Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das Urteil des Bundesverfassungsgericht zu den Hartz-IV-Sanktionen als "Riesenchance" bezeichnet. Es gehe jetzt darum, "Hartz IV weiterzuentwickeln" und "einen gesellschaftlichen Konflikt, der so lange unser Land gespalten hat, zu befrieden", sagte Heil am Dienstag im ARD-Mittagsmagazin. "Mein Ziel ist, dass wir dieses System grundlegend verändern." Der Sozialstaat müsse sich nicht nur "sein Tun verändern, sondern auch seinen Ton".
Dabei seien Sanktionen vom Urteil nicht grundsätzlich infrage gestellt worden: "Es macht deutlich, dass es Mitwirkungspflichten und deren Durchsetzung auch weiterhin gibt", so Heil. Künftig dürfen nicht mehr als 30 Prozent der Leistungen sanktioniert werden. "Es darf auch nicht mehr in die Kosten der Unterkunft eingegriffen werden. Das halte ich für ganz, ganz wichtig", sagte Heil. Der Stopp der schärfsten Sanktionen gelte ab sofort. Diese Regelungen müssten auch für die Altersgruppe der Unter-25-Jährigen ausgeweitet werden, kündigte Heil im ARD-Mittagsmagazin an. Arbeitssuchende unter 25 werden bislang härter sanktioniert, wenn sie ein Jobangebot oder eine Maßnahme ablehnen: "Aus dem Urteil lässt sich ableiten, dass die Menschenwürde für Unter-25-Jährige nicht anders zu behandeln ist als für 26-Jährige", sagte Heil. "Wir brauchen auch eine Regelung für Härtefälle." Es gebe zudem keinen Beleg dafür, dass die Härte gegenüber jungen Arbeitslosen bislang bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt geholfen habe.
Ifo-Chef fordert grundlegende Hartz-IV-Reform
Ifo-Chef Clemens Fuest hat nach dem Verfassungsurteil zu den Hartz-IV-Sanktionen weitreichende Änderungen gefordert. "Die Politik sollte das Urteil zum Anlass nehmen, Hartz IV grundlegend zu reformieren", sagte Fuest der "Rheinischen Post". "Sanktionen sind notwendig, müssen sich aber im zulässigen Rahmen halten." Das bestehende System schaffe außerdem "zu geringe Anreize, über eine Teilzeitbeschäftigung hinaus das Arbeitsangebot zu erhöhen", sagte Fuest. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung habe deshalb kürzlich einen Vorschlag für eine grundlegende Reform vorgelegt, um die Anreize für Hartz-IV-Empfänger zu verbessern, neben dem Bezug des Arbeitslosengeldes II mehr als nur einen Mini-Job aufzunehmen. So solle etwa der anrechnungsfreie Betrag von 100 Euro für Singles abgeschafft werden. Im Gegenzug solle aber ein größerer Teil eines höheren Hinzuverdiensts nicht mehr auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden.
Bartsch verlangt nach Hartz-IV-Urteil "Systemwechsel"
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Sanktionen Konsequenzen gefordert. "Das Urteil zeigt, wir brauchen einen Systemwechsel. Dieser muss politisch erkämpft werden", sagte der Linken-Politiker der "Welt". "Nicht nur die Sanktionen sind falsch, sondern Hartz IV als System müssen wir ersetzen." Das Ganze sei entwürdigend. "Wir brauchen ein neues Versicherungssystem, das wirksam bei Arbeitslosigkeit schützt." Die Angst, bei Jobverlust sozial abstürzen, "zerfrisst den gesellschaftlichen Zusammenhalt", fügte Bartsch hinzu. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, hob hingegen die grundsätzliche Bedeutung des Urteils hervor: "Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben ausdrücklich klargestellt, dass Sanktionen gegen unkooperative Hartz-IV-Empfänger prinzipiell zulässig sind", sagte Steiger der "Welt". Es müsse dabei bleiben: "Wer vereinbarte Beratungstermine nicht wahrnimmt oder angebotene Jobs ausschlägt, dem muss die staatliche Unterstützung gekürzt werden. Das sind wir allein schon den hart arbeitenden Steuerzahlern schuldig, die für die Hartz-IV-Zahlungen aufkommen müssen." Das Urteil bedeute, dass Missbräuche auch künftig sanktioniert werden müssten, so Steiger weiter. "Die Bundesregierung sollte diese Gelegenheit nutzen, um endlich eine Agenda für die Fleißigen in diesem Land auf den Weg zu bringen." +++









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Das ganze Hartz IV System basiert auf der Annahme, dass Arbeitslose nur zu faul zum Arbeiten sind und man ihnen nur ein wenig in den Allerwertesten treten müsste damit sie wieder motiviert sind, zu arbeiten. Und wer sich weigert, Arbeit anzunehmen bekommt eben kein Geld mehr, weil ja jeder weiß: nur wer arbeitet soll auch essen!
Aber was ist, wenn das nicht stimmt? Wenn Arbeitslose ins Hartz IV System abrutschen und sie feststellen müssen, dass sie trotz aller Bemühungen und 1 EUR Jobs und Pseudo Qualifikationen und Maßnahmen trotzdem niemand haben will und sie nach gefühlten 200 Bewerbungen einfach den Mut verlieren und dann den hohlen Sprüchen der Arbeitsvermittler keinen Glauben mehr schenken? Was dann? Ist es dann gerecht, diejenigen, die den Mut verloren haben auch noch zu bestrafen und ihnen das Bisschen, dass man ihnen zum Leben lässt auch noch wegzunehmen? Wie gerecht ist so etwas? Und wie würdevoll?
Oder sollte man eher grundsätzlich darüber nachdenken was falsch ist an einer Gesellschaft, die vielen einfach keine Chance mehr bietet, weil sie alt, unqualifiziert oder krank sind. Und es sind viele, die krank sind! Doch vielen sieht man diese Krankheit der Seele nicht an. Und das sind genau die, die irgendwann an diesem System zerbrechen, weil ihnen in Wahrheit niemand hilft, da heraus zu kommen.
Genau darüber sollte Herr Heil im fernen Berlin mal nachdenken. Aber ich glaube, dass er das hier leider nie zu lesen bekommen wird.