
Die Einigung der Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf eine Wehrdienstreform ist am Dienstagnachmittag wieder geplatzt. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, hatte die Einigung zusammen mit Siemtje Möller, Falko Droßmann (beide SPD) und Thomas Erndl (CSU) ausgehandelt, auch die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) unterstützten die Einigung, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge sah die zwischenzeitliche Verabredung vor, dass künftig per Losverfahren junge Männer für die Musterung ausgewählt werden, wenn sich nicht genügend Personen freiwillig zum Wehrdienst melden. Bei Eignung sollten sie zu einem sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet werden, hieß es. Das war jedoch auf großen Widerstand in der SPD gestoßen. "Das war nicht meine Idee, das war eine Unions-Idee", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim Verlassen der SPD-Fraktionssitzung der Zeitung. Er betonte laut SZ zwar das Prinzip der Freiwilligkeit, wollte aber, dass präventiv alle jungen Männer, bis zu 300.000 pro Jahrgang, gemustert werden, damit bei einem Spannungs- oder Verteidigungsfall mit Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht gleich ein genaues Bild über die Tauglichkeit der Wehrpflichtigen existiert. Und weil man so weniger in juristische Probleme hineinlaufen könnte.
Röttgen kritisierte Pistorius angesichts des aktuellen Koalitionsstreits über die Einführung eines Neuen Wehrdienstes scharf. "Ich kann nicht verstehen, wie man einen Gesetzgebungsprozess als Verteidigungsminister derart torpedieren und sich so destruktiv verhalten kann", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Die SPD muss sich jetzt sortieren." Er sagte außerdem der "Süddeutschen Zeitung", er habe es in über 30 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag noch nie erlebt, "dass ein Bundesminister in seinem eigenen Verantwortungsbereich ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren frontal torpediert und die eigene Fraktion in Chaos stürzt".
Pistorius wehrt sich gegen Sabotage-Vorwürfe bei Wehrdienst-Reform
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich gegen den Vorwurf verteidigt, die zwischen den Fraktionen von Union und SPD ausgehandelte Absprache für ein Wehrdienst-Stufenmodell sabotiert zu haben. "Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel" mit Blick auf eine entsprechende Äußerung von Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen (CDU). "Ich habe nur gewisse Schwierigkeiten damit, dass zwei elementare Stellen meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor dieser überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht worden ist." Diese Bedenken habe er auch "nicht erst heute geltend gemacht".
Vor allem zwei Punkte bitte er im parlamentarischen Verfahren zu beachten, so der Verteidigungsminister weiter. "Die Bundeswehr braucht die flächendeckenden Musterungen ab 2027, die im aktuellen Kompromiss nicht enthalten sind", so Pistorius zu dem Vorschlag, wonach statt eines kompletten Jahrgangs von rund 300.000 jungen Männern lediglich einige Tausend gemustert würden, wodurch die Truppe im Ernstfall weniger über die körperliche Verfassung der dann Wehrpflichtigen wisse. "Wir verlieren zudem viel Zeit, wenn die Truppe bei allen zur Musterung ausgelosten jungen Männern noch einmal aktiv für sich werben soll", sagte Pistorius der Zeitung weiter. +++
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