischen Christen in Deutschland und den Krisengebieten. „Die Kirche ist aber nicht nur Hilfsorganisation, sondern fungiert für die Christen im Irak als wichtiges Organisationsglied. Die Kirche ist alles für die Christen im Irak, wenn ein Christ ein Problem hat, kommt er als Erstes zur Kirche“, so Erzbischof Nona. Für unabdingbar wichtig erachtete Nona die humanitäre Hilfe hinsichtlich medizinischer Versorgung. „Es fehlt uns vor allem an ehrenamtlichen Ärzten, Medikamenten und Instrumenten. Unser Hauptproblem wird es aber sein, sobald der Winter heranbricht. Dann haben viele Menschen keine Unterkunft, die sie vor Kälte schützt.
Ich habe hier und heute ein großes Anliegen und auch konkrete Vorstellungen, unsere Lage in den Krisengebieten zu verbessern: Was wir dringend benötigen sind Lebensmittel, denn diese Art von Hilfe ist gesunken. Des Weiteren brauchen wir Medikamente und medizinische Instrumente, um im Kampf gegen Krankheiten und Seuchen gewappnet zu sein. Unser wichtigstes Projekt ist aber die Unterkunft.“ Nona verkündete gestern seinen aufrichtigsten Dank gegenüber deutschen Hilfsorganisationen. „Die Lage ist sehr ernst und wichtig. Jegliche Art von Unterstützung ist enorm wichtig für uns, damit wir bei unseren Wurzeln bleiben können.“ Abschließend verkündete Dr. Ludwig Schick, dass die Bereitschaft, Hilfe zu leisten, sehr hoch sei und das sei erfreulich. „Wichtiger, als irgendeine Erwartungssumme hinsichtlich der Sonderkollekte zu haben, ist ein Bewusstsein und ein Gespür für die Menschen in Not und das Gebet.“ +++ fuldainfo | jessica auth

Toller Artikel! fuldainfo eben...