Wieder Panne beim RKI – Fallzahlen zum Wochenausklang wohl höher

Bundesregierung plant keine Grenzschließungen

Das RKI hat am Freitag eine Datenpanne eingeräumt. Aufgrund eines dreistündigen Serverausfalls am Donnerstag könne es sein, dass „nicht alle Datensätze von den Gesundheitsämtern und zuständigen Landesbehörden übermittelt werden konnten“, hieß es in einer Erklärung. Bisher sei unklar, wie viele Fälle betroffen sind. „Damit wird die Differenz zum Vortag heute wahrscheinlich unterschätzt.“ Tatsächlich hatte das RKI am frühen Freitagmorgen mit 11.242 Fällen einen Wert übermittelt, der um knapp vier Dutzend hinter dem Rekordwert vom Vortag zurückblieb. Die letzten vier Wochen war der jeweils am Freitagmorgen vom RKI veröffentlichte Wert aber stets höher gewesen als am Vortag, teilweise sogar deutlich. Die fehlenden Fälle sollen im Verlauf des Freitags nachübermittelt werden, wodurch am Samstag die Differenz zum Vortag dann auch die nachübermittelten Fälle enthalte und dadurch überschätzt werden könne, so das RKI. Probleme bei der Datenübermittlung an das RKI gab es erst vor wenigen Tagen.

Haseloff: Zweiten Lockdown „könnten wir nicht verkraften“

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), warnt eindringlich vor einem zweiten Lockdown. Man habe sich darauf verständigt, dass bei 50 Infektionen innerhalb von sieben Tagen auf 100.000 Einwohner man mit weiteren Maßnahmen die Kontakte reduzieren müsse, sagte er der n-tv-Redaktion. „Wir brauchen mindestens eine um 50 Prozent reduzierte Kontaktdichte. Und das müssen wir schaffen.“ Und das möglichst ohne, dass die wirtschaftlichen Prozesse beeinträchtigt würden. „Denn einen zweiten Lockdown wie im Frühjahr können wir nicht verkraften. Wir brauchen, und das zeigen auch die Erfahrungen der letzten Monate, lokale Lösungen“, so der Ministerpräsident. Man müsse „minimal invasiv“ dort die Herde identifizieren, die vorhanden sind und diese versuchen einzugrenzen. „Damit kommt man weiter. Eine flächenhafte, für ganz Deutschland ausgerufene Variante, führt zu nichts.“ Dafür sei die Unterschiedlichkeit einfach zu groß. „Ich habe einen Landkreis mit vier bis fünf Infizierten pro 100.000 in sieben Tagen und wenn ich mir Bayern angucke mit um die 200 in bestimmten Landkreisen, dann weiß man, dass wir völlig unterschiedliche Methodiken brauchen, damit das Ganze funktioniert.“

Weltärztepräsident: „Natürlich helfen Masken“

Der Weltärztepräsident, Frank Ulrich Montgomery, hat den Nutzen von Alltagsmasken hervorgehoben, nachdem der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, diesen infrage gestellt hatte. „Ich habe mit Klaus Reinhardt früher lange darüber gesprochen. Ich glaube, er ist überinterpretiert und fehlinterpretiert worden“, sagte Montgomery der n-tv-Redaktion. „Natürlich helfen Masken alleine durch den mechanischen Schutz, ich glaube, das kann sich jeder ganz einfach vorstellen.“ Man sei aber gemeinsam der Meinung, dass es eigentlich nicht Alltagsmasken sondern richtige medizinische Masken, sogenannte FFP2-Masken, für die ganze Bevölkerung bräuchte. „Würden wir alle immer sechs Wochen lang, Tag und Nacht diese Masken tragen, dann wäre die Infektion in Deutschland ziemlich schnell komplett gebannt.“ Den Vorschlag Christian Drostens einer altersspezifischen Betrachtung der Infektionen halte er für „klug“, so der Weltärztepräsident. „Es ist in der Tat komplett richtig, auch was Herr Streek sagt, diese einseitige Fixierung auf einen einzigen Wert, die hilft in der Medizin nicht schrecklich viel weiter. Man muss das gesamte Bild betrachten, also die Inzidenz der Neuinfektionen, den sogenannten R-Faktor, auch die altersspezifischen, abgestuften Inzidenzfaktoren.“ Das müsse man alles zusammen betrachten und dann daraus „ein Bild“ machen. „Das ist regional und lokal völlig unterschiedlich.“

Bundesregierung plant keine Grenzschließungen

Deutschland will im Zuge der Coronakrise seine Grenzen derzeit nicht noch einmal schließen. „Die Wiederanordnung von vorübergehenden Grenzkontrollen wird derzeit nicht erwogen“, sagte Innenministeriums-Sprecher Björn Grünewälder am Freitag. Es gebe hierzu „keinen neuen Stand“. Jedes Land müsse aus seiner Perspektive beurteilen, welche Maßnahmen erforderlich seien, sagte Grünewälder in Hinblick auf die angekündigte Grenzschließung Dänemarks. „Das haben wir als Deutschland nicht zu kommentieren.“ Auch das Auswärtige Amt erteilte trotz steigender Infektionszahlen neuen Kontrollen an den Grenzen eine Absage. Man habe im Frühjahr gesehen, „dass Grenzschließungen nicht in unser aller Sinne sind“, sagte Außenamtssprecherin Andrea Sasse.

Niedersachsen fordert Kontakttagebuch von allen Bürgern

Die niedersächsische Landesregierung bittet die Bevölkerung, alle Kontakte schriftlich festzuhalten. „Führen Sie ein Kontakttagebuch“, sagte Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) dem „Spiegel“. „Ich fordere alle auf, sich abends kurz hinzusetzen und sich Notizen darüber zu machen, wen sie im Laufe des Tages getroffen haben und wo es möglicherweise risikoreiche Begegnungen gab.“ Vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen wolle die Landesregierung auf diesem Weg die Gesundheitsämter unterstützen. Reimann: „Wer weiß schon genau, wen er vor einer Woche an welchem Ort getroffen hat?“ Niedersachsen lag am Donnerstag bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 41 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner. Einige Regionen liegen bereits weit darüber. Delmenhorst etwa gehört zu den Hotspots der Republik. Es sei wichtig, die Behörden zu entlasten, so die Ministerin. „Egal, ob Sie eine Kalenderfunktion dafür nutzen oder die Kontakte in ein Buch schreiben“, sagt Reimann, „ein paar Notizen jeden Tag würden enorm helfen und die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung der Kontakte unterstützen.“ +++ nh/dts