Wegen Brexit: Bankenaufsicht zieht nach Paris um

FDP: Hessen steht als Verlierer da

Brüssel. Nach dem Brexit wird die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) nach Paris verlegt – die Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) nach Amsterdam. Bisher haben beide Agenturen ihren Sitz in London. Die Einigung wurde am Montag auf der Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ erzielt. Die EMA und die EBA sind zwei wichtige Regulierungsagenturen für den EU-Binnenmarkt und von wesentlicher Bedeutung für die Zulassung von Arzneimitteln und die Bankenregulierung. Im Rennen um den Sitz der Arzneimittel-Agentur war zuvor Bonn gescheitert, Frankfurt unterlag im Rennen um die Bankenaufsicht.

Bouffier: „Der Finanzplatz Frankfurt wird auch ohne EBA der bedeutendste Finanzplatz sein“

Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, bedauern, dass Frankfurt nicht Sitz der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) wird. „Die Bundesregierung hat mit Frankfurt eine sehr gute Bewerbung abgegeben, die wir gern und nach Kräften unterstützt haben. Nun gratulieren wir Paris, das den Zuschlag erhalten hat. Der Finanzplatz Frankfurt wird auch ohne EBA nach dem Brexit der bedeutendste Finanzplatz auf dem europäischen Kontinent sein“, sagten der Ministerpräsident und sein Stellvertreter am Montag nach der Entscheidung des EU-Ministerrats.

Der Ministerpräsident betonte, dass der Finanzplatz Frankfurt aufgrund von Infrastruktur, der Nähe zu Banken und anderen Finanzeinrichtungen sowie der bereits vorhandenen EU-Institutionen die besten Voraussetzungen für die Ansiedlung der EBA biete. „Wir wussten aber von Anfang an, dass bei der Entscheidung neben reinen Sachargumenten auch politische Überlegungen und andere Kriterien eine Rolle spielen können und die deutsche Bewerbung deshalb kein Selbstläufer ist. So ist es nun gekommen. Trotzdem wird der Finanzplatz Frankfurt gestärkt aus dem Brexit hervorgehen“, sagte Bouffier. Wirtschaftsminister Al-Wazir ergänzte: „Natürlich hätten wir bei dem Rennen gerne die Nase vorne gehabt. Ich bin überzeugt: Wir hatten sehr gute sachliche Argumente. Eins konnten und wollten wir aber – anders als einige Mitbewerber – nicht anbieten: Mietfreie Büroräume für die EBA. Es ist schade, dass die Entscheidung am Ende offenkundig auch von solchen Faktoren abhing.“

Bei vielen Gesprächen in Berlin und Brüssel, bei denen die Vorzüge Frankfurts herausgestellt wurden, sei es auch darum gegangen, bei Banken und Unternehmen für Frankfurt und die Region Rhein-Main zu werben, die wegen des Brexits einen neuen Standort in der EU benötigen. „Das ist uns bislang auch sehr erfolgreich gelungen, denn eine ganze Reihe von Banken haben ja bereits angekündigt, dass sie einen Standort in Frankfurt aufbauen oder erweitern werden. Wir sind sicher, dass wir hier weiter erfolgreich sein werden“, betonte der Ministerpräsident. Er und sein Stellvertreter dankten der Bundesregierung, dass sie der hessischen Initiative für eine Bewerbung gefolgt ist, dem EBA-Sonderbeauftragten und früheren Finanzminister Dr. Theo Waigel und allen weiteren Partnern, die sich für Frankfurt als EBA-Standort eingesetzt haben.

FDP: Hessen steht als Verlierer da

Jürgen Lenders, europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag erklärte: „In unmittelbarer Konsequenz aus der Brexit-Entscheidung hatten wir die Landesregierung gewarnt, dass Hessen im Wettbewerb um den Sitz von EU-Behörden keine Zeit verlieren dürfe. Wenn man den Finanzplatz Frankfurt und Hessen tatsächlich stärken will, reicht es nicht aus, mit Werbekampagnen durch London zu touren. Zu einem schlüssigen Gesamtkonzept gehört eben auch, dass eine überzeugende Bewerbung um den zukünftigen Standort der Bankenaufsicht abgegeben wird. Gerade wenn andere Standorte mit Lockangeboten wie mietfreien Räumlichkeiten um die Ecke kommen, ist es umso wichtiger, die außerordentlichen Vorzüge des Standorts Frankfurt herauszustellen. Der Sitz der Europäischen Zentralbank, der Flughafen als eines der weltweit bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuze und das Potenzial der Metropolregion Rhein-Main sind da nur einige Besonderheiten, die es anzupreisen gilt. Indem man sich allein darauf verlässt, dass die Wahl Frankfurts als EBA-Standort eine „logische Konsequenz“ sei, wie es Al-Wazir gemacht hatte, sichert man sich keine Vorteile. Es ist bedauerlich, dass die Landesregierung das nicht vorher verstanden hat und Hessen – und auch Deutschland – jetzt als Verlierer da steht.“ +++