Wella Werk in Hünfeld wird geschlossen

Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten

Hünfeld. Der Standort des Haarpflege-Herstellers Wella im osthessischen Hünfeld wird geschlossen. Der US-Konzern Coty hat am Donnerstag bestätigt, dass die Produktion im zweiten Halbjahr 2018 ausläuft. Zur Begründung hieß es, das Werk sei nicht rentabel genug. Damit fallen an dem Standort 380 Arbeitsplätze weg. Der Betriebsrat hatte darum gerungen, die Schließung noch abzuwenden. Für Hünfelds Bürgermeister Stefan Schwenk ist dies eine bitter Nachricht.

Trotz meines Urlaubs stehe ich in ständigen Kontakt mit dem Betriebsrat und dem Ersten Stadtrat Theo Flügel. Ich habe die bittere Nachricht schon heute Vormittag entgegen nehmen müssen. Ich bin enttäuscht und ehrlich gesagt sehr traurig, wie hier mit den Beschäftigten umgegangen wird. Die Belegschaft hat ihre Bereitschaft signalisiert, auch harte Einschnitte hinzunehmen, nur wenn es irgendwie weiter geht. Wie ich aus den Gesprächen mit der Werksleitung weis, wurden auch hier die verschiedensten Optionen durchdacht und durchgerechnet. Die Qualität, die Motivation und der gute Ausbildungsstand der Mitarbeiter spielten allerdings offensichtlich bei dieser Entscheidung keine Rolle, ebenso wenig wie die besondere Flexibilität des Standorts. Trotz aller Bemühungen seitens der Politik wurde offenbar in der Europazentrale des amerikanischen Konzerns in Genf entschieden, dass es irgendwo noch billiger geht. Für die Stadt Hünfeld, die nicht nur Zuse-Stadt ist, sondern sieben Jahrzehnte auch Wella-Stadt war, ist das ein schwerwiegender Einschnitt. Das ein Markenprodukt wie Wella mehr ist, als eine Handelsmarke, das dahinter Menschen und eine Unternehmensphilosophie stehen, die die besondere Qualität eines Produktes ausmachen, spielt offenbar keine besondere Rolle. Ob eine solche Konzernpolitik nachhaltig ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Für uns in Hünfeld ist es jetzt wichtig, alles zu tun, damit die Beschäftigten in unserer Region eine Perspektive finden. Deshalb müssen wir weiter Gas geben, bei der Ansiedlung von Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten. Wir haben im Moment einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt und eine historisch niedrige Erwerbslosenquote. Das sollte Mut machen, besonders den betroffenen Beschäftigten und ihren Familien. Die Wellaner sind hochqualifizierte und hochmotivierte Arbeitnehmer, sie werden gebraucht. Wir müssen uns weiterhin darüber unterhalten, welche Perspektiven es für die Liegenschaft gibt. Hier erwarte ich natürlich die Unterstützung von Land und Bund. Ich habe dazu im Hinblick auf das Worst-Case-Szenario bereits erste Gespräche mit der Wirtschaftsförderung beim Land geführt, um Möglichkeiten für eine sinnvolle Nachfolgenutzung der Gebäude und Liegenschaften auszuloten.

Brand: „Management-Arroganz ist ein heftiger Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten – Null Verständnis!“

Scharfe Kritik hat der Fuldaer Wahlkreisabgeordnete Michael Brand am Vorgehen des Coty-Management geübt: „Das rücksichtlose Vorgehen der Coty-Führung ist ein heftiger Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten. Während der Betriebsrat in Hünfeld mit seinem Vorsitzenden Norbert Herr und die Beschäftigten zu schmerzhaften Kompromissen bereit sind und jede Möglichhkeit ausloten, um den Standort und Arbeitsplätze zu retten, zeigt das Management null Interesse am Schicksal der Beschäftigten. Dafür habe ich null Verständnis. Mit dieser Arroganz wird in atemberaubenden Tempo Grundvertrauen verspielt.“ Brand, der morgen in Hünfeld am Gespräch mit der Bundeswirtschaftsministerin und dem Betriebsrat im Hünfelder Rathaus teilnimmt, bezeichnete es als „unfassbare Stillosigkeit“, am Tag vor dem Treffen alle Beteiligten „kalkuliert“ vor vollendete Tatsachen zu stellen. „Das Coty-Management hat von Anfang an ohne Transparenz und ganz offensichtlich mit falschen Karten gespielt. Soziale Verantwortung sieht komplett anders aus.“ Es gehe jetzt darum weiter nach Alternativen zu suchen und für die Beschäftigten das Beste rauszuholen.

Kömpel entsetzt

Ich bin entsetzt und traurig darüber, dass die Unternehmensleitung von Wella/Coty sich nicht hat umstimmen lassen, das Hünfelder Werk zu schließen. In meinen zahlreichen Gesprächen mit dem Betriebsrat und im engen Austausch mit unserem Wirtschaftsministerium in Berlin sahen ich und auch Ministerin Brigitte Zypries die Möglichkeit, den Standort und somit auch zahlreiche Arbeitsplätze zu retten. Es scheint der Unternehmensleitung egal zu sein, was aus ihren Mitarbeiter/innen und den Familien wird. Das ärgert mich sehr, das macht mich wütend. Hünfeld war immer stolz darauf, der Wella-Standort schlechthin zu sein. Das wird nun bald leider Geschichte sein. Was ich nicht verstehen kann, ist die Tatsache, dass die Wella/Coty-Leitung nicht einmal das für kommenden Freitag terminierte Treffen mit Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries abgewartet hat, ehe sie eine Entscheidung getroffen hat. Möglicherweise gab es Befürchtungen, eine SPD-Ministerin würde auf Seiten der Arbeitnehmerschaft stehen und hart in deren Sinn verhandeln. Ich kann bestätigen, dass sie das auch genau so getan hätte. Seit Wochen ist das Ministerium in engem Austausch mit dem Betriebsrat und hat alle Informationen auf dem Tisch. Schade, dass die Entscheidung einen Tag vor dem Treffen bereits gefallen ist. Ein Schelm wer Böses denkt… Mein aufrichtiger Dank gilt dem Betriebsratsvorsitzenden Norbert Herr und seinem Team für die engagierte Arbeit zur Rettung von Wella/Coty. Leider war der Einsatz nicht von Erfolg gekrönt. Heute ist ein schwarzer Tag für Hünfeld, ein schwarzer Tag für die Region. Die Stadt verliert durch den Wegfall eines großen Arbeitgebers an Kaufkraft und viele Familien verlieren ihre Einkommensquelle. Es wird nicht leicht sein, diese tarifgebundenen und deshalb auch gut bezahlten Jobs in der Region zu ersetzen. Dafür gibt es leider inzwischen in der Region nicht mehr viele Unternehmen, die zu solch einem hohen Grad gewerkschaftlich organisiert sind. +++