Wirtschaftsforscher sieht „bedenkliche Schieflage“ beim Mindestlohn

Berlin. Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, hat die geplanten Mindestlohn-Regelungen der schwarz-roten Koalition scharf kritisiert und sieht eine „bedenkliche Schieflage“ bei der Lohnuntergrenze. „Die Bundesregierung ist mit den jetzt debattierten Ausnahmen offenkundig dabei, vor den Partikularinteressen einzelner Branchen einzuknicken. Sie verliert auf diese Weise das gesamtwirtschaftliche Interesse an einer gesetzlichen Lohnuntergrenze aus den Augen“, sagte Horn „Handelsblatt-Online“.

„So gerät das gesamte Vorhaben Mindestlohn in eine bedenkliche Schieflage.“ Ziel sei schließlich gewesen, die Löhne am unteren Ende der Lohnskala zu stabilisieren, sagte Horn weiter. „Werden Ausnahmen gemacht, wird der Ruf nach weiteren Ausnahmen lauter und die Lohnuntergrenze verschwindet immer weiter im Nebel diverser Anrechnungs- und Ausnahmetatbestände“, warnte der IMK-Chef. „Dann wird das eigentliche Ziel verfehlt.“

FDP: Gesetzlicher Mindestlohn bleibt Käse

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat den geplanten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde scharf kritisiert: „Auch wenn er nun löchrig wird, bleibt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn Käse“, sagte die Freidemokratin am Montag in Berlin. „Die zusätzlichen Ausnahmen begrenzen zwar den Schaden, aber gerade für junge Menschen, Langzeitarbeitslose und den Mittelstand gibt es keinen Grund zur Entwarnung.“ Der Mindestlohn werde Arbeitsplätze kosten, prophezeite die FDP-Generalsekretärin. „Damit schadet er den Schwächsten am Arbeitsmarkt und wird so zum Chancenblockierer. Besser wäre es, das bestehende System der Branchenmindestlöhne weiterzuentwickeln.“

Linke: Mindestlohn „Flickenteppich“

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, hat die jüngste Gewerkschaftskritik von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zurückgewiesen und den Mindestlohn als einen einzigen „Flickenteppich“ bezeichnet. „Die SPD-Generalsekretärin scheint vergessen zu haben, was die SPD ihren Mitgliedern, unter denen auch viele Gewerkschafter sind, zur Urabstimmung über die Koalitionsvereinbarung vorgelegt hatte – einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ohne Ausnahmen“, sagte Bartsch der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Herausgekommen ist nun ein einziger Flickenteppich.“ Bartsch fügte hinzu: „Dass die Gewerkschaftsvorsitzenden sich nicht für dumm verkaufen lassen wollen und offenbar ein besseres politisches Kurzzeitgedächtnis haben, sollte deshalb der SPD-Spitze nicht Anlass für Mahnungen an deren Adresse, sondern für den Griff an die eigene Nase sein. Verarschen können sich die Gewerkschafter und die SPD-Basis auch allein.“ Fahimi hatte erklärt, die Kritik der Gewerkschaften an den geplanten Ausnahmen beim Mindestlohn sei „völlig überzogen“. +++ fuldainfo