Das Kabinett hat heute im zweiten Durchgang den Entwurf des Wirtschaftsministeriums für die Novelle des Thüringer Vergabegesetzes (ThürVgG) beschlossen. Es soll bürokratische Hürden senken, den Rechtsschutz für Bieter verbessern, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern, aber auch soziale und ökologische Belange stärken. Neu eingeführt wird zudem ein vergabespezifischer Mindestlohn in Höhe von 10,04 Euro. Die Erhöhung gegenüber dem bisherigen Entwurf ergibt sich aus der Anlehnung des Mindestlohns an den Gebäudereiniger-Tarif, der zum 1. Januar 2019 auf 10,05 Euro gestiegen war.
„Es war eine schwierige Aufgabe, die sehr gegensätzlichen Interessenlagen der Wirtschaft, der Arbeitnehmer, der Ressorts und der öffentlichen Auftraggeber auszubalancieren. Ich denke, dass uns das gelungen ist. Damit haben wir das im Kern richtige Gesetz behutsam nachjustiert und ein für die Unternehmen immer noch gut handhabbares Ergebnis erzielt“, bilanzierte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee. Der Gesetzentwurf wird jetzt dem Landtag zugeleitet und soll noch vor der Sommerpause 2019 verabschiedet werden.
„Ich bin überzeugt, wir legen ein modernes Gesetz vor, das die Vergabeverfahren schlanker macht, soziale, ökologische und wirtschaftliche Komponenten in eine gute Balance bringt und einen Beitrag für faire Löhne in Thüringen leistet“, betonte Tiefensee. Der vorgelegte Gesetzentwurf halte an dem Ziel fest, faire soziale und ökologische Bedingungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten.
Dem Ansinnen aller Beteiligten nach Vereinfachung, Kosteneinsparungen und Entbürokratisierung komme der Gesetzentwurf in zahlreichen Punkten nach: unter anderem durch die Anpassung an die Vergaberegelungen des Bundes, die Einführung des Bestbieterprinzips, die Möglichkeit eines Direktauftrags bis zu einer Wertgrenze von 1.000 Euro oder etwa die Erleichterung bei Schulbuchbestellungen. Beim Bestbieterprinzip etwa müssen die nach dem Thüringer Vergabegesetz verpflichtend vorzulegenden Formblätter und Erklärungen nur noch vom voraussichtlich erfolgreichen Bieter vorgelegt werden. Zudem müssen Bieter erforderliche Nachweise bei Aufträgen desselben Auftraggebers innerhalb von 12 Monaten nicht erneut einreichen. Vereinfacht wurde auch die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, die zukünftig bis zu einem Auftragswert von 1000 Euro (bisher 500 Euro) direkt vergeben werden dürfen; Schulbuchbestellungen können unterhalb der EU-Schwellenwerte durch eine Verhandlungsvergabe vergeben werden.
Ein besonderes Augenmerk bei der Novellierung lag auf der stärkeren Berücksichtigung sozialer und ökologischer Belange, ohne dass zusätzliche, unüberwindbare Hürden für die mittelständische Thüringer Wirtschaft entstehen. Laut einer vorab durchgeführten Befragung stößt „die bestehende Möglichkeit der Kopplung von Vergaben öffentlicher Aufträge an soziale und ökologische Standards auf weitgehende Akzeptanz der Unternehmen. Insofern war es unser Ziel, diese Standards maßvoll zu erweitern“, betont Tiefensee weiter.
Ein zentraler Punkt sei etwa die Gewährleistung eines guten Lohnstandards bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns. Staatliche Aufträge sollen demnach nur dann vergeben werden, wenn ein Mindestlohn von 10,04 Euro pro Stunde gezahlt wird. Verpflichtend soll die Regelung jedoch nur für Landesaufträge und die Branchen sein, die keine Mindestlöhne im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder des Tarifvertragsgesetzes haben. Bei der Vergabe von Verkehrsdienstleistungen des ÖPNV sollen Aufträge nur noch an Unternehmen erfolgen, die mit einschlägigen und repräsentativen Tarifverträgen vergleichbare Löhne zahlen. „Mit dem Vergabegesetz werden wir daher einen maßvollen Beitrag dazu leisten, dass Arbeit gut bezahlt wird“, so Tiefensee.
Soziale und ökologische Kriterien, die für den Auftragsgegenstand entscheidend sind, können nach wie vor fakultativ durch den Auftraggeber festgelegt werden. Allerdings sollen ökologische und soziale Kriterien zukünftig ausschlaggebend sein, wenn die öffentlichen Auftraggeber zwischen sonst gleichwertigen Angeboten entscheiden müssen. Diese bislang fakultative „Bonusregelung“ wird nunmehr obligatorisch und um weitere soziale und ökologische Aspekte (wie z. B. den Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen oder schwerbehinderten Menschen sowie Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz) ergänzt. Die bisherige Regelung, nach der der Bieter bevorzugt wird, der mindestens 25 Mitarbeiter beschäftigt, entfällt zugunsten kleiner Unternehmen. Außerdem wird auf eine umweltverträgliche Beschaffung von Investitionsgütern unter Berücksichtigung des Lebenszyklusprinzips hingewirkt.
Um auch in Zukunft die Interessen der Wirtschaft und der öffentlichen Auftraggeber angemessen zu berücksichtigen, soll das Gesetz nach acht Jahren erneut evaluiert werden. Die Evaluation des vergabespezifischen Mindestlohns erfolgt bereits nach vier Jahren. +++ pm