Wirtschaftsweise legen Herbstgutachten vor

Schuldenquoten der EU-Mitgliedstaaten in der Corona-Pandemie teils stark gestiegen sind

Die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, haben am Mittwoch ihr Herbstgutachten vorgelegt. Die wesentlichen Kennziffern waren schon am Montag von mehreren Zeitungen veröffentlicht worden. Demnach wird die Konjunkturprognose für 2022 von 4,0 auf 4,6 Prozent Wachstum erhöht, dafür sinkt sie für das laufende Jahr von 3,1 auf 2,7 Prozent. Vielfältige Liefer- und Kapazitätsengpässe führen laut Analyse der Wirtschaftsweisen zu Störungen in den globalen Wertschöpfungsketten und dürften die Industrieproduktion teilweise ins Jahr 2022 verschieben. Die infolge der konjunkturellen Erholung und der Engpässe stark gestiegenen Erzeugerpreise dürften bis ins nächste Jahr hineinwirken und die Verbraucherpreisinflation hoch halten.

Das Gremium stellt ferner fest, dass die Schuldenquoten der EU-Mitgliedstaaten in der Corona-Pandemie teils stark gestiegen sind. „Tragfähigkeit und Krisenresilienz“ der Staatsfinanzen sollten deswegen wieder gestärkt werden. Bei der Geldpolitik wünschen sich die Experten eine „Normalisierungsstrategie“, die veröffentlicht werden solle. Die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen ist in der Coronakrise nach vorläufigen Befunden aufgrund sozialstaatlicher Maßnahmen nicht angestiegen, wenngleich geringfügig Beschäftigte, Geringqualifizierte und Selbständige besonders negativ betroffen waren. Am Arbeitsmarkt gelte es, Weiterbildungsangebote auszubauen sowie stärkere Anreize zur Weiterbildung und zur Erwerbstätigkeit von Zweitverdienenden zu setzen. Umfangreiche und gezielte Bildungsinvestitionen und -reformen seien erforderlich, „um pandemiebedingte Bildungsrückstände auszugleichen und die Chancengleichheit zu erhöhen“, so die Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten. Anders als in vergangenen Rezessionen sei während Corona der Arbeitsplatzabbau und die Anzahl der Marktaustritte zurückgegangen. „Ein Nachholeffekt in größerem Umfang ist aktuell nicht zu erwarten“, so das Gremium.

Um den Strukturwandel zu unterstützen, sollten die Rahmenbedingungen für Gründungen, geordnete Marktaustritte und die Mobilität von Beschäftigten verbessert werden. Und um das Potenzial einer beschleunigten Digitalisierung zu heben, sei eine „kohärente Strategie und Priorisierung“ wie zum Beispiel ein sicherer Zugang zu Daten und Technologien erforderlich. „Risiken des Klimawandels sowie die wirtschaftlichen Chancen der notwendigen Transformation sind weltweit heterogen verteilt“, heißt es weiter in dem Jahresgutachten. Fortschritte bei der globalen Kooperation sollten durch Lastenausgleich und Technologiekooperationen befördert werden. „Dies dürfte private Investitionen weltweit deutlich stärken“, so die Experten. +++