Zahl der Kirchenaustritte erheblich angestiegen

Langendörfer: "Die aktuelle Statistik ist besorgniserregend"

Erneut hat die Katolische Kirche einen deutlichen Mitgliederverlust zu beklagen. Das teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag mit. Der Trend der vergangenen Jahre hält aufgrund von Strukturveränderungen in den (Erz-)Bistümern an, sodass sich die Zahl der Pfarreien erneut verringert hat auf 10.045 (2017: 10.191). Insgesamt gibt es 13.285 Priester (2017: 13.560), davon sind 6.672 Pfarrseelsorger (2017: 6.740). In den weiteren pastoralen Diensten gibt es 2018 3.327 Ständige Diakone (19 mehr als 2017), 3.273 Pastoralassistenten/-referenten (weiblich: 1.495, männlich: 1.778 / insgesamt 35 mehr als 2017) und 4.537 Gemeindeassistenten/-referenten (weiblich: 3.558, männlich: 979 / insgesamt 20 weniger als 2017).

Beim Sakramentenempfang hat die Zahl der kirchlichen Trauungen mit 42.789 (2017: 42.523) leicht zugenommen. Bei den anderen Sakramenten ist ein leichter Rückgang feststellbar. So liegen die Taufzahlen bei 167.787 (2017: 169.751), die Zahl der Erstkommunionen bei 171.336 (2017: 178.045) und die Zahl der Bestattungen bei 243.705 (2017: 243.824). Die katholische Kirche musste im Jahr 2018 bei den Eintritten und Wiederaufnahmen ebenfalls einen Verlust verzeichnen. So lag die Zahl der Eintritte bei 2.442 (2017: 2.647), die Zahl der Wiederaufnahmen bei 6.303 (2017: 6.685). Die Zahl der Kirchenaustritte ist in 2018 erheblich angestiegen: 216.078 Menschen haben die katholische Kirche verlassen (2017: 167.504).

Zur Statistik erklärt der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Dr. Hans Langendörfer SJ: „Die aktuelle Statistik ist besorgniserregend. An den Zahlen ist nichts zu beschönigen, sie bestätigen einen Trend, der schon in den vergangenen Jahren prägend für die Kirche war. Gerade deshalb wollen wir umso selbstkritischer und konstruktiver mit den aktuellen Zahlen umgehen. Anfang Mai 2019 haben wir eine Studie publiziert, in der auf der Grundlage heutiger Gegebenheiten die Entwicklung der Mitgliederzahlen bis zum Jahr 2060 prognostiziert wurde. Die hohe Kirchenaustrittszahl 2018 bestätigt solche Prognosen. Wir bedauern es, wenn Menschen die katholische Kirche durch einen Austritt verlassen. Wir verstehen, wenn durch Entfremdungsprozesse oder einen großen Vertrauensverlust Misstrauen entstanden ist und Glaubwürdigkeit verspielt wurde. In den Bistümern steht die große Frage obenan, wie wir Menschen eine Lebenshoffnung und Perspektive aus dem Glauben vermitteln und ihnen eine Beheimatung in der Kirche geben können – auch jenen, die ausgetreten sind und vielleicht doch wieder das Gespräch suchen wollen. Dazu stehen wir bereit. Auch Initiativen wie Maria 2.0 zeigen uns, dass die Menschen sich Veränderungen in der Kirche wünschen. Der Synodale Weg, den wir gemeinsam gehen wollen, soll auch diese Kritik aufgreifen.

Ich empfinde es als positives Zeichen, dass die kirchlichen Trauungen nach wie vor auf einem stabilen Niveau bleiben. Dennoch zeigen die Zahlen der anderen Sakramentenspendungen, dass der Abwärtstrend nicht zu stoppen ist. Ich bin dankbar, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pastoral und in der theologischen Forschung nach Wegen suchen, die Sakramente als lebendige Quellen unseres Glaubens verständlich zu machen und zu vermitteln. Trotz der weiter geringeren Zahl der Priester kann die Kirche ihre Seelsorgeaufgabe in Deutschland erfüllen. Dazu tragen besonders die weiteren Berufsgruppen bei, die neben dem Ehrenamt einen großen Einsatz in unseren Gemeinden leisten. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Zahl der Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten stabil bleibt beziehungsweise leicht ansteigt. Allen, die in der Seelsorge und im Ehrenamt wirken, sei an dieser Stelle ein großer Dank gesagt, da das individuelle Engagement im statistischen Datenmaterial untergeht.

Als Kirche in Deutschland stehen wir vor enormen Herausforderungen. Das Zweite Vatikanische Konzil fordert uns auf, ‚nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens … Antwort geben‘ (Gaudium et spes Nr. 4). Dazu mahnen uns auch die aktuellen statistischen Zahlen. Vor allem wird es darum gehen, einen Wandel zu vollziehen, der darauf hoffen lässt, dass verloren gegangene Glaubwürdigkeit und verspieltes Vertrauen zurückkehren. Ehrlichkeit und Transparenz, angemessene Antworten der Kirche auf die Fragen der Zeit, Veränderungsprozesse, die in der Kirche notwendig sind, sollen dazu helfen, das zu tun, was im Zentrum von Glaube und Kirche steht: die Verkündigung des Evangeliums und das Angebot Gottes, im Glauben dem Leben eine Orientierung zu geben.“

Wir sind Kirche: „Kirchenstatistik 2018 muss Bischöfe zum Umlenken bringen“

Der massive Anstieg der Kirchenaustrittszahlen um 29 Prozent ist noch erheblich höher ausgefallen, als die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche erwartet hatte. Wesentliche Ursache dafür könnten die erschütternden Ergebnisse der im September 2018 veröffentlichten Ergebnisse der sog. Missbrauchsstudie („MHG-Studie“) sein. Auch der nach wie vor schleppende Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche und ihrer Aufarbeitung durch die Deutsche Bischofskonferenz haben zu dem rasant zunehmenden Auszug aus der Kirchengemeinschafft beitragen, den auch die kürzlich vorgelegte „Projektion 2060“ der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens für die katholische und evangelische Kirche in Deutschland prognostiziert. Die Zahlen z.B. auch der weiter sinkenden Gottesdienstteilnehmenden sind erschütternd, sprechen aber eine klare Sprache. Alle bisherigen wohlklingenden Ankündigungen wie „Pfarreien der Zukunft“, „Diakonische Kirchenentwicklung“ und „Pastorale Entwicklungsprojekte“ haben bislang keine Trendumkehr bewirken können. Auch der jetzt versprochene „verbindliche synodale Weg“ muss erst noch beweisen, dass grundlegende Reformen der Theologie und Pastoral möglich sind. Wenn sich die Bischofskonferenz jetzt bemühen will, wie deren Generalsekretär Pater Dr. Hans Langendörfer erklärt, den Menschen eine Beheimatung in der Kirche zu geben, so sind endlich die theologisch wie pastoral höchst fragwürdigen Strukturreformen in Form von Pfarreizusammenlegungen und -schließungen auf den Prüfstand zu stellen, die auf die Zahl der immer weniger werdenden Priester ausgerichtet sind. In diesem Sinne sollte auch der jüngste Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ verstanden werden, in dem Papst Franziskus vor rein strukturellen Lösungen warnt. Statt gewachsene Strukturen „von oben“ zu zerstören, sollten die Bistumsleitungen die konkrete Pastoral vor Ort nach den jeweiligen Bedürfnissen unterstützen. Es braucht einen Systemwechsel: Weg von dem von den Bischöfen kontrollierten Versorgungsprinzip zur wirklichen Teilhabe der Getauften und Gefirmten an der Gestaltung ihres Gemeindelebens. +++ pm