Wo Vergewaltigungsopfer schnelle Hilfe erhalten

Seit acht Jahren sind Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen Kooperationspartner

Seit acht Jahren erhalten Vergewaltigungsopfer in den Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen medizinische Soforthilfe. Als kleines Zeichen der Anerkennung überreichte Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler (rechts) süßes Backwerk an Dr. Elke Schulmeyer, Leiterin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, gemeinsam mit Ulrike Schmid (links) und Grit Ciani aus dem Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Main-Kinzig-Kreises.

Eine Vergewaltigung ist ein schwerwiegendes Ereignis, körperlich und seelisch. Besonders wichtig ist es, die Betroffenen – Frauen, Männer und Diverse – bestmöglich zu versorgen. Zunächst steht hier die medizinische Versorgung im Vordergrund. Denn jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Seit acht Jahren haben Betroffene im Main-Kinzig-Kreis die Möglichkeit, medizinische Soforthilfe nach einer Vergewaltigung (MSnV) in Anspruch zu nehmen. Projektpartner sind neben den Main-Kinzig-Kliniken auch die beiden Hanauer Krankenhäuser St. Vinzenz und Städtisches Klinikum. Das Projekt wurde vor zehn Jahren vom Frauennotruf Frankfurt in Frankfurt initiiert und hat seitdem weitere Unterstützerkliniken gefunden.

„Eine Vergewaltigung ist eine höchst traumatische Erfahrung. Viele Betroffene wollen aus Angst vor dem Peiniger, aber auch aus Scham keine Anzeige bei der Polizei erstatten. Trotzdem ist es wichtig, dass sie sich so schnell wie möglich medizinisch versorgen lassen. Eine Klinik kann aufgesucht werden, ohne dass die Polizei hinzugezogen werden muss“, erklärt Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler. Gemeinsam mit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Grit Ciani und Ulrike Schmid vom Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Kreises überbrachte Susanne Simmler dem Team der gynäkologischen Abteilung der Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen als Zeichen der Wertschätzung für die langjährige Zusammenarbeit eine süße Stärkung in Form einer Torte.

Die ärztliche Versorgung nach einer Vergewaltigung sollte möglichst zeitnah erfolgen – bis zu drei Tage nach der Tat. Aber auch eine spätere Untersuchung ist sinnvoll, auch wenn keine äußeren sichtbaren Verletzungen vorliegen. Die Betroffenen können entscheiden, ob sie dann auch vertraulich Spuren sichern lassen. Das ist in den teilnehmenden Krankenhäusern möglich. Die gesicherten Spuren werden ein Jahr lang in der Rechtsmedizin Frankfurt gelagert. Vertraulichkeit ist dabei an jeder Stelle und jederzeit garantiert, betonte Dr. Elke Schulmeyer, Leiterin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe an den Main-Kinzig-Kliniken, deutlich. Sie bedankte sich für die kleine Anerkennung und gab einen Einblick in die Situation der Betroffenen: „Die Hemmschwelle ist groß, über das Erlebte zu sprechen. Deshalb sorgen wir in der Klinik dafür, dass die Untersuchung möglichst schnell erfolgt, in einem sicheren Umfeld. Alle Betroffenen können sich darauf verlassen, dass ihr Anliegen vertraulich behandelt wird. Das beginnt bereits am Eingang zum Krankenhaus, alle dort arbeitenden Personen wurden für solche Fälle sensibilisiert und wissen, was zu tun ist.“

Nach Ablauf der einjährigen Aufbewahrungsfrist werden die gesicherten Spuren ohne weitere Information an die Betroffenen vernichtet. Trotzdem haben diese noch 20 Jahre Zeit, um Anzeige zu erstatten. „Es ist gut, dass wir dieses Projekt im Main-Kinzig-Kreis mit den Krankenhäusern in Hanau und Gelnhausen fest etablieren konnten. Gerade die gerichtsfeste Dokumentation und die Spurensicherung sind enorm wichtig. Beides soll den Opfern den Rücken stärken und ihnen Mut machen, sich einer Anzeige zu stellen, sobald sie sich dazu in der Lage fühlen“, erläutert Susanne Simmler. Im Jahr 2022 haben sich 13 Frauen im Rahmen des Projekts in einer der drei teilnehmenden Kliniken nach einer Vergewaltigung medizinisch versorgen lassen, die meisten ließen dabei auch Spuren sichern. „Die Hemmschwelle, eine Vergewaltigung anzuzeigen, aber vor allem sich medizinische Hilfe zu holen, ist leider sehr groß. Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, erläutert Grit Ciani. Für das laufende Jahr haben bislang sechs Frauen das Angebot in der Modellregion Hanau und Main-Kinzig-Kreis genutzt. „Schätzungen zufolge ist jede fünfte Frau und jeder zehnte Mann von sexualisierter Gewalt betroffen“, erläutert Grit Ciani.

Einig waren sich die Frauen darin, dass Prävention ein wichtiges Thema ist. „Welches Verhalten im Umgang mit anderen ist noch in Ordnung und welches nicht?  Wo liegen die persönlichen Grenzen und was ist tatsächlich übergriffiges Verhalten? Viele Opfer suchen die Schuld bei sich selbst – auch, weil ihnen das gern von ihrem Umfeld so suggeriert wird. Da ist es kein Wunder, wenn sich die Betroffenen für das Erlebte schämen, obwohl sie keinerlei Schuld trifft“, erklärt Susanne Simmler. „Wir möchten deutlich machen, dass niemand diese Last alleine tragen muss. Hilfsangebote stehen in medizinischer als auch psychologischer Hinsicht zur Verfügung, es gibt eine ganze Reihe an Beratungsstellen, niemand muss das mit sich selbst ausmachen“, betont Susanne Simmler. Deshalb lautet der eindringliche Appell an die Betroffenen, der sich auf den Plakaten und Flyern der Kampagne wiederfindet: Gehen Sie zum Arzt – und nicht zum Alltag über.

Etwa 90 Prozent der überwiegend männlichen Täter kommen aus dem direkten Umfeld der Opfer. Die meisten sexuellen Übergriffe finden durch Partner oder Partnerinnen, Bekanntschaften oder im Familienumfeld statt. Dieser Umstand erschwert es vielen Betroffenen, sich jemandem anzuvertrauen. Nicht selten wird die Situation dann verharmlost oder falsch eingeschätzt.

Ulrike Schmid koordiniert das Projekt zwischen dem Main-Kinzig-Kreis und der Stadt Hanau sowie den drei teilnehmenden Kliniken und den Beratungsstellen. Sie ist unter anderem für die Beschaffung und Verteilung des Untersuchungs- und Dokumentationsmaterials, sowie für die finanzielle Abwicklung von Spenden der Bürgerstiftung Hanau Stadt und Land, Förderungen durch das Land Hessen sowie der Kreisverwaltung und der Stadt Hanau zuständig.  +++ pm

Weitere Info

Betroffene können sich an folgende Kliniken wenden – und zwar an die Anmeldung beziehungsweise die Zentrale Notaufnahme oder die Frauenstation:

Main-Kinzig-Kliniken Gelnhausen, Herzbachweg 14, in Gelnhausen, Telefon (06051) 87-0.

Klinikum Hanau, Leimenstraße 20, in Hanau, Telefon (06181) 296-0.

St. Vinzenz-Krankenhaus, Am Frankfurter Tor 25, in Hanau, Telefon (06181)  272-0

Weitere Informationen sind hier zu finden:

www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de  Hessen – Hanau und Main-Kinzig-Kreis.

Im Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Main-Kinzig-Kreises, Telefon (06051) 85-123 14, frauenbuero@mkk.de können Flyer und Plakate angefordert werden.

Diese liegen und hängen auch in vielen Hausarzt- und Frauenarztpraxen.

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