Wahlrechtsreform: Kleinerer Bundestag spart 125 Millionen Euro

Union will Erststimmenregelung bei neuem Wahlrecht nicht hinnehmen

Durch die Wahlrechtsreform und den dadurch verkleinerten Bundestag wird der Bund zukünftig etwa 125 Millionen Euro einsparen. Das zeigen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, über die das Wirtschaftsmagazin „Capital“ berichtet.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am Dienstag die von der Ampel-Regierung beschlossene Wahlrechtsreform. Damit werden nach der Bundestagswahl 2025 nur noch maximal 630 Abgeordnete im Bundestag sitzen, 106 weniger als derzeit.

„Die mit Abstand größten Einsparungen kommen aus den Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern der Abgeordneten mit rund 45 Millionen Euro“, sagte Björn Kauder, Ökonom für Finanz- und Steuerpolitik am IW. „Bei den Diäten der Abgeordneten selbst sind es ’nur‘ etwa 13 Millionen Euro Einsparung. Bei den Geldleistungen an die Fraktionen ließen sich außerdem bis zu 20 Millionen Euro sparen.“

In die 125 Millionen Euro sind neben Personaleinsparungen auch geringere Kostenaufwendungen einberechnet, etwa für Reisen und Büroausstattung. Bei Gebäuden und deren Bewirtschaftung lässt sich dem IW zufolge kaum sparen, weil Räumlichkeiten nur zum Teil abgestoßen werden können. Bei vielen kleineren Positionen seien gar keine Einsparungen zu erwarten, zum Beispiel beim Besucherdienst oder bei der Förderung bestimmter Institute.

Für die Berechnung setzte der IW-Experte die aktuelle Größe des Bundestags zur zukünftigen ins Verhältnis und schätzte bei jeder der 63 Kostenpositionen im Haushalt des Bundestags, ob sie sich reduziert oder nicht. Der Bundestag selbst wollte auf Nachfrage von Capital noch keine Berechnungen anstellen und verwies darauf, dass die Höhe des Budgets für den Bundestag erst nach der nächsten Wahl 2025 festgelegt werde.

Union will Erststimmenregelung bei neuem Wahlrecht nicht hinnehmen

Die Union hält die vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Korrekturen am bestehenden Bundestagswahlrecht für unzureichend. „Direkt gewählte Abgeordnete gehören ins Parlament“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dieser Punkt ist aus Sicht der Partei unverhandelbar, sollten sie in der kommenden Legislaturperiode Teil der Bundesregierung sein.

Wie die CSU sieht man es die Unionsfraktion des Bundestages. „Selbstverständlich muss der Sieger eines Wahlkreises sein gewonnenes Mandat auch im Deutschen Bundestag antreten können“, sagte deren Parlamentarischer Geschäftsführer, Thorsten Frei (CDU), der Zeitung. „Alles andere würde das Vertrauen in unser Wahlsystem gefährden.“ Das Bundesverfassungsgericht habe seiner Ansicht nach mit seinem jüngsten Urteil zum Wahlrecht den Versuch der Ampel gestoppt, „politische Konkurrenten mit Hilfe des Wahlrechts auszuschalten“.

Die CSU glaubt nicht, dass es ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl eine realistische Aussicht gibt, eine umfassende Wahlrechtsreform ins Werk zu setzen, über die sich Ampel und Union einig wären. Hubers Blick richtet sich daher auf die nächste Legislaturperiode. Für die CSU sei „nach der nächsten Bundestagswahl klar: keine Koalition ohne neue Wahlrechtsreform“. Das sei „Koalitionsbedingung“. Auch in der Unionsfraktion in Berlin nimmt man nicht an, dass es in dieser Legislaturperiode noch zu einer abermaligen Änderung am Wahlrecht kommt.

Nach dem ab 1956 gültigen Wahlrecht wurden die Sitze, die einer Partei nach ihrem Anteil an Zweitstimmen, zunächst mit den in den Wahlkreisen durch Erststimmen errungenen Direktmandaten aufgefüllt. Wenn eine Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, zogen diese zusätzlich in den Bundestag ein. 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Wahlrecht für ungültig, weil es dazu führen konnte, dass Stimmen für eine Partei diese Sitze kosten konnte.

In einer Reform 2011 wurden daher zusätzlich Ausgleichsmandate eingeführt: Sie sollten dafür sorgen, dass die Sitzverteilung im Parlament dem Zweitstimmanteil der jeweiligen Partei entsprachen. Dies führte zuletzt zu einem deutlichen Anwachsen des Bundestages. Eine kleinere Reform 2020 führte zuletzt dazu, dass nicht mehr alle Überhangmandate ausgeglichen werden. Davon konnte vor allem die CSU profitieren.

Die Union schlug zur Verkleinerung des Bundestags zuletzt vor, Erst- und Zweitstimme getrennt voneinander zu betrachten. Die Hälfte der Sitze würde damit proportional nach der Zweitstimme zugeteilt werden, die andere Hälfte ginge an die erstplatzierten Wahlkreiskandidaten. Diese Reform hätte bei den vergangenen Wahlen die Union zulasten der anderen Parteien gestärkt.

Die vom Bundesverfassungsgericht weitgehend bestätigte Reform der Ampel sieht nun vor, dass es keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Damit verlieren im Vergleich zur Zeit vor 2020 alle Parteien gleichmäßig Sitze. Im Vergleich zur Situation danach trifft die Reform die CSU deutlicher als andere Parteien. +++

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen. Diskutieren kann man auf X oder Facebook

Popup-Fenster