Weber: Brexit ist Chance für Europa

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, hat das „klare Votum“ der britischen Wähler für die Konservativen als „unmissverständliches“ Zeichen gewertet, die EU zu verlassen. Dieser einseitige Trennungsbeschluss bleibe ein „historischer Fehler“, schreibt Weber in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Dennoch sollte Europa nicht zu viel Zeit auf die Trauerarbeit verwenden, sondern endlich die gemeinsame Zukunft anpacken.

Der britische Premierminister Boris Johnson kenne die Voraussetzungen, wie Großbritannien ein enger Handelspartner der EU werden könne. Großbritannien könne „kein zweites Singapur vor unserer Haustür“ werden, das das europäische Sozialmodell untergrabe. „Die Briten müssen die europäischen Regeln akzeptieren, denn nur auf dieser Grundlage können wir faire Handelsbeziehungen zu Großbritannien gestalten“, so Weber. Der Brexit müsse auch als Chance für Europa begriffen werden. „Europa muss endlich erwachsen werden.“ Die vergangenen Europawahlen hätten gezeigt, dass der Brexit den Zusammenhalt der übrigen 27 Mitgliedstaaten gestärkt habe, so Weber weiter. „Wir sollten nun zügig eine EU-Eingreiftruppe als Vorstufe zur Europäischen Armee schaffen, das Mehrheitsprinzip in der Außenpolitik endlich akzeptieren und beim kommenden Budget die leidige Diskussion über Netto- und Bruttozahlern beenden.“ Der Brexit habe Europa die Chance gegeben, seinen Bürgern zu zeigen, was die Mitgliedschaft in der EU wert sei, so der EVP-Fraktionschef. Nur ganz radikale politische Kräfte stellten heute die Mitgliedschaft der EU in Frage. Selbst Populisten sprächen von einer Erneuerung der EU, aber nicht mehr vom Austritt.

Britischer Botschafter: „Es wird keinen ungeregelten Brexit geben“

Der britische Botschafter in Deutschland, Sir Sebastian Wood, hat sich zum klaren Wahlsieg der Tories unter Premierminister Boris Johnson geäußert und geht davon aus, dass dem bereits ausgehandelten Brexit-Deal zwischen der EU und Großbritannien bis Ende Januar zugestimmt wird. „Mit einer so starken Mehrheit im Parlament, wird dieser Deal im nächsten Monat ratifiziert werden. Es wird also keinen ungeregelten Brexit geben“, sagte Wood am Freitag der RTL/n-tv-Redaktion. Es sei wichtig, nun Klarheit zu haben. Gleichzeitig hob der britische Botschafter hervor, dass er es gut verstehen könne, dass einige Menschen in Deutschland von dem Wahlergebnis enttäuscht seien, da es immer noch Hoffnung gegeben hatte, die Briten könnten ihre Meinung zum EU-Austritt doch noch ändern. „Aber jetzt hat die Bevölkerung, haben die Wähler in Großbritannien klar bestätigt, dass sie aus der EU austreten wollen und jetzt wissen wir, dass es Ende Januar so passieren wird“, sagte Wood. Man müsse nun entscheiden, was für ein Verhältnis Großbritannien in der Zukunft mit der EU haben wolle. „Das können wir jetzt auf positive Weise gestalten. Auf der britischen Seite ist es wichtig, dass wir die engst mögliche Partnerschaft behalten“, so der britische Botschafter.

Lambsdorff: Johnson muss Übergangsfrist verlängern

Nach der Parlamentswahl in Großbritannien hat sich der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff für eine verlängerte Übergangsfrist ausgesprochen. In elf Monaten werde ein Folgeabkommen zum Brexit nicht zu schaffen sein, sagte Lambsdorff dem „Mannheimer Morgen“. Premierminister Boris Johnson lehnt eine Verlängerung bisher ab. Lambsdorff erklärte dazu: „Herr Johnson hat sich in der Vergangenheit immer sehr flexibel gezeigt, was seine Meinungen angeht. Ich zähle darauf, dass er auch in dieser Frage flexibel ist“, so der FDP-Politiker. Johnson könne sich nach dem deutlichen Wahlsieg auf eine breite Mehrheit stützen und müsse nicht mehr auf die Ränder schielen. „Als Nächstes muss er eine Regierung bilden, das ist sein Job als Premierminister“, sagte Lambsdorff. Der FDP-Politiker bedauerte den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. „Ich bin ein Liberaler – und England ist das Mutterland des Liberalismus. Von daher bedauere ich den Austritt  außerordentlich. Es ist eine Situation, die nur Verlierer kennt.“ +++