Zahl der Pflegekinder auf Höchststand

Erfahrungsberichte sollen dem Bundestag Hinweise geben

Familie

Noch nie waren so viele Kinder in Pflegefamilien untergebracht wie derzeit. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, über die die „Welt“ berichtet. Demnach ist die Zahl der Kinder, die zur Vollzeitpflege in Pflegefamilien leben, kontinuierlich gestiegen – von gut 60.000 Kindern im Jahr 2008 auf den bisherigen Höchststand von mehr als 81.000 im Jahr 2017. Knapp 100.000 weitere Kinder und Jugendliche waren 2017 in Heimerziehung untergebracht.

Der Großteil der Kinder und Jugendlichen in Pflegefamilien kommen nach Angaben der Bundesregierung aus sozial schwachen Verhältnissen: 78 Prozent der Kinder stammen demnach aus Herkunftsfamilien, die Transferleistungen beziehen, 55 Prozent aus Alleinerziehenden-Haushalten. „Kinderarmut bedeutet strukturelle Kindeswohlgefährdung – das zeigen die Zahlen deutlich“, sagte der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, der Zeitung. „Die Verantwortung tragen dafür nicht die Eltern, sondern eine Sozialpolitik, die Arme systematisch ausgrenzt und benachteiligt.“ Eigentlicher Charakter einer Vollzeitpflege sei die vorübergehende Betreuung der Kinder mit dem Ziel, die Herkunftsfamilie nächstmöglich wieder zu vereinen. Diese Zielsetzung sei jedoch angesichts der durchschnittlichen Verweildauer der Kinder in den Pflegefamilien bedroht, kritisiert die Linksfraktion. Der Antwort der Bundesregierung zufolge liegt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Kinder- und Jugendheimen relativ konstant bei etwa 16 Monaten.

In den Pflegefamilien stieg sie jedoch von 27 Monaten im Jahr 2008 auf inzwischen 30 Monate an. Unter dem Titel „Mitreden – Mitgestalten“ hat das Familienministerium im vergangenen Jahr einen Dialogprozess in Gang gesetzt, der in einer Reform der Kinder- und Jugendhilfe und der Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe münden soll. „Ein zentraler Aspekt der Diskussion ist dabei auch die Beförderung gelingender Beziehungen zwischen Pflegeeltern, Eltern und Kindern“, heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. Ergänzend wurde am vergangenen Donnerstag eine wissenschaftliche Anlaufstelle „Kinderschutzverläufe“ beim Institut für Kinder- und Jugendhilfe in Mainz eingerichtet. Betroffene können sich dort bis zum 30. Juni melden und vertraulich über ihre Erfahrungen mit dem Jugendamt oder dem Familiengericht berichten. Diese Erfahrungsberichte sollen dem Bundestag Hinweise geben, welche Änderungen im Kinderschutzsystem angegangen werden müssen. +++