Władysław Żukowski wurde bei Dietershan ermordet

Zuerst wurde das Todesmarsch-Opfer als namenloser Toter beerdigt

In Kalbach-Heubach wurde am 29. März 1945 bei Fulda-Dietershan ein namenloser KZ-Häftling erschossen. Erst etwa 75 Jahre später fand ein Historiker heraus, dass der Tote ein polnischer Widerstandskämpfer mit dem Namen Władysław Żukowski war. Thema eines Vortrags in Heubachs ehemaliger Synagoge war die Suche nach diesem Menschen und seinem Leben.

Im Rahmen der Veranstaltungen zum Gedenken an den Todesmarsch aus den Adlerwerken bei Frankfurt nach Hünfeld in der Karwoche 1945 berichtete Dr. Götz Hartmann über das Geschehen und seine Forschungen. Er ist Historiker und arbeitet für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Hessen. Den gut besuchten Abend hatten der Volksbund, die Stadt Fulda sowie der Förderverein Landsynagoge Heubach gemeinsam organisiert.

Am Gedenktag, vor genau 80 Jahren, beendete ein Schuss in den Hinterkopf das Leben des Mannes aus Warschau. Er war damals 43 Jahre alt. Er war einer von wohl mehr als 70 Zwangsarbeitern. SS-Wachen trieben die Häftlinge entlang der damaligen Reichsstraßen 40 und 27 nach Hünfeld. Wer nicht mehr konnte, wurde umgebracht. Etwa 360 halb verhungerte Häftlinge hatten am Abend des 24. März in Frankfurt aufbrechen müssen – rund 280 erreichten am Ende das KZ Buchenwald bei Weimar.

Ob Schwäche oder ein „Vergehen“ wie der Versuch, etwas Essbares am Wegesrand zu bekommen, dem Mann aus Polen den Tod brachten, ist nicht bekannt. Er wurde erschossen und in einem Bombentrichter neben der Straße zurückgelassen. Sein Leichnam wurde erst Wochen später auf dem Dorffriedhof Dietershan bestattet.

Anfang der 1960er Jahre bekam der „Volksbund“ per Bundesgesetz die Aufgabe, die Gräber der Kriegstoten auf Ehrenfriedhöfen zu bestatten – in der Regel geordnet nach Landkreisen. Darum wurde auch der Leichnam aus Dietershan umgebettet. Die Helfer sicherten Daten und notierten die Schusswunden am Kopf des Mannes mit kriminalistischer Sorgfalt, außerdem die Häftlingsnummer auf der KZ-Uniform. Jedoch unterlief ihnen ein Übertragungsfehler. Deswegen scheiterte die Identifizierung des Mannes beim Abgleich mit den Häftlingslisten, die die Nazis mit Akkuratesse führten. Der Mann aus Dietershan wurde am Ehrenfriedhof Ludwigstein in Nordhessen im Grab Nr. 293 erneut als „Unbekannter Toter“ bestattet – allerdings mit dem Hinweis, dass er vermutlich ein Opfer des Todesmarschs der Adlerwerke war, erläuterte Hartmann.

Dem Historiker gelang es schließlich 2021, bei einer Überprüfung der Unterlagen den Fehler bei der Datenübermittlung zu finden: Eine „3“ war als „8“ gelesen und notiert worden. Der Abgleich der Unterlagen des Volksbunds mit dem umfangreichen Material der „Arolsen Archives“ ergab: Bei dem Toten handelt es sich um den Leichnam des 43-jährigen Friseurs Władysław Żukowski.

Wie viele andere, die im KZ der Frankfurter Adlerwerke unter schlechten Bedingungen in der Rüstungsproduktion arbeiten mussten, war er nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands von 1944 festgenommen und zuerst nach Buchenwald, danach nach Frankfurt gebracht worden.

Żukowski hinterließ eine Frau sowie mindestens einen Sohn. Bis heute ist unklar, ob die Witwe, die 1947 über den Suchdienst des Roten Kreuzes nach ihrem Mann suchte, je mehr erfuhr, als dass ihr Mann in einem KZ gestorben war. Hartmann sagte: „Ich versuche immer noch, Angehörige zu finden – auch mit Hilfe polnischer Journalisten.“ Dass dies möglich ist, zeigte sich beim Beginn der Gedenkveranstaltungen für den Todesmarsch in Frankfurt. Dort wurde vergangene Woche am Hauptfriedhof eine Gedenk-Stele für die rund 600 während ihres Frondiensts verstorbenen Insassen des Adlerwerke-KZs eingeweiht – eine Frau war angereist und stand nun zum ersten Mal am Grab ihres Großvaters.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Vorsitzende des Fördervereins, Hartmut Zimmermann, zwei Kerzen angezündet. Sie erinnerten an den ermordeten Władysław Żukowski sowie an Janusz Garlicki. Dieser hatte als junger Mann den Todesmarsch überlebt. Durch die Veröffentlichung seiner Erinnerungen daran („Von der Wahrscheinlichkeit zu überleben“, Harrasowitz-Verlag) wurde er zu einem Chronisten des Grauens, zudem zu einem Botschafter der Versöhnung. Garlicki war 2013 auf Einladung der Caritas des Bistums Fulda im Kloster Hünfeld zu Gast gewesen und hatte von seinem Schicksal berichtet. +++


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