Ein schweres Erbe

Berlin. Fast hätte man sich tüchtig blamiert. Zwei Jahre politisches Ringen in Berlin und erst nach Ende der Frist, die Karlsruhe angemahnt hatte, kam die Einigung. Kein Wunder, denn kaum eine Steuer ist so umstritten wie jene auf Erbschaften. Auf der einen Seite sollen große Vermögen an der Finanzierung des Allgemeinwohls beteiligt werden, auf der anderen Seite Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Und das ganze soll dann möglichst gerecht zugehen.

Schließlich hatte das Verfassungsgericht gemahnt, dass große Betriebsvermögen gegenüber privaten Erben zu privilegiert behandelt werden. Nun wäre es vielleicht gerecht, reiche Familienunternehmen genau so zur Kasse zu bitten wie den privaten Erbonkel, der seinem Neffen Millionen hinterlässt. Aber sinnvoll ist es nicht. Denn es ist niemandem geholfen, wenn die Erben von Betrieben Angestellte entlassen, um ihre Erbschaftsteuer zahlen zu können. Oder ihre Firma verkaufen, weil sie keine Lust haben, die Steuer zu zahlen. Natürlich haben Unternehmen eine gute Lobby, und natürlich haben sie kräftig Druck gemacht. Das machte die Sache nicht einfacher.

Ein erster, höchst mühsam ausgehandelter Kompromiss wurde von Horst Seehofer nach einem Gespräch mit Familienunternehmern kurzfristig wieder aufgekündigt. Danach änderten auch rot-grüne Länder ihren Kurs und prangerten zu hohe Verschonungsregeln an. Jetzt hat jeder einen Skalp. Die SPD hat durchgesetzt, dass die Stundungsregeln etwas verschärft wurden, die Union ist froh, dass die Familienunternehmen insgesamt gut wegkommen und kleine Unternehmen von Nachweispflichten befreit sind. Gefunden wurde ein Kompromiss, der auf jeden Fall die Interessen von Betrieben ausreichend berücksichtigt und die Steuerlast voraussichtlich nur sehr leicht erhöht. Vielleicht sogar zu leicht für die Karlsruher Anforderungen. Doch erst einmal bleibt Bundestag und Bundesrat nicht viel anderes übrig, als zustimmen. Es sei denn, sie lassen die Steuerpolitik lieber gleich in Karlsruhe machen, so die Schwäbische Zeitung. +++


Popup-Fenster

3 Kommentare

  1. Was ist eine gerechte Besteuerung? So etwas gibt es nicht. Besteuerung ist immer ungerecht, und zwar gegenüber dem Staat und dem Steuerzahler. Dem einen wird - empfunden - zuviel zugeführt und dem anderen - gefühlt - viel zu viel weggenommen.
    Dass der Staat sich bedienen will, wo ausschließlich bereits versteuertes Eigentum liegt, ist und bleibt für viele ohnehin nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar.
    Es tut daher gut, dass die Politik sich zurückhält mit dem Zugriff auf privates Eigentum, das sogar noch über die unternehmerische Betätigung der Allgemeinheit dient, der Wertschöpfung (und damit auch wieder der neuen Besteuerung) zugeführt wird.
    Mal sehen, was unsere Nebenregierung in Karlsruhe dazu sagt. Hoffentlich hält man sich zurück.

  2. Verpasste Chance. Die Familienunternehmer lassen die Sektkorken knallen. Und die Grünen haben sich als überflüssig erwiesen!
    Dass die Ungleichheit bzw. soziale Spaltung auch in Deutschland seit Jahren zunimmt, und mittlerweile auf einem inakzeptablen Niveau angelangt ist, dürfte wohl unstrittig sein. Lediglich dort, wo dieses Ergebnis politisch nicht gewünscht wird, wird versucht, dagegen zu argumentieren, indem i.d.R. die Zahlenbasis bestritten wird. Neuerdings hat sogar die Bundesbank ihre im Konjunktiv vorgetragene "Vermutung" veröffentlicht (warum wohl?), dass durch die lockere Geldpolitik der EZB die Einkommensungleichheit reduziert werden könnte, obwohl doch unbestritten ist, dass diese Politik zur größten Umverteilung seit der Währungsreform 1948 bei Sparern und Rentnern führt bzw. schon geführt hat. U.a. auch von "namhaften" Wirtschaftswissenschaftlern (nicht nur von IW und IFO) - wird immer wieder versucht, die Zahlenbasis anzugreifen bzw. zu relativieren! Erst kürzlich hat Herr Hüther vom arbeitgebernahen IW diese Zahlentrickserei wieder eindrucksvoll in der Zeit demonstriert (http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-09/ungleichheit-einkommen-schere-deutschland-verteilung-studie ), indem er einfach mal den Zeitraum 2009-2013 willkürlich herausgegriffen hat! Aber auch die Welt, die ja kürzlich die wachsende Ungleichheit noch als Märchen abgetan hatte, reiht sich ein in diese Riege der Zahlenakrobaten, jüngst mit dem Artikel "Der wahre Spaltpilz der amerikanischen Gesellschaft":
    http://www.welt.de/wirtschaft/article157451200/Der-wahre-Spaltpilz-der-amerikanischen-Gesellschaft.html
    Dort werden willkürlich die Jahre 2007 und 2015 herausgegriffen und für diesen Zeitraum eine weitere Vergrößerung der Einkommensungleichheit zwischen den obersten 1% der Einkommenspyramide und den restlichen 99% in den USA bestritten. Übrigens eine Methode, der sich auch die Klimawandel-Leugner bedienen!
    Bei einer weiter zurückreichenden Langfristbetrachtung kommt man jedoch zu ganz anderen Ergebnissen:
    US real income growth 1993-2015: +94.5% for top 1%; +14.3% for the rest. Top 1% captured 52% of income growth, rest 48% (Quelle: http://eml.berkeley.edu/~saez/saez-UStopincomes-2015.pdf …)
    Noch extremer wird die Entwicklung der Ungleichheit, wenn man nicht das Einkommen, sondern das Vermögen betrachtet bzw. wenn man nicht die top 1% sondern die top 0,1% der Einkommenspyramide zum Vergleich heranzieht. Und ähnlich sieht es auch in Deutschland aus. Aber hier argumentieren die Leugner der Ungleichheit, auf der Vermögensseite müssten noch die Rentenansprüche berücksichtigt werden, was das Bild total verändert würde. Aber, verehrte Leugner-Experten: Rentenansprüche sind nun mal kein Vermögen!
    Aber das hören die Leugner der Einkommens- bzw. Vermögensungleichheit nicht so gerne!
    Was ist zu tun?
    1. Die Politik überzeugen, dass die Themen Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit endlich umfassend anzugehen sind. Nur so gewinnt man auch die "Abgehängten" wieder zurück, die, mangels politisch überzeugendem Angebot, möglicherweise auf die rechten Populisten hereinfallen. Rufe nach Burka-Verboten und ähnlichen Symbolhandlungen, wie sie derzeit u.a. auch in der Union verbreitet sind, lenken nur ab.
    2. Diejenigen in die Ecke stellen, die die Thematik mit Floskeln wie "den anderen Leuten in die Taschen greifen" oder "Neiddebatte" aushebeln wollen. Die "anderen Leute" sind die Superreichen, häufig auch durch "unverdiente" Erbschaften reich geworden, die sich angemessene Beiträge zur sozialen Gerechtigkeit locker leisten können - und manche von ihnen auch gerne leisten wollen! Genaugenommen ist die Ungleichheit das Ergebnis einer "immerwährenden Umverteilung", wie sie in unseren Steuer- und Abgabensystemen seit Jahrzehnten verankert ist! Warum eigentlich?
    3. Die vom Bundesverfassungsgericht bei der Erbschaftsteuer vorgegebene verfassungskonforme Wegweisung (Eigentum verpflichtet) konsequent umsetzen. Der von einigen Experten mittlerweile vorgelegte Vorschlag einer Erbschaftssteuer-Flatrate zeigt durchaus in eine wegweisende Richtung. Allerdings halte ich eine Flatrate von bisher diskutierten 8-15% für lachhaft. 30-50% bei einer entsprechend hohen Freigrenze (1 Mio EUR) wäre ein Meilenstein in vielerlei Hinsicht! Aber die Politik hat sich mal wieder auf einen faulen Kompromiß zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit geeinigt! Die Familienunternehmer können die Sektkorken knallen lassen!
    4. Die Medien kritisieren bzw. meiden, wenn sie, wie meist, die Parolen der Leugner der Ungleichheit verstärken!
    5. Nur die wählen, die soziale Gerechtigkeit können und wollen!
    Und: die nächsten Wahlen stehen vor der Türe!
    http://youtu.be/0zSclA_zqK4
    Was sagt der Bundestag?
    http://youtu.be/QGOx8I0COYg
    Viel Spaß beim Anhören!

  3. Der Kompromiss ist weiterhin nicht verfassungsgemäß und wird von Karlsruhe wieder kassiert und das Üble dabei ist: Die Beteiligten Politiker wissen das sehr wohl! Sie machen es trotzdem, weil den Reichen dann wieder mal mehr Zeit geschenkt wird, bevor endlich eine gerechte Besteuerung kommt. Selbst der Sachverständigenrat im Bundesfinanzministerium hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, dass es keinerlei Belege dafür gibt, dass eine höhere Erbschaftssteuer Arbeitsplätze kostet. Aber die Lobby der sogenannten Familienunternehmer hat es wieder mal geschafft, mit diesem Totschlagsargument von einer gerechten Besteuerung bewahrt worden zu sein. Es ist unglaublich! Während jedem Facharbeiter ohne jede Einflussmöglichkeit des Betroffenen gnadenlos ein immer höherer Steuersatz zugemutet wird, kommen die Damen und Herren "Familienunternehmer" wieder fein raus! Es geht hier nicht um die Arbeitsplätze, sondern um das immer schneller angehäufte Privatvermögen der ach so schützenswerten Familien! Das soll nicht angerührt werden, sondern dank der fleißigen Arbeitsleister immer mehr wachsen. Aber eines muss man den "Familienunternehmen" lassen: Ihre Lobbyarbeit ist sehr effektiv und ihr Einfluss auf die Politiker: Alle Achtung!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*