Von Mindestlohn bis Phantomlohn – Unternehmer informierten sich im ITZ-Fulda

Fulda. „Kaum ein wirtschaftspolitisches Thema hat die Gemüter so bewegt, wie die Einführung desgesetzlichen Mindestlohnes zu Beginn des Jahres. Es gibt viele Fragen und Unsicherheiten in der Unternehmerschaft, weniger wegen der Höhe des Lohnes mehr aber wegen der bürokratischen Abwicklung“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schunck in seiner Anmoderation. Mehr als 150 Unternehmer aus der Region waren der Einladung von IHK und Arbeitgeberverband zu einer Informationsveranstaltung über das Thema Mindestlohn in das ITZ Fulda gefolgt.

Soviel vorweg. Es bleibt kompliziert und es kann teuer werden. „Die Koalitionsrunde in Berlin“; wusste Schunck zu berichten, konnte sich nicht auf Bürokratievereinfachungen einigen, stattdessen solle es weitere Gesprächsrunden zu dieser Thematik geben. „Die Rechtsunsicherheit bleibt damit weiter.“ Referent Guido Mück vom Hauptzollamt in Gießen teilte auf Nachfrage mit, dass im Zuge der bisherigen Kontrollverfahren bereits einige Unternehmen wegen Verstößen gegen die Aufzeichnungspflichten mit Ordnungswidrigkeitsverfahren belegt worden seien. „Die Bußgelder bewegten sich im Regelfall im vierstelligen Bereich pro Fall“. Dabei ginge es in der Regel um Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten und nicht um die Höhe des gezahlten Lohnes.

Die Verpackung bereitet Schwierigkeiten

Arbeitgeberverbandsgeschäftsführer Manfred Baumann brachte es in seinem einleitendenVortrag zum Inhalt des neuen Mindestlohngesetzes auf den Punkt: „Nicht die Festlegung eines Mindestlohnes bereitet uns Schwierigkeiten, sondern die gesetzliche Verpackung.“ In einer Zeit, in der die meisten Tarifverträge ein Monatsgehalt vorsehen, sei das Mindestlohngesetz mit seinem Bezug auf den Stundenlohn ein Griff in die Mottenkiste der Geschichte. Und eben die damit verbundene Stundenaufzeichnungspflicht führe zu Fragen, die oftmals nicht einmal von den Experten zu beantworten seien. Hier werde es wohl erst nach entsprechenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Rechtssicherheit geben. Fallstricke, so Baumann, seien insbesondere bei leistungsabhängigen Vergütungssystemen gegeben. So könne das Fixgehalt zwar unterhalb der Grenze des gesetzlichen Mindestlohnes liegen. Es müsse aber arbeitsvertraglich geregelt sein, dass der Anteil variablen Vergütung dann die Lücke bis zum Mindestlohn garantiert schließe. Baumann gab schließlich zu bedenken, dass auch Zulagen und Zuschläge wie etwa zusätzliches Weihnachts- und Urlaubsgeld nur dann auf den Mindestlohn anzurechnen seien, wenn damit auch tatsächlich eine Leistung des Arbeitnehmers entlohnt und nicht etwa nur Betriebstreue oder besondere Erschwernisse bei der Arbeit belohnt werde.

Haftung für Subunternehmer

Für große Aufregung hat nach den Worten von Rechtsanwältin Sandra Mittwoch von der Fuldaer Steuer- und Rechtsberatungskanzlei Priller und Partner die Frage der Auftraggeberhaftung im Rahmen des Mindestlohngesetzes gesorgt. Viele Unternehmen seien von ihren Kunden mit einer wahren Flut von Freistellungserklärungen überschwemmt worden. Mittag betonte, dass der Auftraggeber aber nicht generell für alle von ihm vergebenen Aufträge hafte, sondern nur für solche, die er an Subunternehmer weitergegeben habe. Hier allerdings hafte er als Bürge, insbesondere dann, wenn der Subunternehmer in Insolvenz gehe und seine Arbeitnehmer nicht nach dem Mindestlohngesetz bezahlt habe. Die Arbeitnehmer des Subunternehmers hätten einen Regressanspruch gegen den Auftraggeber. Die Einhaltung des Mindestlohnes wird nach Auskunft der Rechtsanwältin nicht nur vom Hauptzollamt, sondern auch von den Rentenversicherungsträgern geprüft und das turnusmäßig alle vier Jahre inklusive aller Dokumentationspflichten. Bei Verstößen würden dann auch die Sozialversicherungsbeiträge fällig, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den Lohn auch tatsächlich erhalten habe. „In diesem Fall spricht man vom sogenannten Phantomlohn“. „Ein Verzicht auf die Aufzeichnungspflicht lohnt sich nicht, sie werden so oder so geprüft“.

Beginn – Ende – Arbeitsdauer

Licht in das Dunkel der Aufzeichnungspflichten brachte Referent Guido Mück vom Hauptzollamt in Gießen. Es reiche aus, wenn Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Arbeitsdauer abzüglich der Pausen formlos aufgezeichnet würden. Der genaue Zeitpunkt der Pausen müsse nicht festgehalten werden, der Arbeitnehmer auch nicht unterschreiben. „Die Unterschrift des Arbeitgebers reicht“. Die Aufzeichnung müsse spätestens nach sieben Tagen erfolgen, die Papiere aber nicht unbedingt im Unternehmen selbst aufbewahrt werden. „Das kann auch beim Steuerberater sein.“ In einer teilweise sehr emotionalen Diskussion warb Mück um Verständnis für die Kontrollen. „Uns ist es am liebsten, wenn alles passt. Es gibt auch keinen Generalverdacht gegen die Arbeitgeber“. Der Zoll komme zwar generell ohne Ankündigung, sei aber durchaus bereit, mit den Unternehmen einen geeigneten Termin abzustimmen, wenn es gerade offensichtlich vom Betriebsablauf her nicht passe. Die Prüfung der Einhaltung des Mindestlohnes könne sich aber, so Mück weiter, auch über die Arbeitszeitdokumentation und Arbeitsverträge hinaus auf die gesamte Finanzbuchhaltung erstrecken, etwa dann, wenn auch noch Sachbezüge geprüft werden müssten. Arbeitgeberverbandsgeschäftsführer Manfred Baumann betonte in seinen Schlussworten. „Der heutige Abend war ein guter Anfang. Uns ist daran gelegen, einen dauerhaften Austauschprozess auf Arbeitsebene mit dem Hauptzollamt aufzubauen, von dem unsere Unternehmen profitieren.“ +++ fuldainfo