Wie schätzen die Verantwortlichen die Corona-Lage ein?

Vergleich mit dem bisherigen Pandemieverlauf schwierig

„Wenn wir nicht aufpassen, tappen wir in die gleiche Falle wie im letzten Jahr“, so mahnte dieser Tage der ärztliche Leiter des Vogelsberger Impfzentrums, Dr. Erich Wranze-Bielefeld. Wir haben in den Landkreisen Fulda und Main-Kinzig sowie in den niedergelassenen Kliniken und Krankenhäusern nachgefragt, wie man sich auf die kommende Zeit vorbereitet.

Aus dem Landkreis Fulda hieß es, dass die wirksamste Gegenmaßnahme, die zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung stehe, die Impfung sei und bleibe. Stand heute hätten 61 Prozent der Bürgerinnen und Bürger des Kreises ihre erste Impfung erhalten, vollständig geimpft seien mittlerweile 51 Prozent. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen seien im Landkreis Fulda 85 Prozent vollständig geimpft. Dies sei zwar eine hohe Impfquote, dennoch bedeute dies im Umkehrschluss, dass etwa 10.000 Bürgerinnen und Bürger dieser gefährdeteren Altersgruppen noch nicht geimpft seien. Momentan gestalte es sich einfacher denn je, eine Impfung zu erhalten: Jeden Tag besteht die Möglichkeit, eine Erstimpfung mit einem der mRNA-Vakzine der Hersteller Biontech/Pfizer oder Moderna im Impfzentrum zu erhalten – und das ganz ohne Termin. Das offene Impfangebot ist täglich – von Montag bis Sonntag – von 9- bis 18 Uhr jederzeit zugänglich. Die Impfwilligen müssen für eine Impfung lediglich ein Ausweisdokument mitbringen – und falls vorhanden einen Impfpass und die Krankenkassenkarte. Informieren Sie sich über die Möglichkeit einer Impfung. Bedenken Sie, dass der vollständige Impfschutz zwei Monate nach der Erstimpfung erreicht ist. Das heißt, wer sich morgen impfen lässt, ist Ende September umfassend geschützt. Wir müssen uns jetzt auf den Herbst und Winter vorbereiten: Dies gelingt uns vor allem durch eine hohe Impfbereitschaft – ganz besonders in den gefährdeten Gruppen. Je mehr Menschen in diesen Altersgruppen geimpft sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern ausreichen.

Herz-Jesu-Krankenhaus: Grundsätzlich gilt ein Notfallkonzept
Nach der dritten Welle und erfreulicherweise gesunkenen Zahlen sind auch wir im Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda inzwischen Schritt für Schritt zum normalen Regelbetrieb übergegangen, heißt es vonseiten des Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda auf Anfrage. Und weiter: Nichtsdestotrotz sind auch derzeit die Covid-Station und Bereiche mit entsprechend fachmännischem Personal im Krankenhaus vorhanden und können zu jeder Zeit an die gegenwärtige Lage bei Bedarf flexibel angepasst, d.h. vergrößert werden. Grundsätzlich gilt unser Notfallkonzept, das vorsieht, wenn möglich permanent gewisse Notfallkapazitäten bereitzuhalten. Augenblicklich heißt das konkret, dass mindestens ein Intensivbett sowie einige Betten auf den Normalstationen freigehalten werden. Nötigenfalls können diese Kapazitäten erhöht werden, sodass immer eine Reserve vorhanden ist. Wir bereiten uns im Herz-Jesu-Krankenhaus längst auf wieder stärker wachsende Infektionszahlen und einhergehend steigende Fälle von stationär behandlungsbedürftigen Patienten vor im Rahmen einer vierten Welle der Corona-Pandemie im Spätsommer/Herbst. Laut Expertenmeinung besteht ein hohes Risiko einer schnellen Ausbreitung der hochansteckende Delta-Mutation und Neuansteckungen, trotz steigender Impfquote, wobei bislang ohnehin lediglich die Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft, der Großteil an Kindern noch völlig ohne Impfung ist. Darüber hinaus muss der Fakt bedacht werden, dass die Immunität bei bereits geimpften Personen gegebenenfalls nach einem gewissen Zeitraum nachlässt und diese sich unter Umständen infizieren können. Die Vorbereitung auf einen „Corona-Herbst“ erfolgt im Herz-Jesu-Krankenhaus maßgeblich, indem wir auf die Pandemie-Erfahrung der zurückliegenden Monate zurückgreifen. Positiv ist, dass nahezu alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft und damit geschützt sind. Wir sind mit Schutzmaterialien bevorratet, in der Vergangenheit wurden Betten und Beatmungsgeräte organisiert, weiterhin gelten selbstverständlich Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus wie das Tragen medizinischer Masken, die Einhaltung des Mindestabstands und der Hygienemaßnahmen. Zur Vorbereitung zählt außerdem stetig unsere Hygienekonzepte weiterzuentwickeln, Personal zu schulen, um gut gerüstet zu sein und eine mögliche vierte Welle bewältigen zu können sowie den Bedarf an Behandlungen und Eingriffen jederzeit sicher zu gewährleisten.

Helios Klinik Hünfeld Sicherheitskonzept gilt weiterhin
Auch wenn die Inzidenz inzwischen wieder steigt, müssen derzeit erfreulicherweise nur noch sehr wenige COVID-19-Erkrankte stationär behandelt werden, heißt es aus dem Helios St. Elisabeth Krankenhaus in Hünfeld. Wir sind deshalb in der Lage, die wegen COVID-19 teilweise eingeschränkten Behandlungskapazitäten wieder auszuweiten und schrittweise zum Regelbetrieb zurückzukehren. Das Sicherheitskonzept, dass seit Sommer 2020 in allen Helios Kliniken umgesetzt wird, um das Risiko einer Infektion mit COVID-19 zu minimieren, gilt allerdings weiterhin. Neben den Abstands- und Hygieneregeln sowie der strikten Trennung (potenziell) Infizierter und Nicht-Infizierter in markierten Bereichen gehören auch Testungen von Patienten und Mitarbeiter zu unserem Sicherheitskonzept, das wir bis auf Weiteres beibehalten werden. Dazu gehöre eine Steigerung der Impfquote unserer Mitarbeitenden von circa 85 Prozent. Screening aller stationären Patienten bei Aufnahme mittels PCR-Test. Registrierung ambulanter Patienten beim Betreten des Hauses, Screening mittels Symptomfragebogen und Antigentestung. Einrichten von roten, gelben und grünen Zonen im Haus zur strikten Trennung. Weiterhin Angebot zur Antigentestung der Mitarbeiter. Pflicht zum Tragen medizinischer Masken im gesamten Haus. Anpassung von infrastrukturellen Bedingungen: Bereitstellung von zusätzlichen Pausen- und Aufenthaltsräumen, Schließung der Cafeteria für Externe und andere. Besuchsbeschränkungen für Angehörige. (Ausnahmen: werdende Väter und Palliativpatienten, Sterbende.) Mit diesem Konzept sind wir auch auf eventuell steigende Infektionszahlen gut vorbereitet und können alle Patienten, Covid-19-infiziert oder nicht, sicher und adäquat versorgen. Stand heute können inklusive der Covid-19-Bereiche wieder alle Stationen in unserer Klinik betrieben werden. Wir sehen die geschützte Rückkehr zum Regelbetrieb als dringend notwendig an, da bei einigen Krankheitsverläufen aufgrund verschobener oder vermiedener Behandlungen das Risiko einer deutlichen Verschlechterung besteht.

Klinikum Fulda beobachtet steigende Inzidenz mit Sorge
Nach unserer Einschätzung hat die 4. Welle bereits begonnen. Auch wenn mittlerweile bereits viele Menschen in Deutschland geimpft sind: Durch die derzeit dominierende Delta-Variante werden zahlreiche nicht oder nicht vollständig geimpfte Menschen an COVID erkranken. Zwar wird nach heutigem Wissenstand nur ein kleiner Teil davon eine Behandlung im Krankenhaus benötigen, weil ältere Menschen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, die höchsten Impfraten aufweisen und deshalb erfreulicherweise geschützt sind. Gleichwohl wird der exponentielle Anstieg der Infektionszahlen auch wieder Patientinnen und Patienten in die Krankenhäuser bringen. Wir können sehr flexibel auf die jeweilige Situation reagieren und kurzfristig ausreichend viele Behandlungsplätze für COVID-Patienten zur Verfügung stellen. Wir sind gut vorbereitet – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus dem bisherigen Verlauf der Pandemie.

Landkreis MKK: Vergleich mit dem bisherigen Pandemieverlauf schwierig
Die höhere Ansteckungsfähigkeit der nahezu vollständig dominanten Delta-Variante bei gleichzeitig zu mehr als 50-prozentiger geimpfter Bevölkerung machen einen Vergleich mit dem bisherigen Pandemieverlauf schwierig, so der Main-Kinzig-Kreis gegenüber unserer Anfrage. Von dem Beginn einer vierten Corona-Welle geht mittlerweile jedoch selbst das Bundesgesundheitsministerium aus, mit ihm die Länder, bis hin zur kommunalen Ebene. Das Personal im Amt für Gesundheit und Gefahrenabwehr ist schon im vergangenen Jahr erhöht worden und kann kurzfristig weiter aufgestockt werden, sollte das Aufkommen neuer Fälle, größerer Infektionscluster oder Ausbrüche in Einrichtungen dies erforderlich machen. Die Arbeit innerhalb des Amts ist durch die beschleunigte Digitalisierung enorm erleichtert worden, gerade auch im Wechselspiel mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen. Der Main-Kinzig-Kreis verfügt zudem mit „Daicy“ über eine eigene App, die die Kontaktpersonennachverfolgung vereinfacht, ebenso Zertifikate (geimpft/getestet/genesen) integriert und die Öffnungsschritte im öffentlichen Leben sicher begleitet. Wenn man die Ebene der Verwaltung verlässt, könnte man noch die Ausstattung von rund 1.000 Klassenräumen mit Luftreinigungsanlagen erwähnen. Bei aller Vorbereitung: Über allem steht die Frage, wie hart eine weitere Infektionswelle die Krankenhäuser belasten könnte. Der Main-Kinzig-Kreis hat die Entwicklung dort gemeinschaftlich mit den Krankenhausleitungen täglich im Blick, um frühzeitig innerklinische Abläufe anpassen zu können wie auch darüber hinaus gegenzusteuern. Der Appell kann dennoch nur lauten, dass sich möglichst alle Impfberechtigten auch ihre Impfung abholen, um einen größtmöglichen Schutz in der Bevölkerung zu erreichen. Die öffentliche Hand kann da auf kommunaler Ebene ebenfalls einen Beitrag leisten. Der Main-Kinzig-Kreis und die Städte Hanau und Maintal haben im Juni „Dein Pflaster“ aus der Taufe gehoben, eine Impfaktion mit Impfbus, die sich gezielt an die Quartiere und – nun im nächsten Schritt – die einzelnen Ortsteile im Kreisgebiet wendet. Die Pandemie wird zwar durchaus mit kräftiger Hilfe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bekämpft. Aber ohne die Eigenverantwortung eines jeden einzelnen wird es nicht gehen, das beginnt bei den AHA-Regeln und führt übers gezielte Testen bis hin zur Wahrnehmung der Impfangebote.

Vogelsbergkreis: mit Schutzimpfung kann man sich selbst und andere wirksam schützen
Aktuell bewegen sich die Fallzahlen im Vogelsbergkreis auf einem konstant niedrigen Niveau. Trotzdem hat das Gesundheitsamt des Vogelsbergkreises das Infektionsgeschehen engmaschig im Blick, um frühzeitig reagieren zu können. Die in der Kreisverwaltung aufgebauten Strukturen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind nach wie vor in Alarmbereitschaft und für eine mögliche vierte Welle im Herbst gut gerüstet. Bereits seit Herbst 2020 arbeitet der Vogelsbergkreis mit der Spezialsoftware SORMAS, um die epidemiologische Lage lokal zu bewerten und die präventive Arbeit zu unterstützen. Auch wurde die Kontaktpersonennachverfolgung personell verstärkt und im Bedarfsfall kann der Personalstamm weiter ausgebaut werden. Wie sich die Corona-Lage im Herbst und Winter darstellt, bleibt schwer vorauszusagen. Faktoren wie die Impfbereitschaft der Bevölkerung, oder die Verbreitung von Corona-Virus-Mutanten machen verlässliche Einschätzungen schwierig. Fest steht: nur mit einer Schutzimpfung kann man sich selbst und andere wirksam schützen. Allerdings ist deutlich geworden, dass nur eine ausreichende Impfquote dabei hilft, eine mögliche vierte Welle gegen Ende des Jahres zu brechen, hieß es dem Vogelsbergkreis. +++