Wenn der Landkreis Fulda richtig schuftet, kommt ein Überstunden-Berg heraus: Rund 4,1 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet. Davon 2,2 Millionen Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erstellt hat. Danach haben alle Beschäftigten den Unternehmen im Kreis Fulda 55 Millionen Euro „geschenkt“.
Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 110.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 45 Prozent aller im Landkreis Fulda geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei 12 Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von 588.000 Euro. „Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 53 Prozent dieser Arbeitsplätze im Kreis Fulda Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführer Andreas Kampmann. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Kampmann. Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne #fairdient“ hinter die rund 5.100 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten im Kreis Fulda. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Kampmann. Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, sagt Kampmann.
DEHOGA: Generalisierender Pauschalvorwurf der NGG
Überstunden müssen ausgeglichen werden. Dafür bestehen klare rechtliche Regelungen im Gesetz und in den Tarifverträgen. Unter bestimmten Bedingungen können Überstunden bereits im Monatslohn enthalten sein. Ist das nicht der Fall, müssen sie in Freizeit ausgeglichen oder mit Geld vergütet werden. In den mit der NGG ausgehandelten Tarifverträgen ist klar geregelt, wie viele Überstunden geleistet werden dürfen, wie sie vergütet werden und in welchem Umfang und wann Freizeitausgleich zu leisten ist. Den generalisierenden Pauschalvorwurf der NGG gegen das Gastgewerbe weisen wir in aller Deutlichkeit zurück. Das ist in höchstem Maße ungerecht gegenüber der großen Mehrheit der Unternehmer, die Tag für Tag mit ihren Mitarbeitern für ihre Gäste da sind, ihr Bestes leisten und sich korrekt verhalten.
Keine Frage: Soweit arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen, gehören diese geahndet. Gerade in Zeiten des zunehmenden Mitarbeitermangels ist ein solches Verhalten für den Unternehmer ohnehin kontraproduktiv. Zufriedene Gäste und nachhaltigen Unternehmenserfolg kann es in unserer Dienstleistungsbranche nur mit motivierten Mitarbeitern geben, die fair behandelt und wertgeschätzt werden und die sich in ihrem Betrieb wohl fühlen. Dazu gehört an vorderster Stelle auch eine gerechte Entlohnung. Fakt ist: Gastgeber wollen für ihre Gäste da sein. Beim gegenwärtigen Hochsommerwetter sitzen die Gäste länger im Biergarten, die beginnenden Sommerferien füllen Hotels und Restaurants in den Urlaubsregionen. Auch eine stimmungsvolle Hochzeitsfeier oder ein verspätet eintreffender Reisebus lassen sich nun einmal nicht minutengenau planen. Wer am Markt bestehen und Arbeitsplätze sichern und Mitarbeiter angemessen bezahlen will, bietet die Leistung dann an, wenn sie nachgefragt wird. Anders als offenbar der NGG, die alle Sommer wieder das Thema Überstunden aufgreift, ist den allermeisten der über zwei Millionen Mitarbeitern unserer Branche dieser logische Zusammenhang auch sehr wohl bewusst.
Zur Wahrheit gehört auch: Der Spagat von Unternehmern und Mitarbeitern zwischen perfekter Serviceorientierung für den Gast und einem guten Arbeitszeitmanagement wird immer schwieriger. Auch die Gäste müssen wissen, dass Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit nicht zum Nulltarif zu haben ist. Zu bewältigen sind diese Herausforderungen nur dann, wenn die notwendige Flexibilität möglich ist. Ein höherer Arbeitsbedarf, z.B. in der Saison, an Wochenenden oder Feiertagen oder bei Veranstaltungen muss durch Arbeitszeitverkürzungen zu anderen Zeiten ausgeglichen werden können. Ein besonders wichtiges Instrument dafür sind Jahresarbeitszeitkonten, die die NGG leider auf der tariflichen Ebene vielerorts verweigert oder erschwert. Zum Arbeitszeitgesetz stellt der DEHOGA klar: Es geht weder um ein Durchlöchern des Arbeitszeitgesetzes noch um eine generelle Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 13 Stunden. Es geht nicht um Mehrarbeit, sondern um die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Lebenswirklichkeit. Die Flexibilisierung der starren täglichen Höchstarbeitszeit wird dringend benötigt – insbesondere im Veranstaltungsgeschäft. Wir wollen eine bessere Gestaltung der Arbeitszeit, was im Übrigen auch dem Wunsch vieler Mitarbeiter entspricht. Mehr Flexibilität hilft Unternehmern, Mitarbeitern und Gästen. Es ist an der Zeit, mit der NGG ins konstruktive Gespräch zu kommen, um Lösungen zu finden, die den Erwartungen aller Beteiligten entsprechen, so der DEHOGA Hessen e.V. Vorsitzende, Steffen Ackermann, auf Nachfrage von fuldainfo.de. +++ pm/nh









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