Er scharrt mit den Hufen. Ist zum Sprung bereit. Nicht nur, dass er sich ab dem nächsten Jahr auch bei den Herren im internationalen Spitzensport des Billards behaupten will - der 17-jährige Pius Baier hat es mittlerweile gelernt, sich zu organisieren. Prioritäten zu setzen. Das Gute: Er ist bei sich. Klar im Kopf. Weiß, was er will. Die Türen stehen offen. Durchgehen muss er noch. Selbst, wenn wir wenig haben: Auf Pius kann man setzen.
Er ist überpünktlich zum Termin. „Ich hab‘ grad übel viel Stress“, sagt er in halb jugendlicher Sprache. Aber auch ein Stückchen Leichtigkeit ist zu spüren, dass er den Termin hat unterbringen können. Zurzeit macht er sein Fach-Abi. Das schließt ein Jahres-Praktikum ein, das er bei RhönSprudel in Weyhers absolviert. Montag und Dienstag ist Schule, Mittwoch bis Freitag ist Praktikum. Dazu Billard im Kopf. Rund um die Uhr.
Man muss niemandem erklären, dass Pius Baier das Vorzeige-Talent ist in Osthessens Sport. Das Wichtigste und das Entscheidende aber, das hat er noch vor sich. Und das weiß er selbst. Er ist keiner, der abhebt. Er hat Bodenhaftung und muss nicht nach Sternen greifen oder Anderem. Er ist auf dem Weg, sich alles zu erarbeiten. Zu Hause, in dem kleinen Rhön-Örtchen Rengersfeld, „ bin ich schon so ein kleiner Star. Ich bekomme sehr viel Lob und Glückwünsche.“ Seinen Worten nach und vor allem der Art, wie er es ausspricht, spürt man einen Schuss Stolz und Verlegenheit. Mehr nicht. Und das ist auch gut so. Auch für Pius könnte gelten: Im Wald zwei Wege boten sich mir dar. Und ich ging den, der weniger betreten war. Dies veränderte mein Leben.
Seit fünfeinhalb, fast sechs Jahren widmet er sich der Faszination und Leidenschaft Billard. Alleine seine Wettkampf-Vorbereitung hat es in sich. Disziplin ist Voraussetzung. „Ich steh‘ auf, dass ich vor der Schule trainieren kann. Nach der Schule geht es weiter. Ich komm‘ heim und probiere, auf eine gewisse Stundenanzahl zu kommen. Ich will einfach, dass das dabei rumkommt. Und dass ich die Körner, die da sind, nutzen kann.“ Billardspieler gelten als Strategen des Sports. Erfahrungswerte sind selbstredend unersetzlich und wichtig. Geduld zu haben auf dem langen Weg, bis sich Erfolge einstellen. Wo sich Pius jetzt sieht, das beantwortet er pragmatisch und realitätsnah. „Ich entwickele mich recht gut. Ich mache Fortschritte. Spielerisch. Und von der Mentalität her.“ Und er fügt etwas Elementares hinzu. „Vom Spiel-Verstehen.“
Vor wenigen Tagen bei den Deutschen in Bad Wildungen, da lief es nicht ganz so, wie er sich das vorstellte. Zwar wurde er Vize-Meister im 9-Ball, aber in den beiden anderen Disziplinen kam er nicht so weit, wie er wollte. „Ich war körperlich nicht so gut drauf“, sagt er knapp. Erst 17 - und schon ganz schön viel rumgekommen in der Welt. Klar, dass Gleichaltrige nicht in diesen Genuss - oder in diesen Stress - kommen; wie man es halt sehen will. „Am weitesten weg war Saudi Arabien. Sonst an vielen Orten. Sehr viel in Europa.“ Im nächsten Jahr, in 2026, da hat Pius Baier viel vor. Wettkämpfe, Turniere, Reisen, Stress - und hoffentlich ein paar Erfolge. Und des Sportlers wichtigste Zutat: Selbstvertrauen. Dass manche Wege sich nicht als so steinig erweisen, wie sie aussehen. „Ich spiele Herren-WM in Saudi Arabien“, sagt er stolz. Ein Meilenstein seiner jungen Laufbahn. Die kleinere Ausgabe, die der Jugend, kennt er ja schon.
Das aktuelle Jahr, auch das endet für ihn sportlich. Mit dem Silvester-Turnier in Sindelfingen. Wettbewerbe in der Türkei, in Bosnien-Herzegowina oder in England folgen in 2026. In der Marke „Predator“ hat Pius Baier einen neuen Sponsor. Das beflügelt und motiviert ihn. „Das gibt mir Bestätigung in meiner Entwicklung. Dass ich noch besser werde.“ Daran zweifelt bei der SG Johannesberg niemand. Denn wer Pius Baier sagt, meint auch die SGJ, die den Billardsport in Fulda attraktiv und populär machte; schade, mag man sagen, dass es die European Open in Fulda nicht mehr gibt - mit den 256 Weltbesten. Eigentlich war es eine Win-Win-Situation. Oder besser gesagt: schien es. Pius spielt aktuell in der Zweiten der SG Johannesberg. Die ist Tabellenführer der Verbandsliga. Ein starkes Team, in dem auch Moritz Heurich, Rüdiger Barth, Osman Aykul und Derek Schlosser stehen. Pius ist nach seinem kurzen Gastspiel beim PBC Gelnhausen zurückgekehrt zur SG Johannesberg - und er sagt, zu seinen Aussichten befragt: „Meine Perspektive? In die Erste zu kommen.“ Die spielt bekanntlich in der Bundesliga und war wiederholt davor, Deutscher Meister zu werden. Das ist auch sein Ziel. Das von Pius Baier. „Na klar klappt das. Ich werde Deutscher Meister mit dem Verein. Alles braucht ein bisschen Geduld. Alles hat seine Zeit.“ Wer es vergessen hat: Es sind die Worte eines 17-Jährigen.
Ach ja, am 3. Dezember fliegt Pius nach Spanien. Genauer gesagt, nach Valencia. Zur Euro Tour. Die beinhaltet innerhalb eines Jahres Konkurrenzen in fünf europäischen Ländern. Im niederländischen Assen war er bereits. „Das sind recht viele Spiele, es dauert sehr lang. Sehr viele gute Leute machen da mit. Die Weltspitze. Da geht‘s auch ums Ranking. Und um viel Geld.“ Der Sieger dieses Wettbewerbs bekommt 6.000 Euro. Pius sagt nur: „Für die Erfahrung ist das sehr gut. Für die Mentalität. Sich mit den Besten zu messen.“
Unser Termin ist fast vorbei. Pius sieht auf die Uhr seines Handys. Das muss er auch. In wenigen Minuten steht eine Klausur in BWL an. Es geht ums Jugendschutzgesetz, um Arbeitsverträge, um Datenschutz und mehr. Tags darauf erfahren wir, dass die Arbeit gefühlsmäßig zufriedenstellend verlaufen ist. Und am Freitag ist er zu Fuldas Sportlerehrung geladen. Pius Baier ist ja bei sich. Er hat es gelernt, sich zu organisieren. Prioritäten zu setzen. Und die Türen stehen auch offen. +++ rl









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